Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Michelangelo
Michelangelo[mike'landʒelo], eigtl. M. Buonarroti, italien. Bildhauer, Maler, Baumeister, Dichter, * Caprese (heute Caprese Michelangelo, Prov. Arezzo) 6. 3. 1475, ✝ Rom 18. 2. 1564; Hauptmeister der Hochrenaissance und bedeutendster Wegbereiter des Manierismus; Schüler des D. Ghirlandaio, dann vermutlich des Bildhauers Bertoldo di Giovanni (* um 1420, ✝ 1491) in Florenz. Wichtig für seine Stilbildung war das Studium Giottos und Masaccios, Benedettos da Maiano und der Antike, die ihm im Hause der Medici bzw. in deren Kunstakademien erschlossen wurde. Seit 1496 arbeitete M. abwechselnd in Florenz, Rom und in den Marmorbrüchen von Carrara, ehe er 1534 endgültig nach Rom übersiedelte, wo ihn die Freundschaft zu Vittoria Colonna (seit 1538) nachhaltig beeinflusste. Ihr sind z. T. seine seit 1534 entstandenen schwermütigen und tief empfundenen Sonette und Madrigale gewidmet.Frühzeit: Um 1491/92 entstanden die beiden Reliefs »Madonna an der Treppe« und »Kentaurenkampf« (beide Florenz, Casa Buonarroti), danach in Rom »Bacchus« (1497, Florenz, Bargello) und die »Pietà« in St. Peter (1498-1500). 1501 erhielt M. in Florenz den öffentl. Auftrag für das überlebensgroße Marmorstandbild des »David« (Florenz, Kopie auf der Piazza della Signoria, Original in der Galleria dell'Accademia), an dem er bis 1504 arbeitete. Von den Gemälden dieser Zeit ist das Rundbild der »Madonna Doni« (1503/04; Uffizien) erhalten, das ebenso wie der nur in Teilkopien erhaltene Karton für das nicht ausgeführte Fresko der Schlacht von Cascina im Wettstreit mit Leonardo da Vinci entstand.Mittlere Schaffensperiode: 1505 berief Papst Julius II. M. zur Errichtung seines Grabmals nach Rom. Der reizbare Künstler fühlte sich bei der Arbeit an dem Projekt nicht ausreichend unterstützt; er floh und übernahm 1508 nach der Aussöhnung mit dem Papst widerstrebend den Auftrag zur Deckenausmalung der Sixtin. Kapelle. Hier schuf er 1509-12 durch eine gemalte Architekturgliederung ein System unterschiedl. Bildträger, das eine Fülle symbol. Bezüge der skulptural aufgefassten Sehergestalten (Propheten, Sibyllen) sowie der Aktfiguren (Ignudi) in und vor der Rahmung zu den malerisch-bildhaften Szenen der Genesis dahinter in dynam. Weise veranschaulicht. Die Reinigung der Fresken der Sixtin. Kapelle (1980-94) hat zu wiss. und öffentl. Diskussionen um deren Zuschreibung geführt. Nach dem Tod des Papstes (1513) widmete sich M. wieder dem Projekt eines Grabmals für Papst Julius II. Es entstanden 1513-16 der »Moses« (Rom, San Pietro in Vincoli) und zwei Sklavenfiguren (Paris, Louvre), ab 1519 die vier »Boboli-Sklaven« (Florenz, Galleria dell'Accademia); das nicht zur Vollendung gebrachte Wandgrab wurde schließlich (1545) in San Pietro in Vincoli, aufgestellt. 1516 erhielt M. von den Medici den Auftrag für die Fassade von San Lorenzo in Florenz (Pläne nicht ausgeführt). 1520 begann er den Bau der Medici-Kapelle (»Neue Sakristei«, nicht vollendet) für San Lorenzo. Ausgeführt wurden (bis 1534) die Sitzfiguren des Giuliano und Lorenzo de' Medici und die Liegefiguren, von denen »Tag« (1524) und »Nacht« zuerst entstanden, sowie die Madonna. Mit der 1524 begonnenen Biblioteca Medicea Laurenziana vollzog M. die Wendung zum Manierismus. 1535-41 malte er das Fresko des »Jüngsten Gerichts« an der Altarwand der Sixtin. Kapelle: Anstelle der perspektiv. Raumauffassung der Renaissance setzte er eine Bewegungsdynamik, die die Seligen aufsteigend, die Verdammten fallend im Leeren um die kraftvolle Christusgestalt kreisen lässt.Spätwerk: Um 1535 begann M. an der »Pietà« (Florenz, Dom) zu arbeiten, die er vor 1550 unvollendet beließ, 1555 begann er mit seinem letzten bildhauer. Werk, der »Pietà Rondanini« (Mailand, Castello Sforzesco). Beide zeigen eine Reduktion der Körperlichkeit zur Zeichenhaftigkeit. Seine letzten Fresken, die »Bekehrung des Saulus« und die »Kreuzigung Petri«, im Vatikan, malte er zw. 1541 (Auftragserteilung) und 1549/50. In den beiden letzten Jahrzehnten arbeitete er v. a. an architekton. Aufgaben (Palazzo Farnese; Platzgestaltung des Kapitols 1). 1546 übernahm er die Bauleitung der Peterskirche in Rom, deren gewaltige Kuppel seine größte Leistung als Baumeister ist. - M. verkörpert einen neuen Typ des Künstlers, er befreite sich aus den Bindungen der Überlieferung und erschloss eine Welt zuvor unbekannter bildner. und psycholog. Ausdrucksmöglichkeiten. Nie zuvor ist das Werk eines Künstlers in gleichem Maße Selbstbekenntnis gewesen. Sein geniales Werk sprengt die kunsthistor. Kategorien, indem es den Entwicklungen vorgreift, sodass sich Künstler an den unterschiedlichsten Phasen seines Werkes orientierten.
Literatur:
Nova, A.: M., 3 Bde., Bd. 1: M., der Architekt, Bd. 2: Guazzoni, V.: M., der Bildhauer, Bd. 3: De Vecchi, P.: M., der Maler. A. d. Italien. Sonderausg. Stuttgart u. a. 1988.
De Vecchi, P.: M. A. d. Frz. Köln 1991.
Ryan, C.: The poetry of M. London 1998.
Richmond, R.: M. u. die Sixtin. Kapelle. A. d. Engl. Neuausg. Freiburg im Breisgau 3 1999.
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