Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Mitteleuropa
Mitteleuropa,der mittlere Teil Europas, zw. dem ozean. W- und dem kontinentalen O-Europa, den Mittelmeerländern im S und den skandinav. Ländern im N. Im S ist es im Wesentlichen durch die Alpen begrenzt, im N durch Nord- und Ostsee; im W und O fehlen natürl. Grenzen. Meist versteht man unter M. die Stromgebiete von der Schelde bis zur Weichsel und das Stromgebiet der Donau bis zur Mähr. Pforte. Zu M. werden i. Allg. Dtl., Schweiz, Österreich, Polen, Tschech. Rep., Slowak. Rep., Ungarn, i. w. S. auch Rumänien gerechnet, gelegentlich auch die Niederlande, Belgien und Luxemburg. (Ostmitteleuropa )Vor- und Frühgeschichte: Für das erste Auftreten des Menschen in der Altsteinzeit M. zeugen die Menschenfunde von Mauer bei Heidelberg, Bilzingsleben (Kr. Artern) und Vértesszőllős (Ungarn). Die Steinwerkzeuge dieser Homo-erectus-Gruppen gehören in den Formenkreis des Clactonien. Der Mensch von Steinheim gehörte zu den Trägern des Acheuléen. Wichtige Fundstätten des Spätacheuléen (späte Riss-Kaltzeit) sind Salzgitter-Lebenstedt, die Balver Höhle und Hannover-Döhren. Im westl. M. ist das aus dem Acheuléen hervorgegangene Micoquien stark vertreten. Gruppen des Präneandertalers lebten in der letzten Zwischeneiszeit (Eem-Warmzeit) in M. unter günstigen Klimabedingungen. Das in der frühen Würm-Kaltzeit auftretende Moustérien war in M. eine Kultur des Neandertalers. Während einer Klimaverbesserung in der Würm-Kaltzeit (um 30 000 v. Chr.) wurde sie durch das Auftreten der heutigen Menschen (Homo sapiens) im Aurignacien abgelöst (Cro-Magnon-Mensch). Diese Kulturstufe ist durch höher stehende Jagdtechnik, dorfartige Siedlungen sowie durch Auftreten von Kunst- und Schmuckgegenständen gekennzeichnet (Willendorf, Dolní Věstonice, Vogelherdhöhle). Dem Aurignacien folgt in der letzten Glazialphase der Würm-Kaltzeit das Magdalénien, in klass. Ausprägung im nördl. Alpenvorland. Von den Kulturgruppen der Mittelsteinzeit drangen von Frankreich aus »kleingerätige« Gruppen aus dem Umkreis des Azilien und des Tardenoisien nach Süd-Dtl. und in die dt. Mittelgebirge vor, während die Norddt. Tiefebene, Dänemark und NW-Europa von »großgerätigen« Gruppen der Maglemose- und Erteböllekultur eingenommen wurden. Die älteste Kultur der Jungsteinzeit in M. ist die bandkeramische Kultur. In der Norddt. Tiefebene und S-Skandinavien entwickelte sich die Trichterbecherkultur, während sich in West-Dtl. die Michelsberger Kultur herausbildete. Im Jungneolithikum beeinflussten Kulturen von der Iberischen Halbinsel (Glockenbecherkultur) und vom Balkan (schnurkeram. Kultur) die mitteleurop. Kulturen.In der frühen Bronzezeit bildeten sich in der Nähe der nordalpinen und mitteldt. Kupferlagerstätten neue Zentren (Straubinger und Aunjetitzkultur), von denen sich die Kenntnis von Bronzegegenständen allmählich bis Nord-Dtl. ausbreitete und hier zur Entstehung des Nord. Kreises der Bronzezeit führte, der auch S-Skandinavien umfasste und seinen ungewöhnl. Reichtum vermutlich dem Bernsteinhandel verdankte. In der gesamten Bronzezeit wurde das ganze südl. M. von O-Frankreich bis W-Ungarn von der Hügelgräberkultur beherrscht. Gleichzeitig bildete sich zw. Elbe und Weichsel ein zunächst nur schwach ausgeprägter Formenkreis, aus dem die Lausitzer Kultur hervorging. Die verwandte Urnenfelderkultur verdrängte in der jüngeren Bronzezeit die Hügelgräberkultur.Die ältere Eisenzeit stand im südl. M. im Zeichen der Hallstattkultur, im N bestand die bronzezeitl. Kultur fort und breitete sich sogar nach S aus. Während im O die Hallstattkultur mit dem illyrisch-venet. Volkstum verbunden zu sein scheint, können als Träger der westl. Hallstattkultur Kelten angenommen werden. Die Spätstufe der Lausitzer Kultur geriet zunehmend unter Hallstatteinfluss. Im Grenzgebiet zw. Lausitzer Kultur und Nord. Kreis bildeten sich die Hausurnenkultur und die Gesichtsurnenkultur. In der späten Hallstattzeit vollzog sich im Nord. Kreis der Übergang zur eisenzeitl. Kultur (Jastorfkultur). Die jüngere Eisenzeit stand im S-Gebiet im Zeichen der kelt. La-Tène-Kultur, die auf der Grundlage der westl. Hallstattkultur entstand und durch händler. und krieger. Kontakte mit der Mittelmeerzivilisation zu beachtlicher Kulturhöhe erblühte. (Übersicht Vorgeschichte. Übersichten und Tabellen finden Sie im Buch)Zur weiteren Geschichte Europa und entsprechende Abschnitte der einzelnen Staaten.