Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Moldawien
Moldawi|en Fläche: 33 700 km2
Einwohner: (1997) 4,445 Mio.
Hauptstadt: Chişinău
Verwaltungsgliederung: 40 Landkreise, sechs kreisfreie Städte, vier Munizipien
Amtssprache: Moldawisch (Rumänisch)
Nationalfeiertag: 27. 8.
Währung: 1 Moldau-Leu (MDL) = 100 Bani
Zeitzone: MEZ + 1 Std.
(amtl. moldaw. Moldova, Republica Moldova; russ. Moldawija, dt. auch Moldau), Staat im SO Europas, grenzt im N, O und S an die Ukraine und im W an Rumänien. Den Bewohnern der Dnjestr-Region (Transnistrien) wurde 1992 der Status einer nat. Minderheit gewährt. Im SW des Landes besteht das autonome Gebiet Gagausien.
Staat und Recht: Nach der am 28. 8. 1994 in Kraft getretenen Verf. ist M. eine Rep. mit parlamentarisch-präsidentiellem Reg.system. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der auf vier Jahre direkt gewählte Präs.; die Legislative liegt beim Einkammerparlament (101 Abg., für vier Jahre gewählt), die Exekutive bei der Reg. unter Vorsitz des MinPräs. Einflussreichste Parteien: Kommunist.Partei M.s (PCM), Demokrat. Konvention (CDM), Bewegung für ein demokrat. und prosperierendes M. (MPMDP) und Partei der Demokrat. Kräfte (PFD).
Landesnatur: M. entspricht dem größten Teil der histor. Landschaft Bessarabien. Es umfasst das wellige, nach S geneigte und von Flüssen und Schluchten zertalte Hügelland zw. Pruth im W und Dnjestr im O sowie einen schmalen Landstreifen links des Dnjestr, der das Gebiet Transnistrien bildet. In der Mitte erheben sich im Bereich der Zentralmoldawischen Platte die überwiegend von Eichenwäldern bedeckten Höhen der Kodry (bis 429 m ü. M.), im N liegen die Nordmoldawische Platte mit der Steppe von Bălţi, im S die Südmoldawische Ebene und die Ebene Bessarabiens mit der Budschaksteppe. - Das Klima ist gemäßigt kontinental mit kurzen, schneearmen Wintern und langen, warmen und trockenen Sommern. Die Jahresniederschläge liegen zw. 350 und 550 mm.
Bevölkerung: Sie setzt sich (1989) zu 64,5 % aus Rumänen, hier Moldawier gen., 13,8 % Ukrainern, 13,0 % Russen, 3,5 % Gagausen, 2,1 % Bulgaren, 1,5 % Juden und 1,6 % Angehörigen anderer Nationalitäten zusammen. Zw. den Moldawiern einerseits und Russen, Ukrainern und Gagausen andererseits bestehen ethn. Spannungen. Die Ukrainer wohnen bes. im O und S, die Russen östlich des Dnjestr und in Chişinău und die Gagausen in Gagausien im S. Am stärksten sind die zentralen Bezirke, der N und die Dnjestrplatte, am schwächsten ist die Budschaksteppe im S bevölkert. 52 % der Bev. leben in Städten. Die Gläubigen gehören hauptsächlich zur orth., eine Minderheit zur römisch-kath. Kirche. Es besteht eine zehnjährige Grundschulpflicht. M. verfügt über eine Akademie der Wiss., eine Univ. (in Chişinău) und sechs weitere Hochschulen.
Wirtschaft, Verkehr: Nach der polit. Unabhängigkeit begann die Umwandlung der von Moskau zentral gelenkten sozialist. Planwirtschaft zur privatwirtsch. orientierten Marktwirtschaft. Die durch Böden und Klima begünstigte Landwirtschaft ist Hauptwirtschaftszweig, in dem genossenschaftlich bewirtschaftete Betriebe bestimmend sind. Dagegen ist der Viehbestand großenteils wieder in Privatbesitz. Im industriellen Bereich arbeiten nur etwa 45 % der Beschäftigten noch im staatlich kontrollierten Sektor. Die große Abhängigkeit von Rohstoffzulieferungen aus Russland (M. ist arm an Bodenschätzen) und die Abspaltung von Transnistrien, wo sich etwa 40 % der Ind.kapazitäten befinden, wirken sich hemmend auf die weitere ökonom. Entwicklung M.s aus. Der Pflanzenbau ist vielfach nur bei Bewässerung ertragreich. Größte Bedeutung hat der Wein- und Obstbau. Aber auch der Anbau von Winterweizen, Sonnenblumen, Tabak, Zuckerrüben und Gemüse sowie die Viehzucht (Rinder, Schweine, Schafe; Geflügelhaltung) sind von großer Bedeutung. Vorherrschender Ind.zweig ist die Nahrungsmittelind. (Weine, Spirituosen, Obst-, Gemüse-, Fleischkonserven, Pflanzenöl), daneben sind Maschinen- (bes. Landmaschinen) und Gerätebau, Textil-, Bekleidungs- und Lederind. bedeutsam. Die Ind.betriebe sind v. a. in Chişinău, Tiraspol, Tighina und Bălţi angesiedelt. - Ausgeführt werden überwiegend Agrargüter und Erzeugnisse der Nahrungsmittelind. einschl. Getränke und Zigaretten. Wichtigste Handelspartner sind die Ukraine, Russland, Rumänien, Dtl. und Weißrussland. - Das Verkehrsnetz (1 318 km Eisenbahnlinien und 14 500 km Straßen, davon 5 000 km mit fester Decke) spielt im Transitverkehr zw. der Ukraine und den Balkanstaaten eine große Rolle. Flussschifffahrt wird auf Dnjestr und Pruth (etwa 700 km lange Wasserstraßen) betrieben; in Chişinău internat. Flughafen; nat. Fluggesellschaft ist die Air Moldova.
Geschichte: 1924 errichtete die sowjet. Reg. im rumänisch-ukrain. Grenzgebiet die überwiegend von Rumänen (Moldauern, Moldawiern) bewohnte Moldauische ASSR. Diese wurde 1940 mit dem von Rumänien unter dem Druck eines stalinschen Ultimatums abgetretenen Bessarabien zur Moldauischen SSR vereinigt. Im Zweiten Weltkrieg war M. 1941-44 dem rumän. Staatsgebiet eingegliedert. Nach der Rückeroberung durch die Rote Armee (1944) im alten Umfang rekonstituiert, erkannte Rumänien im Pariser Friedensvertrag (Febr. 1947) M. als Teil der UdSSR an. Am 23. 6. 1990 erklärte M. seine Souveränität innerhalb der UdSSR und am 27. 8. 1991 seine Unabhängigkeit. Das Streben der rumänischstämmigen Moldawier nach einer engen Bindung an Rumänien (Plan einer späteren Wiedervereinigung) führte zum Konflikt mit den Gagausen im S des Landes (im Aug. 1990 Ausrufung einer gagaus. Rep.) und mit der russisch-ukrain. Minderheit in dem östl. des Dnjestr liegenden Transnistrien (im Sept. 1991 Proklamation einer Dnjestr-Rep.). Beide Sezessionen erkannte die moldaw. Führung nicht an. Die ersten freien Präsidentschaftswahlen im Dez. 1991, die von den russisch-ukrain. und gagaus. Bev.gruppen boykottiert wurden, bestätigten Staatspräs. M. Snegur im Amt (seit 1990). In der Dnjestr-Region entwickelten sich die 1991 ausgebrochenen Kämpfe zw. russisch-ukrain. Separatisten (unterstützt von russ. Kosakenverbänden) und moldaw. Polizeieinheiten zu einem Bürgerkrieg. Die 14. GUS-Armee unter General Lebed griff in die Kämpfe ein und beendete sie. Nach dem Scheitern mehrerer Waffenstillstandsvereinbarungen und erfolglosen polit. Lösungsversuchen (im Juni 1992) erklärte das moldaw. Parlament offiziell die Bereitschaft M.s, Transnistrien weitgehende Autonomie zu gewähren. Ende Juli 1992 wurde eine Friedenstruppe (russ. und moldaw. Soldaten sowie Gardisten aus der Dnjestr-Region) im Krisengebiet stationiert. Im Mai 1995 stimmten die Gagausen mehrheitlich dem Gesetz über den Sonderstatus ihrer Gemeinschaft zu.
Bei den Wahlen 1994 gewannen die kommunist. Kräfte (u. a. Agrardemokrat. Partei, Sozialist. Partei) die absolute Mehrheit. In einer Volksbefragung sprach sich 1994 eine Mehrheit der Bev. für die Unabhängigkeit M.s, d. h. auch gegen eine Vereinigung mit Rumänien, aus. Bei den Präsidentschaftswahlen 1996 siegte im 2. Wahlgang am 1. 12. P. Lucinschi mit Unterstützung der Linken. Bei den Parlamentswahlen im März 1998 erzielte die erstmals seit 1991 wieder zugelassene Kommunist. Partei den höchsten Stimmenanteil.
Literatur:
Götz, R.u. Halbach, U.: Politisches Lexikon GUS. München 31996.
Studies in Moldovan. The history, culture, language and contemporary politics of the people of Moldova, hg. v. D. L. Dyer. Boulder, Colo., 1996.
Democratic changes and authoritarian reactions in Russia, Ukraine, Belarus, and Modova, hg. v. K. Dawisha u. a. Cambridge 1997.
Hofbauer, H. u. Roman, V.: Bukowina, Bessarabien, M. Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Rußland u. der Türkei. Wien 21997.
Ruzé, A.: La Moldova entre la Roumanie et la Russie. De Pierre la Grand à Boris Eltsine. Paris 1997.
Z. Lerman u. a.: Land reform and farm reconstruction in Moldova. Washington, D. C., 1998.
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