Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
lateinische Sprache
lateinische Sprache(Latein), die zum italischen Zweig der indogerman. Sprachen gehörende Sprache des antiken Rom, die sich schon früh über Latium, dann über ganz Italien und weite Teile W-Europas und des Mittelmeergebietes im Röm. Reich ausbreitete. Sie war bis etwa ins 19. Jh. die geläufige abendländ. Gelehrtensprache und ist noch heute liturg. Sprache (Kirchenlatein). In ihrer geschriebenen Form ist die l. S. eine Standardsprache, da keine lokalen Dialekte auftreten.Geschichte: Die Sprache der ältesten Epoche (bis zur Mitte des 3. Jh. v. Chr.) ist nur in wenigen bruchstückhaften Zeugnissen erhalten; tiefgreifende (v. a. lautl.) Veränderungen zw. dem 5. und 2. Jh. v. Chr. (z. B. Monophthongierung von ei zu i, Rhotazismus von intervokal. s) sind in zahlreichen literar. Zeugnissen (Q. Ennius, T. M. Plautus, Terenz) der altlatein. Periode (bis etwa 100 v. Chr.) belegt. In dieser Zeit wurde der lat. Wortschatz durch Lehnwörter und -übersetzungen aus den Sprachen der unterworfenen Nachbarvölker stark erweitert und eine Schrift- und Dichtersprache ausgebildet. - Im 1. Jh. v. Chr. erreichte die Schriftsprache ihre verbindl. Normierung durch die Prosaschriftsteller der sog. goldenen Latinität, Cicero und Cäsar. - Kodifizierung der grammat. Regeln, klarer Periodenbau mit strengen syntakt. Regeln und Purismus im Wortschatz sind die Hauptmerkmale des Lateins der klass. Zeit. Der Wortakzent hob die vorletzte Silbe, wenn sie lang war, sonst die drittletzte hervor. Das aus indogerman. Zeit ererbte Verbalsystem wurde von Grund auf umgestaltet; es bezeichnete nicht mehr den Aspekt, sondern die Zeitverhältnisse, z. T. durch neu geschaffene Tempora wie etwa Plusquamperfekt. - In der Periode der silbernen Latinität (etwa 14-117 n. Chr.) machten sich Provinzialismen und Vulgarismen sowie auch Gräzismen und Archaismen bemerkbar. - Nach der archaisierenden Periode im 2. Jh. n. Chr. setzte der Verfall der klass. Standardsprache im 3. Jh. verstärkt ein (Spätzeit); der Einfluss der gesprochenen Volkssprache, vornehmlich bei christl. Autoren, wurde immer stärker. Neben der normierten Schriftsprache gab es von Anfang an das im alltägl. Gebrauch gesprochene Vulgärlatein, das sich ständig wandelte und zur Grundlage der roman. Sprachen wurde. Das gesprochene Latein entfernte sich in nachklass. Zeit immer stärker von der normierten Schriftsprache in Aussprache und Lautstand (z. B. ['tsitsero:] für ['kikero:] »Cicero«), im Wortschatz und in der Syntax. - Während des Altertums war die l. S. zugleich auch die über das ganze Röm. Reich verbreitete Amts- und Verwaltungssprache. - Das Mittellatein (ungefähr zw. 500 und 1500) überwand als Sprache der Geistlichkeit alle nat. Grenzen. Es war einerseits die am Vorbild der klass. Latinität entwickelte Literatursprache, andererseits nahm es Formen und Begriffe der german. und roman. Volkssprache auf. - Nach einer längeren Übergangsperiode (von der Mitte des 14. Jh. bis zum Anfang des 16. Jh.) wurde das mittelalterl. Latein vom sog. Neulatein verdrängt, für das allein die Sprache Ciceros vorbildhaft sein sollte. Die Gelehrten pflegten das Neulatein als internat. Verständigungsmittel, da v. a. in den Fachsprachen (Rechtswiss., Medizin, Philosophie, Theologie) eine bemerkenswerte lexikal. Kontinuität vorherrschte. Auch im akadem. Unterricht und in der Literatur behauptete sich noch bis ins 18. Jh. die l. S. in Europa als (Wiss.-)Sprache.
Literatur:
Hofmann, J. B.: Lat. Umgangssprache. Heidelberg 41978.
Rubenbauer, H. u. Hofmann, J. B.: Lat. Grammatik. Bamberg u. a. 111989.
Eisenhut, W.: Die l. S. Zürich u. a. 81996.
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