Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Lettland
Lẹttland⃟ Fläche: 64 589 km2
Einwohner: (1997) 2,479 Mio.
Hauptstadt: Riga
Verwaltungsgliederung: 4 Regionen und die Hauptstadt
Amtssprache: Lettisch
Nationalfeiertag: 18. 11.
Währung: 1 Lats (Ls) = 100 Santims (s)
Zeitzone: OEZ
(lett. Latvija, amtlich Latvijas Republika), Staat in NO-Europa, grenzt im W an die Ostsee, im N an die Rigaer Bucht und an Estland, im O an Russland, im SO an Weißrussland und im S an Litauen.
Staat und Recht: L. ist eine parlamentar. Republik mit Mehrparteiensystem. Seit 6. 7. 1993 gilt die Vorkriegsverf. von 1922 (mit Änderungen von 1997). Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf vier Jahre gewählte Präs. Die Legislative liegt beim Saeima (100 Abg., für vier Jahre gewählt), die Exekutive bei der Reg. unter Vorsitz des MinPräs. Einflussreichste Parteien und Vereinigungen: Volkspartei (TP), Lett. Weg (LC), Vaterland und Freiheit (LNNK), Eintracht für L. (TSP), Sozialdemokrat. Union L. (LSDA) und Neue Partei (JP).
Landesnatur: L. liegt im NW der glazial überformten osteurop. Ebene. Neben Grundmoränen bestimmen Endmoränenzüge mit kuppigen Höhen und zahlr. eingelagerten Seen (Lubānas-, Rēznassee) die Oberfläche. Im W zergliedern auf der Halbinsel Kurland breite Schmelzwassertäler die Kurländ. Höhen (bis 184 m ü. M.). Östlich der zentrallett. und Semgaller Ebene, die an der unteren Düna, Kurländ. Aa und an der tief in das Land eingreifenden, flachen Rigaer Bucht liegen, erreichen die Livländ. Höhen 312 m, im SO die Lettgall. Höhen 289 m ü. M. Entlang der wenig gegliederten Ostseeküste erstreckt sich eine 10-40 km breite Küstenebene. L. verfügt über ein dichtes Flussnetz. Wichtigster Fluss des Landes ist die im Unterlauf schiffbare Düna. Das Klima ist ozeanisch geprägt und hat relativ milde Winter und kühle Sommer. Die mittleren Jahresniederschläge liegen an der Küste und in den Niederungen zw. 550 und 600 mm, in den Höhenlagen bei 700 bis 800 mm. Knapp 40 % der Fläche sind bewaldet. Die größten Waldgebiete (Kiefern und Fichten) finden sich auf der Halbinsel Kurland. In den Niederungen sind Laubwälder (bes. Birken und Erlen) verbreitet. Die einst vermoorten Wiesen (auf 17 % der Fläche) wurden durch Melioration größtenteils in weidewirtsch. genutztes Grünland verwandelt; rund 5 % sind Moor- und Sumpfland.
Bevölkerung: Der Anteil der Letten erreichte 1996 55,1 %, der der Russen 32,6 %, der Weißrussen 4,0 %, der Ukrainer 2,9 %, der Polen 2,2 % und der Litauer 1,3 %. Nur in vier der zehn größten Städte des Landes stellen Letten die Mehrheit. Von den Bewohnern leben 73 % in Städten. Etwa 55 % der Bev. sind Mitglieder luther. Kirchen, 24 % sind kath., 9 % russ.-orth. L. hat eine Univ. (gegr. 1919) und eine TH in Riga sowie fünf diesen gleichgestellte Akademien und Hochschulen sowie eine Reihe weiterer Hochschuleinrichtungen.
Wirtschaft, Verkehr: L. befindet sich in der Übergangsphase von der sozialist. Plan- zur freien Marktwirtschaft, deren Aufbau durch die überkommene Verflechtung mit der russ. Ind. und durch die Abhängigkeit von russ. Brennstofflieferungen erschwert wird. Der staatl. Einfluss in der Wirtschaft ist noch groß. Wirtschaftsreformen ebneten den Weg für die Privatisierung und Reprivatisierung (bisher v. a. in der Landwirtschaft verwirklicht). Im Vordergrund der Landwirtschaft steht die Rinder- und Schweinehaltung; Anbauprodukte sind Futterpflanzen, Getreide, Kartoffeln, Flachs, Gemüse und Zuckerrüben. Unter den balt. Ländern besitzt L. das größte forstwirtsch. Potenzial. Holz und Holzprodukte sind die größten Deviseneinnahmequellen des Landes. Bedeutung hat auch die Hochseefischerei. Außer Torf (wichtiger Brennstoff für private Haushalte), Kalkstein, Ton und Sanden besitzt L. keine Bodenschätze. Der Entwicklungsstand der verarbeitenden Ind. ist relativ hoch. Wichtigste Ind.zweige sind der Landmaschinen-, Diesel- und Elektromotoren-, Elektrogeräte- (Rundfunk-, Fernsehempfänger, Telefonanlagen) und Fahrzeugbau (Kleinbusse, Mopeds, Waggons), ferner die chemisch-pharmazeut., Möbel-, Papier-, Nahrungsmittel- (Verarbeitung von Fisch, Fleisch, Milch), Leder- und die traditionsreiche Textilind. (Baumwoll- und Leinenverarbeitung). Die wichtigsten Ind.zentren sind Riga, Daugavpils (Dünaburg) und Liepāva (Libau). Der Fremdenverkehr (Seebäder und Kurorte) wird verstärkt entwickelt. Die wichtigsten Handelspartner sind Russland, Dtl., Finnland, Schweden, Litauen und Estland. - Das Verkehrsnetz ist relativ gut ausgebaut. Das Straßennetz umfasst (1995) etwa 60 000 km, davon 20 000 km mit fester Decke, das Eisenbahnnetz (1996) 2 413 km, das schiffbare Flussnetz 347 km (bes. die Unterläufe von Düna und Kurländ. Aa). Wichtigster Hochseehafen ist Ventspils (fast drei Viertel des lett. Hafenumschlags), in dem bes. russ. Erdöl sowie Getreide und Stückgut umgeschlagen werden, gefolgt von Riga und Liepāva. Internat. Flughäfen gibt es bei Riga und Jelgava.
Geschichte: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges hatten die Letten kein eigenes nat. Staatswesen; ihre Siedlungsgebiete waren im MA. Teil Livlands. 1180 begann die Missionierung der lett. Stämme. Die Lettgallen, Liven, Selen, Kuren und Semgaller wurden im 13. Jh. vom Schwertbrüderorden bzw. (ab 1237) vom Dt. Orden unterworfen. Im Erzbistum Riga, im Bistum Kurland und im Gebiet des Dt. Ordens herrschte eine dt. Ober- und Bürgerschicht (Deutschbalten) über eine einheim. Bauernbevölkerung. Nach dem Zerfall des Ordensstaates fiel Livland 1561 an Polen, 1629 an Schweden; Kurland wurde 1561 unter dem letzten Ordensmeister Gotthard Kettler ein Herzogtum unter poln. Lehnshoheit. Seit dem 18. Jh. gehörte das gesamte lett. Territorium (seit 1772 auch Lettgallen) zum russ. Kaiserreich. Im 19. Jh. entstand eine lett. Nationalbewegung. Eine aus Emigranten gebildete lett. Sowjetreg. proklamierte im Dez. 1918 ein unabhängiges L. und ließ große Teile des Landes durch bolschewist. Truppen (lett. Schützendivisionen) besetzen. Der von den Deutschen unterstützten Nationalreg., die bereits am 18. 11. 1918 eine »Rep. L.« ausgerufen hatte (MinPräs. Karlis Ulmanis), gelang es erst 1919 mithilfe dt. und baltendt. Freiwilligenverbände, die Kontrolle über den größeren Teil L.s zu gewinnen. Die erneute Unabhängigkeitserklärung vom Mai 1920 wurde von der Sowjetreg. im Rigaer Abkommen vom Aug. 1920 akzeptiert. Die Grenzen wurden nach der Sprachgrenze festgesetzt; L. umfasste Kurland, das südl. Livland und Lettgallen. Der dt.-balt. Großgrundbesitz (1 300 Rittergüter) wurde 1920 enteignet. Das über eine tolerante Minderheitengesetzgebung verfügende kleine Staatswesen erlebte eine kulturelle und wirtsch. Blüte, die auch durch den Staatsstreich im Mai 1934 und das anschließende autoritäre Regime unter Ulmanis nicht unterbrochen wurde. Im Dt.-Sowjet. Nichtangriffspakt vom 23. 8. 1939 wurde L. dem Einflussbereich der Sowjetunion überlassen, die im Okt. 1939 von L. den Abschluss eines Beistandspaktes erzwang und dieses am 5. 8. 1940 als Lett. SSR ihrem Territorium einverleibte. Nach 1945 wurden etwa 100 000 Letten nach Mittelasien und Sibirien deportiert, dieselbe Zahl von Nichtletten in L. angesiedelt.Im Zuge der sowjet. Reformpolitik seit 1985 bildete sich 1988 eine Volksfront für die Unabhängigkeit L.s von der UdSSR. Nach deren Wahlsieg im März 1990 proklamierte das lett. Parlament am 4. 5. 1990 die Wiederherstellung der souveränen Rep. L.; A. Gorbunow wurde als Parlamentspräs. (Vors. des Obersten Rates) im Amt bestätigt (seit 1988); MinPräs. wurde 1990 I. Godmanis. Gemeinsam mit Litauen und Estland belebte L. im Mai 1990 den Baltischen Rat wieder. Die angestrebte Loslösung von der UdSSR führte zum Konflikt mit der Unionsreg. (u. a. blutiger Militäreinsatz in Riga im Jan. 1991). Am 3. 3. 1991 erbrachte eine Volksbefragung eine eindeutige Mehrheit für eine »demokrat. und unabhängige« Rep. L. Nachdem im Zusammenhang mit dem Staatsstreich gegen Unionspräs. M. Gorbatschow im August sowjet. Truppen in die Hptst. Riga einmarschiert waren, setzte L. am 21. 8. seine bereits im Mai 1990 verkündete Unabhängigkeitserklärung in Kraft (am 17. 9. 1991 Aufnahme in die UN). Im Okt. 1991 wurde ein neues Einbürgerungsgesetz wirksam (mit Beschränkungen für die nach 1940 zugewanderten Russen). Außenpolitisch erstrebt L. v. a. eine stärkere wirtsch. Anbindung an W-Europa und die Zurückdrängung des Einflusses von Russland (u. a. Verhandlungen über einen raschen Truppenabzug). Die Parlamentswahlen im Juni 1993 gewann das nationalkonservativ-reformkommunist. Bündnis Lett. Weg; MinPräs. wurde im Juli 1993 V. Birkavs, im Dez. 1995 A. Škele, im Aug. 1997 G. Krasts; Staatspräs. ist seit 1993 G. Ulmanis (Lett. Bauernunion). In den Parlamentswahlen 1998 wurde die Volkspartei des ehem. MinPräs. A. Shkele stärkste Partei.
▣ Literatur:
Rauch, G. von: Geschichte der balt. Staaten. München 31990.
⃟ Die balt. Nationen. Estland, L., Litauen, hg. v. B. Meissner. Köln 21991.
⃟ Ludwig, K.: Das Baltikum. Estland, L., Litauen. München 31992.
⃟ Balt. Länder, hg. v. G. von Pistohlkohrs. Berlin 1994.
⃟ Schlau, W.: Die Deutsch-Balten. München 1995.
⃟ Stopinski, S.: Das Baltikum im Patt der Mächte. Zur Entstehung Estlands, L. u. Litauens im Gefolge des Ersten Weltkriegs. Berlin 1997.
Einwohner: (1997) 2,479 Mio.
Hauptstadt: Riga
Verwaltungsgliederung: 4 Regionen und die Hauptstadt
Amtssprache: Lettisch
Nationalfeiertag: 18. 11.
Währung: 1 Lats (Ls) = 100 Santims (s)
Zeitzone: OEZ
(lett. Latvija, amtlich Latvijas Republika), Staat in NO-Europa, grenzt im W an die Ostsee, im N an die Rigaer Bucht und an Estland, im O an Russland, im SO an Weißrussland und im S an Litauen.
Staat und Recht: L. ist eine parlamentar. Republik mit Mehrparteiensystem. Seit 6. 7. 1993 gilt die Vorkriegsverf. von 1922 (mit Änderungen von 1997). Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf vier Jahre gewählte Präs. Die Legislative liegt beim Saeima (100 Abg., für vier Jahre gewählt), die Exekutive bei der Reg. unter Vorsitz des MinPräs. Einflussreichste Parteien und Vereinigungen: Volkspartei (TP), Lett. Weg (LC), Vaterland und Freiheit (LNNK), Eintracht für L. (TSP), Sozialdemokrat. Union L. (LSDA) und Neue Partei (JP).
Landesnatur: L. liegt im NW der glazial überformten osteurop. Ebene. Neben Grundmoränen bestimmen Endmoränenzüge mit kuppigen Höhen und zahlr. eingelagerten Seen (Lubānas-, Rēznassee) die Oberfläche. Im W zergliedern auf der Halbinsel Kurland breite Schmelzwassertäler die Kurländ. Höhen (bis 184 m ü. M.). Östlich der zentrallett. und Semgaller Ebene, die an der unteren Düna, Kurländ. Aa und an der tief in das Land eingreifenden, flachen Rigaer Bucht liegen, erreichen die Livländ. Höhen 312 m, im SO die Lettgall. Höhen 289 m ü. M. Entlang der wenig gegliederten Ostseeküste erstreckt sich eine 10-40 km breite Küstenebene. L. verfügt über ein dichtes Flussnetz. Wichtigster Fluss des Landes ist die im Unterlauf schiffbare Düna. Das Klima ist ozeanisch geprägt und hat relativ milde Winter und kühle Sommer. Die mittleren Jahresniederschläge liegen an der Küste und in den Niederungen zw. 550 und 600 mm, in den Höhenlagen bei 700 bis 800 mm. Knapp 40 % der Fläche sind bewaldet. Die größten Waldgebiete (Kiefern und Fichten) finden sich auf der Halbinsel Kurland. In den Niederungen sind Laubwälder (bes. Birken und Erlen) verbreitet. Die einst vermoorten Wiesen (auf 17 % der Fläche) wurden durch Melioration größtenteils in weidewirtsch. genutztes Grünland verwandelt; rund 5 % sind Moor- und Sumpfland.
Bevölkerung: Der Anteil der Letten erreichte 1996 55,1 %, der der Russen 32,6 %, der Weißrussen 4,0 %, der Ukrainer 2,9 %, der Polen 2,2 % und der Litauer 1,3 %. Nur in vier der zehn größten Städte des Landes stellen Letten die Mehrheit. Von den Bewohnern leben 73 % in Städten. Etwa 55 % der Bev. sind Mitglieder luther. Kirchen, 24 % sind kath., 9 % russ.-orth. L. hat eine Univ. (gegr. 1919) und eine TH in Riga sowie fünf diesen gleichgestellte Akademien und Hochschulen sowie eine Reihe weiterer Hochschuleinrichtungen.
Wirtschaft, Verkehr: L. befindet sich in der Übergangsphase von der sozialist. Plan- zur freien Marktwirtschaft, deren Aufbau durch die überkommene Verflechtung mit der russ. Ind. und durch die Abhängigkeit von russ. Brennstofflieferungen erschwert wird. Der staatl. Einfluss in der Wirtschaft ist noch groß. Wirtschaftsreformen ebneten den Weg für die Privatisierung und Reprivatisierung (bisher v. a. in der Landwirtschaft verwirklicht). Im Vordergrund der Landwirtschaft steht die Rinder- und Schweinehaltung; Anbauprodukte sind Futterpflanzen, Getreide, Kartoffeln, Flachs, Gemüse und Zuckerrüben. Unter den balt. Ländern besitzt L. das größte forstwirtsch. Potenzial. Holz und Holzprodukte sind die größten Deviseneinnahmequellen des Landes. Bedeutung hat auch die Hochseefischerei. Außer Torf (wichtiger Brennstoff für private Haushalte), Kalkstein, Ton und Sanden besitzt L. keine Bodenschätze. Der Entwicklungsstand der verarbeitenden Ind. ist relativ hoch. Wichtigste Ind.zweige sind der Landmaschinen-, Diesel- und Elektromotoren-, Elektrogeräte- (Rundfunk-, Fernsehempfänger, Telefonanlagen) und Fahrzeugbau (Kleinbusse, Mopeds, Waggons), ferner die chemisch-pharmazeut., Möbel-, Papier-, Nahrungsmittel- (Verarbeitung von Fisch, Fleisch, Milch), Leder- und die traditionsreiche Textilind. (Baumwoll- und Leinenverarbeitung). Die wichtigsten Ind.zentren sind Riga, Daugavpils (Dünaburg) und Liepāva (Libau). Der Fremdenverkehr (Seebäder und Kurorte) wird verstärkt entwickelt. Die wichtigsten Handelspartner sind Russland, Dtl., Finnland, Schweden, Litauen und Estland. - Das Verkehrsnetz ist relativ gut ausgebaut. Das Straßennetz umfasst (1995) etwa 60 000 km, davon 20 000 km mit fester Decke, das Eisenbahnnetz (1996) 2 413 km, das schiffbare Flussnetz 347 km (bes. die Unterläufe von Düna und Kurländ. Aa). Wichtigster Hochseehafen ist Ventspils (fast drei Viertel des lett. Hafenumschlags), in dem bes. russ. Erdöl sowie Getreide und Stückgut umgeschlagen werden, gefolgt von Riga und Liepāva. Internat. Flughäfen gibt es bei Riga und Jelgava.
Geschichte: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges hatten die Letten kein eigenes nat. Staatswesen; ihre Siedlungsgebiete waren im MA. Teil Livlands. 1180 begann die Missionierung der lett. Stämme. Die Lettgallen, Liven, Selen, Kuren und Semgaller wurden im 13. Jh. vom Schwertbrüderorden bzw. (ab 1237) vom Dt. Orden unterworfen. Im Erzbistum Riga, im Bistum Kurland und im Gebiet des Dt. Ordens herrschte eine dt. Ober- und Bürgerschicht (Deutschbalten) über eine einheim. Bauernbevölkerung. Nach dem Zerfall des Ordensstaates fiel Livland 1561 an Polen, 1629 an Schweden; Kurland wurde 1561 unter dem letzten Ordensmeister Gotthard Kettler ein Herzogtum unter poln. Lehnshoheit. Seit dem 18. Jh. gehörte das gesamte lett. Territorium (seit 1772 auch Lettgallen) zum russ. Kaiserreich. Im 19. Jh. entstand eine lett. Nationalbewegung. Eine aus Emigranten gebildete lett. Sowjetreg. proklamierte im Dez. 1918 ein unabhängiges L. und ließ große Teile des Landes durch bolschewist. Truppen (lett. Schützendivisionen) besetzen. Der von den Deutschen unterstützten Nationalreg., die bereits am 18. 11. 1918 eine »Rep. L.« ausgerufen hatte (MinPräs. Karlis Ulmanis), gelang es erst 1919 mithilfe dt. und baltendt. Freiwilligenverbände, die Kontrolle über den größeren Teil L.s zu gewinnen. Die erneute Unabhängigkeitserklärung vom Mai 1920 wurde von der Sowjetreg. im Rigaer Abkommen vom Aug. 1920 akzeptiert. Die Grenzen wurden nach der Sprachgrenze festgesetzt; L. umfasste Kurland, das südl. Livland und Lettgallen. Der dt.-balt. Großgrundbesitz (1 300 Rittergüter) wurde 1920 enteignet. Das über eine tolerante Minderheitengesetzgebung verfügende kleine Staatswesen erlebte eine kulturelle und wirtsch. Blüte, die auch durch den Staatsstreich im Mai 1934 und das anschließende autoritäre Regime unter Ulmanis nicht unterbrochen wurde. Im Dt.-Sowjet. Nichtangriffspakt vom 23. 8. 1939 wurde L. dem Einflussbereich der Sowjetunion überlassen, die im Okt. 1939 von L. den Abschluss eines Beistandspaktes erzwang und dieses am 5. 8. 1940 als Lett. SSR ihrem Territorium einverleibte. Nach 1945 wurden etwa 100 000 Letten nach Mittelasien und Sibirien deportiert, dieselbe Zahl von Nichtletten in L. angesiedelt.Im Zuge der sowjet. Reformpolitik seit 1985 bildete sich 1988 eine Volksfront für die Unabhängigkeit L.s von der UdSSR. Nach deren Wahlsieg im März 1990 proklamierte das lett. Parlament am 4. 5. 1990 die Wiederherstellung der souveränen Rep. L.; A. Gorbunow wurde als Parlamentspräs. (Vors. des Obersten Rates) im Amt bestätigt (seit 1988); MinPräs. wurde 1990 I. Godmanis. Gemeinsam mit Litauen und Estland belebte L. im Mai 1990 den Baltischen Rat wieder. Die angestrebte Loslösung von der UdSSR führte zum Konflikt mit der Unionsreg. (u. a. blutiger Militäreinsatz in Riga im Jan. 1991). Am 3. 3. 1991 erbrachte eine Volksbefragung eine eindeutige Mehrheit für eine »demokrat. und unabhängige« Rep. L. Nachdem im Zusammenhang mit dem Staatsstreich gegen Unionspräs. M. Gorbatschow im August sowjet. Truppen in die Hptst. Riga einmarschiert waren, setzte L. am 21. 8. seine bereits im Mai 1990 verkündete Unabhängigkeitserklärung in Kraft (am 17. 9. 1991 Aufnahme in die UN). Im Okt. 1991 wurde ein neues Einbürgerungsgesetz wirksam (mit Beschränkungen für die nach 1940 zugewanderten Russen). Außenpolitisch erstrebt L. v. a. eine stärkere wirtsch. Anbindung an W-Europa und die Zurückdrängung des Einflusses von Russland (u. a. Verhandlungen über einen raschen Truppenabzug). Die Parlamentswahlen im Juni 1993 gewann das nationalkonservativ-reformkommunist. Bündnis Lett. Weg; MinPräs. wurde im Juli 1993 V. Birkavs, im Dez. 1995 A. Škele, im Aug. 1997 G. Krasts; Staatspräs. ist seit 1993 G. Ulmanis (Lett. Bauernunion). In den Parlamentswahlen 1998 wurde die Volkspartei des ehem. MinPräs. A. Shkele stärkste Partei.
▣ Literatur:
Rauch, G. von: Geschichte der balt. Staaten. München 31990.
⃟ Die balt. Nationen. Estland, L., Litauen, hg. v. B. Meissner. Köln 21991.
⃟ Ludwig, K.: Das Baltikum. Estland, L., Litauen. München 31992.
⃟ Balt. Länder, hg. v. G. von Pistohlkohrs. Berlin 1994.
⃟ Schlau, W.: Die Deutsch-Balten. München 1995.
⃟ Stopinski, S.: Das Baltikum im Patt der Mächte. Zur Entstehung Estlands, L. u. Litauens im Gefolge des Ersten Weltkriegs. Berlin 1997.