Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Leibeigenschaft
Leib|eigenschaft,eine von der Sklaverei grundsätzlich zu unterscheidende bäuerl. Unfreiheit, die persönl. Abhängigkeit vom Leibherrn (mit Abgabe- und Dienstpflicht bei relativer Eigentumsfähigkeit); bestand vom MA. bis zur Bauernbefreiung. Bereits in der ersten Entwicklungsphase der L. (9. Jh. bis Ende des 12. Jh.) flossen Leib- und Grundherrschaft zusammen, wobei die von den Hörigen (Grundholden) - die an den Boden gebunden waren bzw. sich als Freie in den Schutz des Grundherren begeben hatten - unterschiedenen Leibeigenen den Hörigen in ihrer sozialen Stellung teils sehr nahe kamen. Sozialer Aufstieg war möglich durch Freilassung, im dt. Bereich durch den persönl. Sonderdienst (Ministerialen). Die zweite Entwicklungsphase (13.-15. Jh.) war zunächst durch eine Lockerung der L. gekennzeichnet, bedingt v. a. durch die Auflösung der Fronhofsverfassung. Im dt. SW hingegen vollzog sich, um den Rückgang der grundherrl. Einnahmen auszugleichen, eine Neubildung von L., die zur histor. Bez. L. im 14. Jh. führte. Demgegenüber entstand seit dem 15. Jh. durch Beseitigung der Sonderrechte aus der dt. Ostsiedlung im ostelb. Dtl., in Böhmen, Polen und Ungarn auf der Basis der Gutsherrschaft die aus bäuerl. Schollengebundenheit entwickelte Erbuntertänigkeit, die im Extremfall bis in die Nähe sklav. Knechtschaft führen konnte. Sie wurde bereits in der polit. Aufklärung als eigentl. Real-L. interpretiert. - Die russ. L., seit der 2. Hälfte des 16. Jh. im Zuge der Ausbildung des Dienstadels entstanden, war erbl. Verfügungsrecht eines (meist adligen) Herrn bzw. des Staates oder der Kirche, uneingeschränkt gegenüber dem Gut, eingeschränkt (d. h. ohne Tötungsrecht) gegenüber dem Leibeigenen.
Literatur:
Rabe, H.: Das Problem L. Wiesbaden 1977.
Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. W. Rösener. Göttingen 1989.
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