Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Mittelalter
Mittelalter,Abk. MA. (lat. medium aevum), der Zeitraum zw. Altertum und Neuzeit in der europ. Geschichte. Den Begriff M. prägten die Humanisten des 15./16. Jh. für die Zeit zw. dem Ende der Antike, der ihrer Ansicht nach eine Epoche des allg. Verfalls der lat. Sprache und Bildung folgte, und der Renaissance (Wiedergeburt antiker Gelehrsamkeit). Während die Aufklärung das »finstere M.« missachtete, verklärte die Romantik diese Epoche als Idealzeit der gläubigen, ritterl. Gemeinschaft des christl. Abendlandes. Trotz grundsätzl. Bedenken aus universalhistor. Sicht hat sich die Epochenbez. M. in der modernen Geschichtsschreibung behauptet. Als problematisch erweist sich sowohl die Abgrenzung des M. von Antike und Neuzeit als auch die Periodisierung innerhalb des M. Ein eindeutiger Beginn des M. lässt sich nicht festlegen, die Spanne entsprechender Datierungen reicht von der Krise des Röm. Reiches im 3. Jh. über den Untergang Westroms (476) bis zur Kaiserkrönung Karls d. Gr. (800). Als Übergang von der Antike zum M. gilt die Zeit der Völkerwanderung (4.-6. Jh.), in der durch die Begegnung von Antike, Germanentum und Christentum wesentl. Grundlagen der frühmittelalterl. Gesellschaft entstanden. Als Zäsur wird auch das Vordringen des Islams in den Mittelmeerraum ab dem 7. Jh. angesehen. Im Ergebnis von Völkerwanderung und islam. Expansion bildete sich bis zur Mitte des 8. Jh. das Mächtesystem heraus, in dem Byzanz, das Reich der Kalifen und das aufstrebende Fränk. Reich die dominierenden Faktoren darstellten. Später hatten v. a. das Hl. Röm. Reich und (seit dem 13. Jh.) Frankreich eine Vormachtstellung im Abendland. Das Ende des M. wird v. a. mit dem Beginn des Zeitalters der großen Entdeckungen (1492 Landung von C. Kolumbus in Amerika) bzw. mit dem Einsetzen der Reformation (1517), auch mit der Entfaltung des Humanismus verbunden. - Teilabschnitte des M. sind Früh-M. (5./6. Jh. bis etwa 10./11. Jh.), Hoch-M. (11. Jh. bis etwa Mitte des 13. Jh.), Spät-M. (13. Jh. bis Ende 15. Jh./Anfang 16. Jh.). - Im Verlauf des M. vollzog sich ein allmähl. Wandel von der naturalwirtsch. Adels- und Grundherrschaft des Früh-M. über die Blüte des Rittertums und Lehnswesens im Hoch-M. (Zeitalter der Kreuzzüge) bis zum Aufstieg des Bürgertums, Städtewesens und der Geldwirtschaft im Spät-M. Trotz der Kämpfe zw. Papsttum und Kaisertum und verschiedenen häretischen Bewegungen konnte die lat. Kirche die Glaubens- und Kultureinheit bewahren. Bei allen national unterschiedl. Ausprägungen zeigte das M. gemeinsame Grundzüge in der ständisch geordneten Gesellschaft, in der religiösen Geisteshaltung, Kunst, Literatur und Wissenschaft, die es zu einer eigenständigen Kulturepoche werden ließen.
Literatur:
Gurjewitsch, A. J.: Das Weltbild des mittelalterl. Menschen. A. d. Russ. München 41989.
Volkert, W.: Adel bis Zunft. Ein Lexikon des M. München 1991.
Das M. in Daten. Literatur, Kunst, Geschichte 750-1520, hg. v. J. Heinzle. München 1993.
Borst, A.: Lebensformen im M. Frankfurt am Main u. a. 141995.
Boockmann, H.: Einführung in die Geschichte des M. München 61996.
Fuhrmann, H.: Überall ist M. Von der Gegenwart einer vergangenen Zeit. München 1996.
Althoff, G.: Spielregeln der Politik im M. Kommunikation in Frieden u. Fehde. Darmstadt 1997.
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