Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Materialismus
Materialịsmus[lat.] der, eine Grundrichtung der Philosophie, die, im Ggs. zum Idealismus die Materie als die eigentl. Realität und das alle anderen Phänomene Bestimmende ansieht. - Vom method. M., der allein das naturwiss. Interpretierbare betrachten, sich jedoch jedes Urteils über die Gesamtwirklichkeit enthalten will, ist der philosoph. M. zu unterscheiden, der die Gesamtwirklichkeit zu deuten sucht. Letzterer tritt in folgenden Formen auf: Als radikaler M. (Physikalismus, radikaler Behaviorismus) leugnet er die Existenz seelisch-geistiger Prozesse; es gebe überhaupt nur die naturwiss. erfassbare Materie. Als Epiphänomenalismus gesteht er die Existenz von Seelischem und Geistigem zu; allerdings seien Letztere nichts als Wirkungen physikal. Prozesse, speziell von Gehirnprozessen, eine Rückwirkung gebe es nicht. Als Identitätstheorie behauptet er, dass Bewusstseinsphänomene nicht einen eigenen Seinsstatus besitzen, sondern lediglich eine besondere Art von Hirnprozessen sind. - Der (atheist.) mechanist. M. bildete sich, v. a. unter dem Eindruck des grch. Atomismus, in der frz. Aufklärung (u. a. La Mettrie, P. H. Holbach, C. A. Helvetius) zu seiner ersten Blüte heraus. Der naturwiss. M. des 19. Jh. (J. Moleschott, L. Büchner, E. Haeckel) wollte auf naturwiss. Erkenntnissen eine wissenschaftsoptimist., materialist. Weltanschauung aufbauen. Die v. a. über A. L. Destutt de Tracy weitergeführte und von L. Feuerbach aufgenommene Religionskritik beeinflusste die ideologiekrit. Untersuchungen von K. Marx und F. Engels, die als materialist. Geschichtsauffassung den histor. M. und als Methode den durch Kritik G. W. F. Hegels entstandenen dialekt. M. entwickelten (Marxismus). Der histor. M. erfuhr eine Reformulierung seiner Prinzipien und Relativierung durch versch. an Marx' Frühschriften anknüpfende Gedanken v. a. von G. Lukács, H. Marcuse, H. Lefêbvre und L. Kołakowski.
▣ Literatur:
Overmann, M.: Der Ursprung des frz. M. Die Kontinuität materialist. Denkens von der Antike bis zur Aufklärung. Frankfurt am Main u. a. 1993.
⃟ Steigerwald, R.: Abschied vom M.? M. u. moderne Wiss. Bonn 1994.
Materialịsmus[lat.] der, eine Grundrichtung der Philosophie, die, im Ggs. zum Idealismus die Materie als die eigentl. Realität und das alle anderen Phänomene Bestimmende ansieht. - Vom method. M., der allein das naturwiss. Interpretierbare betrachten, sich jedoch jedes Urteils über die Gesamtwirklichkeit enthalten will, ist der philosoph. M. zu unterscheiden, der die Gesamtwirklichkeit zu deuten sucht. Letzterer tritt in folgenden Formen auf: Als radikaler M. (Physikalismus, radikaler Behaviorismus) leugnet er die Existenz seelisch-geistiger Prozesse; es gebe überhaupt nur die naturwiss. erfassbare Materie. Als Epiphänomenalismus gesteht er die Existenz von Seelischem und Geistigem zu; allerdings seien Letztere nichts als Wirkungen physikal. Prozesse, speziell von Gehirnprozessen, eine Rückwirkung gebe es nicht. Als Identitätstheorie behauptet er, dass Bewusstseinsphänomene nicht einen eigenen Seinsstatus besitzen, sondern lediglich eine besondere Art von Hirnprozessen sind. - Der (atheist.) mechanist. M. bildete sich, v. a. unter dem Eindruck des grch. Atomismus, in der frz. Aufklärung (u. a. La Mettrie, P. H. Holbach, C. A. Helvetius) zu seiner ersten Blüte heraus. Der naturwiss. M. des 19. Jh. (J. Moleschott, L. Büchner, E. Haeckel) wollte auf naturwiss. Erkenntnissen eine wissenschaftsoptimist., materialist. Weltanschauung aufbauen. Die v. a. über A. L. Destutt de Tracy weitergeführte und von L. Feuerbach aufgenommene Religionskritik beeinflusste die ideologiekrit. Untersuchungen von K. Marx und F. Engels, die als materialist. Geschichtsauffassung den histor. M. und als Methode den durch Kritik G. W. F. Hegels entstandenen dialekt. M. entwickelten (Marxismus). Der histor. M. erfuhr eine Reformulierung seiner Prinzipien und Relativierung durch versch. an Marx' Frühschriften anknüpfende Gedanken v. a. von G. Lukács, H. Marcuse, H. Lefêbvre und L. Kołakowski.
▣ Literatur:
Overmann, M.: Der Ursprung des frz. M. Die Kontinuität materialist. Denkens von der Antike bis zur Aufklärung. Frankfurt am Main u. a. 1993.
⃟ Steigerwald, R.: Abschied vom M.? M. u. moderne Wiss. Bonn 1994.