Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Lessing
Lẹssing,1) Doris, engl. Schriftstellerin, * Kermanschah (Iran) 22. 10. 1919; aufgewachsen in Rhodesien, kam 1949 nach England; schrieb gesellschaftskrit. und psycholog. Romane, Kurzgeschichten, bes. über Probleme in Afrika: »Afrikan. Tragödie« (R., 1950), »Kinder der Gewalt« (R.-Zyklus, 5 Bde., 1952-69), »Das goldene Notizbuch« (R., 1962), »Die Liebesgeschichte der Jane Somers« (1984); weitere Arbeiten zeigen die mystisch-utop. Vision einer nicht mehr fragmentierten Welt, u. a. »Canopus im Argos. Archive« (5 Bde., 1979-83), »Das fünfte Kind« (R., 1988), »Rückkehr nach Afrika« (R., 1992), »Memoiren einer Überlebenden« (R., 1997).
2) Gotthold Ephraim, Schriftsteller und Kritiker, * Kamenz 22. 1. 1729, ✝ Braunschweig 15. 2. 1781, Großonkel von 3); Sohn eines Pastors, Schüler der Fürstenschule St. Afra in Meißen, danach Student in Leipzig (Medizin, Theologie, Philologie). L. erwarb sich ersten Ruhm mit anakreont. Liedern und durch im Stil der sächs. Typenkomödie verfasste Stücke (»Der junge Gelehrte«, Uraufführung 1748, Erstausgabe 1754, »Der Freygeist«, entstanden 1749, Erstausgabe 1755, »Die Juden«, Uraufführung 1749, Erstausgabe 1754). L. lebte seit 1748 mit Unterbrechungen in Berlin und arbeitete als Hg. und Mitarbeiter mehrerer Zeitschriften, u. a. als Kritiker für die spätere »Voss. Zeitung« (1748-55) und in der mit F. Nicolai und Moses Mendelssohn gegr. Ztschr. »Briefe die neueste Literatur betreffend« (1759-65). Mit der Tragödie »Miss Sara Sampson« (1755) begründete er das dt. bürgerliche Trauerspiel, angeregt durch S. Richardson und H. Fielding. In Berlin veröffentlichte er 1759 seine wegen der Abhandlungen zur Fabeltheorie bedeutsamen »Fabeln« und das Trauerspiel »Philotas«. 1760-65 war er Sekretär des preuß. Kommandanten von Breslau, B. F. von Tauentzien. 1767 ging er als Dramaturg an das neu gegr. »Dt. Nationaltheater« in Hamburg. Nach dem Zusammenbruch des Unternehmens (1768) wurde er 1770 Bibliothekar in Wolfenbüttel.L. gilt als herausragender Vertreter der Ideale und Aktivitäten der Aufklärung und wird als literar. Wegbereiter der Emanzipation eines sich konstituierenden Bürgertums verstanden. Seine Wirkung als Kritiker und Kunsttheoretiker war groß. Das Kunstwerk schien ihm nicht an die Erfüllung der verstandesmäßigen Formvorschriften der Franzosen (Einheit von Raum und Zeit im Schauspiel) gebunden. So befreite er, in origineller Interpretation der aristotel. Gattungslehre, die dt. Dichtung aus ihrer Abhängigkeit von frz. Mustern, rechtfertigte Shakespeares kühne, bis dahin weitgehend unverstandene Werke vor dem künstler. Gewissen der Zeit und wurde damit zum Wegbereiter der Klassik wie einer dt. Nationalliteratur überhaupt. Seine Theorien über Drama und Schauspielkunst (»Hamburg. Dramaturgie«, 1767-68) und über die bildende Kunst (»Laokoon oder Über die Grenzen der Mahlerey und Poesie«, 1766) haben die Entwicklung der dt. Literatur, bes. die Kunstauffassung und -ausübung der Klassik, ebenfalls entscheidend mitbestimmt. - Als Dichter sah L. die trag. Gegensätze zw. der Gewissensfreiheit des Einzelnen und seiner gleichzeitigen Entscheidungs- und Handlungsabhängigkeit aufgrund sozialer Verhältnisse (»Emilia Galotti«, vollendet 1772). Mit der »Minna von Barnhelm« (1767) schrieb L. eines der schönsten dt. Lustspiele: Es bezeichnet die Ablösung der Typenkomödie durch die Charakterkomödie. Sein dramat. Gedicht »Nathan der Weise« (1779), mit dem die Form der fünffüßigen Jamben (Blankvers) für das dt. Drama vorbildlich wurde, ist ein Zeugnis der Humanität und der Toleranz. In engem Zusammenhang mit dem hier formulierten Ideal stehen die letzten Prosaschriften »Ernst und Falk. Gespräche für Freymäurer« (2 Tle., 1778-80) und »Die Erziehung des Menschengeschlechts« (1780). - In theologisch-philosoph. Schriften (z. T. im Zusammenhang mit der Herausgabe der Fragmente von H. S. Reimarus und dem Streit mit J. M. Goeze [»Anti-Goeze«, 1778]) wandte sich L. sowohl gegen die dogmat. Orthodoxie wie auch gegen einen verengten Rationalismus: Voller Besitz der Wahrheit sei dem Menschen versagt; die Suche danach sei seine Aufgabe; das Gute solle um seiner selbst willen, nicht mit Rücksicht auf Belohnung oder Strafen, getan werden. - L.s klarer, durch Ironie und Witz wirksamer Sprachstil wurde beispielhaft für die dt. Prosa, bes. für die Essayistik.
Literatur:
J. Bark. G. E. L. Leben u. Werk, hg. v. Stuttgart 1986.
Drews, W.: G. E. L. Reinbek 120.-121. Tsd. 1997.
Kuschel, K.-J.: Vom Streit zum Wettstreit der Religionen. L. u. die Herausforderung des Islam. Düsseldorf 1998.
L. Epoche - Werk - Wirkung, Beiträge v. W. Barner u. a. München 61998.
3) Karl Friedrich, Maler, * Breslau 15. 2. 1808, ✝ Karlsruhe 5. 6. 1880, Großneffe von 2); einflussreicher Vertreter der Düsseldorfer Schule, der in Historienbildern zeitgenöss. polit. Ideen und Tendenzen Ausdruck verlieh; daneben stimmungsvolle Landschaften.
4) Theodor, Publizist und Kulturphilosoph, * Hannover 8. 2. 1872, ✝ (ermordet) Marienbad 31. 8. 1933; stammte aus einer liberalen jüd. Familie, 1922-25 Prof. in Hannover, Vertreter der antirationalist. Kultur- und Gesellschaftskritik und einer skept. Geschichtsdeutung. Publizistisch vertrat er einen pragmat. Sozialismus (u. a. Gleichberechtigung der Frau, Völkerverständigung). - Werke: Europa und Asien (1918); Gesch. als Sinngebung des Sinnlosen (1919); Die verfluchte Kultur (1921).
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