Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
London
I London['lʌndən],
1) Hptst. des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, im S Englands, mit 7,007 Mio. Ew. und 1 580 km2 eine der größten Städte der Erde. Seit der 1965 erfolgten Neugliederung und Erweiterung durch Eingemeindungen besteht L. aus der nur 2,7 km2 großen City of L., dem alten Stadtkern, und 32 L. Boroughs, den Stadtbezirken. Das heutige Stadtgebiet wurde gebildet aus der 1888-1965 bestehenden County L., die die City of L. und 28 Metropolitan Boroughs umfasste, aus fast dem gesamten Gebiet der 1965 aufgelösten County Middlesex sowie aus Teilen der angrenzenden Counties Surrey, Kent, Essex und Hertfordshire. L. liegt im Londoner Becken auf beiden Ufern der Themse, 75 km oberhalb ihrer Mündung.
L. ist königl. Residenz, Sitz der Regierung, des Parlaments sowie der zentralen Gerichtshöfe und Behörden, des anglikan. Erzbischofs von Canterbury, des anglikan. Bischofs von L. und eines kath. Erzbischofs. In L. befinden sich Synagogen und jüd. Kulturzentren, ein islam. und ein buddhist. Kulturzentrum. Älteste Univ. ist die University of L. (1836 gegr.); die City University und die Brunel University gingen 1966 aus Colleges of advanced technology hervor. Univ.status haben die L. Business School, die elf Kunsthochschulen (u. a. Royal College of Art) und die zehn Hochschulen für Musik und Theater; ferner gibt es acht TH (Polytechnics), die private Polnische Univ. (gegr. 1949) und die Schiller International University (gegr. 1964). L. ist Sitz mehrerer wiss. und künstler. Gesellschaften, wie British Academy, Royal Society, Royal Geographical Society. Nationalbibliothek ist die British Library. Zu den vielen Museen gehören Brit. Museum, Commonwealth Institute, Imperial War Museum, National Maritime Museum, National Portrait Gallery, Natural History Museum, Science Museum, Tate Gallery, Victoria and Albert Museum, Institute of Contemporary Arts, L. Museum, Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud, Wallace Collection, das 1988 eröffnete Filmmuseum und das 1989 eröffnete Design Museum (für Ind.design des 20. Jh.). Neben den beiden Opernhäusern (königl. Covent Garden Opera, English National Opera), dem National Theatre, dem Old Vic Theatre und dem 1997 nach zehnjähriger Bauzeit wieder eröffneten Globe Theatre (1599-1644) gibt es viele weitere Theater. Mit dem »Millenium Dome« in Greenwich (Architekt: Sir R. Rogers) entsteht derzeit eine überkuppelte Multifunktionshalle der Superlative (Eröffnung am 31. 12. 1999 geplant). Der botan. Garten (Kew Gardens) und der zoolog. Garten (im Regent's Park) sind bed. Forschungsstätten.Wirtschaft und Verkehr: L. ist Finanz-, Handels-, Verw.- und polit. Zentrum Großbritanniens sowie eine bed. Ind.stadt. Der Dienstleistungsbereich ist der wichtigste Wirtschaftssektor. L. ist eine bed. Finanzmetropole (524 ausländ. Banken, Börse) und Sitz vieler Versicherungen. Räuml. Mittelpunkt des Banken-, Versicherungs- und Börsenwesens ist die City of L., die Square Mile (mit 2,7 km2 Fläche). In der westlich benachbarten City of Westminster, dem »Westend«, konzentrieren sich neben den Reg.funktionen mit dem Parlament v. a. Zentralverwaltungen nat. und internat. Konzerne sowie Büros der Werbe-, Film- und Fernsehbranche. L. ist außerdem eine wichtige Kongressstadt. - Einige Ind.zweige haben ihre traditionellen Standorte beibehalten, z. B. die Diamantenschleifereien (Hatton Gardens), während die feinmechan., die Druck- und Elektroind. in neue Ind.zonen am Stadtrand abwanderten. Zwischen den Weltkriegen entstand flussabwärts Zement-, Papier- und Autoindustrie. Im Zusammenhang mit der Verbesserung der Verkehrserschließung siedelte sich v. a. im N, z. B. Royal Park und um Wembley vorwiegend moderne Ind. an: Spezialmaschinenbau, Fahrzeug-, Flugzeug- und Instrumentenbau, elektrotechn. und elektron. sowie chem. und pharmazeut. Industrie. Ein petrochem. Ind.komplex entstand nach dem Zweiten Weltkrieg an der Themsemündung.
Der innerstädt. Verkehr wird durch U-Bahn (1890 Bau der ersten Linie, 1995 Streckenlänge 392 km, davon 167 im Untergrund, mit 245 Stationen), Omnibusse und Taxis bewältigt. Dem Eisenbahnverkehr stehen acht große Fernbahnhöfe zur Verfügung, die durch eine Buslinie miteinander verbunden sind. Der Londoner Hafen hat in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung verloren. Die aus dem 19. Jh. stammenden großen Dockanlagen östlich der Tower Bridge wurden zw. 1967 und 1981 geschlossen und bilden das größte Sanierungsgebiet der Stadt. Der Hafen entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten themseabwärts über die Stadtgrenze hinaus (Bau des Containerhafens von Tilbury und den Erdölhäfen Shellhaven, Thames Haven, Canvey Island und Coryton). Im Weltluftverkehr nimmt L. eine Spitzenstellung ein; internat. Flughäfen sind Heathrow, Gatwick, Stansted und der 1987 in den Docklands eröffnete City Airport.
Stadtbild: Vom röm. Londinium sind bisher nur Teile ausgegraben worden (u. a. Reste einer Basilika, des Forums, des Amphitheaters, eines Mitrasheiligtums). Unter Wilhelm dem Eroberer entstanden 1077-97 der Tower sowie 1097-99 Westminster Hall. Frühgot. Kirchen sind: Saint Bartholomew-the-Great (1123), Saint Etheldreda (12. und 13. Jh.), Temple Church (12. und 13. Jh.) und v. a. die Southwark Cathedral (1209 ff.). Ein vollständiger Neubau der frühgot. Westminster Abbey begann 1245. Der mittelalterl. Ausbau des Stadtbezirks Westminster zum Repräsentationsort der engl. Monarchie wurde 1394-1401 mit dem Neubau der Westminster Hall fortgesetzt. Nördlich der Abtei entstand 1480-1523 die Pfarrkirche Saint Margaret. 1411-40 wurde die spätgot. Guildhall (Rathaus) erbaut (heute restauriert und rekonstruiert). Im Bereich von Westminster entstand im 16. Jh. Saint James's Palace in klaren Frührenaissanceformen. Von dem gleichzeitig begonnenen Whitehall Palace blieb nur das 1619-22 von I. Jones errichtete Banqueting House erhalten. Mit der Ausweitung des Stadtgebiets nach W wurden entlang dem »Strand« die ersten Squares (Plätze, häufig mit Bäumen) angelegt. Der große Stadtbrand von 1666 hatte (bis 1700) eine weitgehende baul. Erneuerung der Altstadt zur Folge, wobei auch 51 Pfarrkirchen durch C. Wren errichtet wurden. Sein Hauptwerk ist die Saint Paul's Cathedral (1675-1711) mit 110 m hoher Tambourkuppel in palladian. Stil. Wren baute auch Saint James, Marlborough House sowie Hospitäler (u. a. Chelsea Hospital, 1682-89) und gestaltete Kensington Palace (1639-1702) und Hampton Court um. Wrens Schüler J. Gibbs schuf Saint Martin-in-the-Fields (1722-66). Nachdem bereits im späten 17. Jh. Soho mit seinem rechtwinkligen Straßennetz und dem Soho Square angelegt worden war, wurden im 18. Jh. auch die angrenzenden Ländereien in eine geregelte Stadtplanung einbezogen. Ein weiteres städt. Viertel entwickelte sich in Westminster. Ab 1773 entstanden in der nordwestl. Stadterweiterung der Portland Square von R. und J. Adam, während J. Nash (seit 1812) mit Park Crescent und Cumberland Terrace am Regent's Park sowie Carlton House Terrace am Saint James's Park eine Verflechtung klass. Stadtbaukunst mit den im engl. Landschaftsstil gestalteten öffentl. Parks erreichte. Im Stil des Greek Revival wurden die Kirche Saint Pancras (1818-20), das Brit. Museum und am Trafalgar Square (1828) mit der Nelsonsäule (Nelson Column, 1840-43) die National Gallery ausgeführt. Die Richtung des Gothic Revival (Neugotik) erhielt ihre erste Manifestation im Neubau des Parlamentsgebäudes (1837 ff., mit Big Ben) von C. Barry. Als Eisenskelettbau für die 1. Weltausstellung in L. entstand der Kristallpalast (1851, nicht erhalten). In South Kensington entstand südlich des 1863 von G. G. Scott errichteten Albert Memorial und der Albert Hall von 1867 ein größerer Gebäudekomplex mit dem Natural History Museum (1873-81), dem Imperial College (1887-93) und dem Victoria and Albert Museum (1899-1909). Weitere Bauten des 19. Jh.: Covent Garden Opera (1858), Law Courts (1868-82), Tower Bridge (1886-94), New Scotland Yard (1891), Westminster Cathedral (1895-1903 in neubyzant. Stil), Whitechapel Art Gallery (1897, Jugendstil). Die Expansion der Großstadt im späten 19. Jh. führte zur Eingliederung umliegender Gebietsteile in die County L. Anfang des 20. Jh. wurde der Piccadilly Circus gestaltet und die County Hall erbaut (1912 ff.). 1913 erhielt der Buckinghampalast (Umbau ab 1824; seit 1837 königl. Residenz) durch A. Webb eine neubarocke O-Fassade; auf dem Vorplatz (seit 1911) das Victoria Memorial. Weiter im W liegen Hyde Park und Kensington Gardens. - Nach 1945 erhielt die 1940-45 weitgehend zerstörte City durch den Bau von Büro- und Verwaltungsgebäuden ein neues Gepräge. Als Kulturzentrum entstand das 1982 eröffnete Barbican Centre. Im alten Hafengebiet östlich der Tower Bridge entwickelte sich in den ehem. Docklands seit 1981 ein neuer Stadtteil mit Bürogebäuden, Luxuswohnungen und Freizeiteinrichtungen. - Zum UNESCO-Weltkulturerbe wurden Tower, Westminster Abbey, Westminster Hall und Saint Margaret erklärt.
Geschichte: An der Stelle einer kelt. Siedlung entstand im 1. Jh. n. Chr. das röm. Londinium; um 60/61 zerstört durch die Briten unter Führung der Königin Boudicca; entwickelte sich nach Wiederaufbau und Errichtung einer Stadtmauer zum Verwaltungs- und Handelszentrum der röm. Provinz Britannia superior; seit Diokletian (284-305) Hptst. einer der vier spätrömischen brit. Provinzen; wurde unter den Angelsachsen im 7. Jh. Hptst. der Könige von Essex und Bischofssitz (604). Im 9. Jh. mehrmals von Dänen eingenommen, von Alfred d. Gr. zurückerobert und befestigt. 1066 ließ sich der normann. Herzog Wilhelm der Eroberer als erster König in Westminster Abbey krönen und bestätigte die alten Rechte der Stadt. Unter Heinrich I. (1100-35) löste L. endgültig Winchester als Hptst. Englands ab; seit Ende des 12. Jh. freie Stadt mit Selbstverwaltung (1192 Amtsantritt des ersten Bürgermeisters [Mayor]). Sitz des engl. Königs (bis Heinrich VIII.) und später des Parlaments wurde das benachbarte Westminster, das erst allmählich mit L. zusammenwuchs. Der bereits im MA. begonnene wirtsch. Aufschwung (u. a. seit 1157 Niederlassung der Hanse; Stalhof) verstärkte sich im 16. Jh. (Gründung von Handelskompanien). 1664/65 forderte die Pest in L. ca. 75 000 Tote, 1666 vernichtete ein Großfeuer etwa vier Fünftel der City. Die Stadtbev. wuchs rasch (1666: 0,5 Mio., 1821: 1,2 Mio., 1901: 6,6 Mio. Ew.). Als Zentrum des brit. Empires wurde L. Mittelpunkt des Welthandels. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile der Stadt (35 % der City) durch dt. Luftangriffe zerstört.
Literatur:
Nowel, I.: L. Biographie einer Weltstadt. Architektur u. Kunst, Geschichte u. Literatur. Köln 1995.
2) Stadt in S-Ontario, Kanada, 303 200 Ew.; Univ.; Eisen-, Stahl- (Diesellokomotiven), chem., elektrotechn., Textil-, Lebensmittelindustrie.
II London
['lʌndən], Jack, eigtl. John Griffith L., amerikan. Schriftsteller, * San Francisco 12. 1. 1876, ✝ (Selbstmord) Glen Ellen (Calif.) 22. 11. 1916; führte ein abenteuerl. Leben als Fabrikarbeiter, Matrose und Goldsucher in Alaska. L.s Werk und Weltanschauung pendeln zw. extremem Individualismus (beeinflusst von C. Darwin und F. Nietzsche), sozialist. Idealen und zivilisationsfeindl. Ansichten; schrieb naturalist. romant. Romane, Goldgräber- und Südseegeschichten sowie hervorragende Tiergeschichten: »Der Sohn des Wolfs« (R., 1900), »Der Ruf der Wildnis« (R., 1903), »Der Seewolf« (R., 1904), »Lockruf des Goldes« (R., 1910); der Roman »König Alkohol« (1913) zeichnet Bilder seiner eigenen Entwicklung nach.
Literatur:
Stone, I.: Zur See u. im Sattel. J. L. - ein Leben wie ein Roman. A. d. Amerikan. Berlin 1990.
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