Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Mann
I Mann,erwachsener Mensch männl. Geschlechts. - In den meisten Kulturen ist das Wesen und Selbstverständnis des M. durch die Vorrangstellung gegenüber der Frau geprägt. Die allg. Geistesgeschichte (Weltdeutung, -erkenntnis, -sinn) erscheint als eine Geschichte der Entwicklung des männl. Bewusstseins, das sich selbst aber stets als allgemein menschlich verstanden hat. Während M. sich als Kulturschöpfer begriffen und v. a. im bürgerl. Zeitalter das Prinzip der Unterwerfung der Natur, des ökonom., techn. und kulturellen Fortschritts repräsentierten, wurde das Weibliche der instinkt- und emotionsbetonten Natur zugeordnet. Der Untermauerung der durch festgefügte Rollenschemata verankerten gesellschaftl. und rechtl. Vorherrschaft des M. dienten eine entsprechende theologisch begründete Weltordnung und/oder die Berufung auf naturgegebene Geschlechtsunterschiede. In der Neuzeit, v. a. seit der industriellen Revolution, wurde die Geschlechterpolarisierung unter maßgebl. Einfluss der Frauenbewegung in den Ind.ländern zunehmend abgebaut und die prinzipielle Gleichberechtigung verfassungsmäßig verankert.
II Mạnn,
1) Dieter, Schauspieler, * Berlin 20. 6. 1941; seit 1964 am Dt. Theater Berlin, wo er 1984-91 als Intendant wirkte; auch beliebter Film- und Fernsehdarsteller sowie Bühnenregisseur.
2) Erika, Schriftstellerin, * München 9. 11. 1905, ✝ Kilchberg bei Zürich 27. 8. 1969, Tochter von 6); 1925-28
mit G. Gründgens; gründete 1933 in München, dann in der Schweiz das antifaschist. Kabarett »Die Pfeffermühle«; ab 1936 in den USA als Journalistin; schrieb Jugendbücher, Essays; verwaltete den schriftl. Nachlass ihres Vaters.
Literatur:
Lühe, I. von der: E. M. Eine Biographie. Neuausg. Frankfurt am Main 1996.
3) Golo, Historiker, Publizist, * München 27. 3. 1909, ✝ Leverkusen 7. 4. 1994, Sohn von 6); emigrierte 1933, war 1947-57 Prof. am Claremont Men's College (Calif.), 1960-64 an der TH Stuttgart; lebte in Kilchberg bei Zürich; verfasste u. a. »Dt. Geschichte des 19. und 20. Jh.« (1958), »Wallenstein« (1971); Herausgeber der »Propyläen-Weltgeschichte« (10 Bde., 1960-65).
4) Heinrich, Schriftsteller, * Lübeck 27. 3. 1871, ✝ Santa Monica (Calif.) 12. 3. 1950, Bruder von 6); lebte bis 1933 meist in München, 1930 Präs. der Sektion Dichtkunst der Preuß. Akademie der Künste, 1933 Ausschluss, Emigration nach Frankreich, 1940 Flucht in die USA; im Exil umfangreiche antifaschist. Aktivitäten. M.s Erzählkunst ist geprägt vom frz. Roman des 19. Jh. und dessen gesellschaftskrit. Intentionen: Die frühen Romane sind beißende Satiren auf bürgerl. Scheinmoral (»Im Schlaraffenland«, 1900; »Prof. Unrat«, 1905, verfilmt u. d. T. »Der blaue Engel«, 1930), der M. - beeinflusst von Nietzsche und D'Annunzio - eine Welt der Schönheit und Kunst entgegensetzt (»Die Göttinnen oder ...«, 3 Bde., 1903; »Die kleine Stadt«, 1909). Die autoritären Strukturen des wilhelmin. Dtl. analysierte er in der Trilogie »Das Kaiserreich« (»Der Untertan«, vollständige Buchausgabe 1918; »Die Armen«, 1917; »Der Kopf«, 1925). Im Exil entstand sein Hauptwerk, die Romane »Die Jugend des Königs Henri Quatre« (1935) und »Die Vollendung des Königs Henri Quatre« (1938). Das erzähler. Werk wird von einem reichen essayist. und publizist. Schaffen begleitet, das M. (u.a. mit seinem frühen Bekenntnis zur Demokratie und seinen dezidierten Stellungnahmen gegen den Nationalsozialismus) als bed. Repräsentanten der europ. Intellektuellen seiner Zeit ausweist (»Ein Zeitalter wird besichtigt«, 1945).
Literatur:
Jasper, W.: Der Bruder. H. M. Neuausg. Frankfurt am Main 1994.
Schröter, K.: H. M. Reinbek 79.-80. Tsd. 1996.
Fest, J.: Die unwissenden Magier. Über Thomas u. H. M. Neuausg. München 1998.
Voigt, K.-I.: Der Schriftsteller H. M. Münster 1998.
5) Klaus, Schriftsteller, * München 18. 11. 1906, ✝ (Selbstmord) Cannes 21. 5. 1949, Sohn von 6); Mitherausgeber der literar. Emigrantenzeitschrift »Die Sammlung« (1933-35); ab 1936 als Journalist in den USA (amerikan. Staatsbürger); war 1938 Berichterstatter im Span. Bürgerkrieg, 1944/45 amerikan. Soldat und Kriegskorrespondent in Italien. Sein zw. Dokumentation, Zeitkritik und Satire schwankendes Werk ist stark autobiographisch geprägt (»Symphonie pathétique«, R., 1935; Bekenntnisbuch »Der Wendepunkt«, engl. 1942, dt. hg. 1952; »Der Vulkan«, 1939). Der Schlüsselroman »Mephisto. Roman einer Karriere« (1936) wurde 1966 in der Bundesrep. Dtl. wegen Beleidigung von G. Gründgens verboten, erst 1981 erfolgte ein Neudruck.
Literatur:
Spangenberg, E.: Karriere eines Romans. Mephisto, K. M. u. Gustaf Gründgens. Reinbek Neuausg. 1986.
Naumann, U.: K. M. Reinbek 29.-31. Tsd. 1994.
6) Thomas, Schriftsteller, * Lübeck 6. 6. 1875, ✝ Kilchberg bei Zürich 12. 8. 1955, Vater von 2), 3) und 5), Bruder von 4); entstammte einer Lübecker Patrizier- und Kaufmannsfamilie; seine Mutter war Tochter einer portugiesisch-kreol. Brasilianerin. M. lebte seit 1893 meist in München,
1905 mit Katja Pringsheim (* 1883, ✝ 1980), kehrte im Febr. 1933 von einer Vortragsreise in die Schweiz nicht nach Dtl. zurück, ließ sich dort nieder, ging 1939 in die USA, lebte seit 1952 wieder in der Schweiz (Kilchberg). M. wurde schon mit seinem ersten Roman berühmt: »Buddenbrooks. Verfall einer Familie« (2 Bde., 1901) trägt autobiograph. Züge und schlägt bereits ein Thema an, das M.s Gesamtwerk beherrscht: die Polarität zw. Bürger und Künstler (fortgeführt u. a. in den Novellen »Tonio Kröger«, »Tristan«, beide 1903; »Der Tod in Venedig«, 1912). Nach einem inneren Klärungsprozess in der Folge des Ersten Weltkriegs (»Betrachtungen eines Unpolitischen«, 1918) entstand »Der Zauberberg« (1924), mit dem M. die Tradition des europ. Bildungsromans fortführt und in dem - in großen philosoph. Gesprächen - die geistigen Bezüge M.s (Schopenhauer und Nietzsche, Goethe und R. Wagner) sichtbar werden. Die Eigenarten seiner Gestaltungskunst sind hier bereits voll ausgebildet. Die skeptisch-iron. Distanz des Erzählers zu seinen Figuren, die leitmotiv. Wiederkehr typ. Konstellationen und der syntaktisch komplizierte Stil bestimmen auch die folgenden Romane. In der Tetralogie »Joseph und seine Brüder« (1933-43) funktioniert er mit diesen Mitteln den Mythos des alttestamentl. Stoffes zur humanist. Botschaft um; in »Lotte in Weimar« (1939) unternimmt er das Wagnis einer literar. Gestaltung Goethes, dem er sich auch mit der Transponierung des Faust-Stoffes in die Gegenwart im »Doktor Faustus« 1947 nähert, gleichzeitig eine Abrechnung mit dem Zusammenbruch des bürgerlichen dt. Humanismus. In den unvollendet gebliebenen »Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull« (veröffentlicht ab 1911, endgültige Ausgabe 1954) spiegeln sich nochmals die Themenkreise und Probleme, die M. während seines ganzen Lebens beschäftigten, diesmal in der Form des von Altersweisheit geprägten Schelmenromans. Die Novellen und Erzählungen variieren oft Themen der Romane: »Wälsungenblut« (1921), »Mario und der Zauberer« (1930), »Das Gesetz« (1944). Die Essayistik und die Tagebücher (10 Bde., 1977-95) belegen die intensive geistige Auseinandersetzung mit allen Fragen seiner Zeit, die konsequent antifaschist. Haltung und seine Bekenntnisse zu Demokratie und Weltbürgertum. Nobelpreis für Literatur 1929.
Literatur:
H. Koopmann. T.-M.-Handbuch, hg. v. Stuttgart 21995.
Harpprecht, K.: T. M. Eine Biographie, 2 Bde. Neuausg. Reinbek 1996.
Hayman, R.: T. M. London 1996.
Mendelssohn, P. de: Der Zauberer. Das Leben des dt. Schriftstellers T. M., 3 Bde. Neuausg. Frankfurt am Main 1996.
Schröter, K.: T. M. Reinbek 219.-223. Tsd. 1997.
Prater, D. A.: T. M. - Deutscher u. Weltbürger. A. d. Engl. Neuausg. München 1998.
Kurzke, H.: T. M. Das Leben als Kunstwerk. München 1999.
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