Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Mengenlehre
Mengenlehre,mathemat. Theorie, die sich mit den Eigenschaften von Mengen und den Beziehungen zw. ihnen befasst. Die naive (nicht axiomat.) M. basiert auf der von G. Cantor gegebenen Definition des Begriffs Menge: »Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung von bestimmten wohl unterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens, welche die Elemente der Menge genannt werden, zu einem Ganzen.« Da der Aufbau der naiven M., insbesondere die unkrit. Verwendung des Mengenbegriffs, zu Widersprüchen (z. B. russellsche Antinomie) führte, wurden axiomat. Begründungen der M. (Axiom) und Einschränkungen der Anwendbarkeit bestimmter log. Grundregeln vorgenommen. Die axiomat. M. versucht, die M. ausgehend von Axiomen aufzubauen. Sie verzichtet auf die Definition des Begriffs Menge und verwendet ihn als Grundbegriff. Eine Menge wird durch Angabe aller Elemente (bei endl. Mengen) oder durch Angabe einer Eigenschaft, der die Elemente genügen sollen, beschrieben. Grundbegriffe axiomat. Theorien der M. sind »Menge«, »Element« oder »Klasse«. Die einzige Relation ist »∈«, gesprochen »Element von«, z. B. heißt xA x: ist Element von A. Zwei Mengen A und B gelten als gleich, wenn sie dieselben Elemente enthalten. Abgeleitete Begriffe sind:1) Teilmenge BA : B ist eine Teilmenge von A (andere Sprechweise: A ist Obermenge von B), wenn alle Elemente von B auch solche von A sind. 2) Der Durchschnitt (Schnittmenge) AB zweier Mengen ist die Menge aller Elemente, die Elemente von A und von B sind. 3) Die Vereinigung A B ist die Menge der Elemente, die in A oder in B liegen. 4) Das relative Komplement A {{@}} \\ B besteht aus allen Elementen von A, die nicht in B liegen. Ist speziell BA, so heißt A {{@}} \\ B das Komplement von B in A. 5) Die leere Menge ∅ ist die Menge, die kein Element enthält. 6) Die Potenzmenge P (A) ist die Menge aller Teilmengen von A. Als Produktmenge ist das kartesische Produkt definiert.
In der »Algebra der Mengen« werden die Gesetzmäßigkeiten der Mengenoperatoren ∩, ∪, {{@}} \\ untersucht. So gelten z. B. das Kommutativgesetz und das Assoziativgesetz für ∩ und ∪ und die Distributivgesetze
A ∪ (BC ) = (AB ) ∩ (AC ) und
A ∩ (BC ) = (AB ) ∪ (AC ),
außerdem die morganschen Gesetze
C {{@}} \\ (AB ) = (C {{@}} \\ A ) ∩ (C {{@}} \\ B ) und
C {{@}} \\ (AB ) = (C {{@}} \\ A ) ∪ (C {{@}} \\ B ).
A und B heißen gleich mächtig, wenn es eine eindeutige Abbildung von A auf B gibt. Für endl. Mengen beschreibt der Begriff der Kardinalzahl die Anzahl der Elemente einer Menge. Gleich mächtige Mengen erhalten dieselbe Kardinalzahl, als Formelzeichen wird das Aleph benutzt; die Mächtigkeit der natürl. Zahlen wird mit bezeichnet. Eine Menge, die zur Menge ℕ der natürl. Zahlen gleich mächtig ist, heißt abzählbar (genauer: abzählbar-unendlich), z. B. die Mengen der rationalen Zahlen. Mengen mit mehr Elementen, als man abzählen kann, werden als überabzählbar bezeichnet; die reellen Zahlen sind nicht abzählbar.Aus der M. ergaben sich vielfältige Impulse für die mathemat. Grundlagenforschung. Viele moderne Theorien, wie die Topologie, Maßtheorie oder die moderne Algebra, sind auf der Grundlage der M. entwickelt worden, die einen einheitl. Aufbau der Mathematik auf der Basis weniger Grundprinzipien ermöglicht.
Literatur:
Vilenkin, N. J.: Unterhaltsame M. Aus dem Russ. Leipzig 31986.
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