Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Lehnswesen
Lehnswesen,die auf dem Lehnverhältnis beruhende Rechts- und Gesellschaftsordnung, das Grundelement des Feudalismus in West- und Mitteleuropa. Das Lehen oder Lehn (Feudum) war ein geliehenes Gut, dessen Empfang zu ritterl. Kriegsdienst und Treue verpflichtete; es unterschied sich einerseits vom Allod, andererseits vom bäuerl. und städt. Leihegut. - Das L. des dt. MA. ging aus der seit dem 8. Jh. im Frankenreich vollzogenen Verschmelzung der personenrechtl. Vasallität und des sachenrechtl. Benefizialwesens hervor. Die Vasallität war das Treudienstverhältnis, das den Lehnsmann (Vasall) durch Lehnseid verpflichtete, dem Schutz und Unterhalt gebenden Lehnsherrn (Senior) gegen Unterhalt Dienst und Gehorsam zu leisten. Die Treuepflicht galt für beide. Das Benefizium (später auch Feudum gen.) war die Form der dingl. Landleihe. In spätfränk. Zeit wurde es üblich, den Vasallen anstelle des Unterhalts Grundstücksnutzungen zu gewähren. Das Lehnsverhältnis wurde begründet durch förml. Belehnung (Investitur) vor dem Lehnshof (Gesamtheit der übrigen Vasallen). Entsprechend der bei der Belehnungszeremonie vergebenen leiherechtl. Symbole hießen die Lehen der weltl. Fürsten Fahnlehen, die der geistl. Zepterlehen. Beim Tod des Lehnsmannes (Mannfall) oder des Lehnsherrn (Herrenfall) musste um Lehnserneuerung (Mutung) nachgesucht werden. Mit dem Erblichwerden der Lehen entstand ein Anspruch auf Belehnung. Über Lehnsstreitigkeiten zw. Lehnsherren und Lehnsleuten sowie der Vasallen untereinander entschied das Lehnsgericht (Sondergericht des Lehnsherrn); ein vor diesem erwiesener Treuebruch des Lehnsmannes führte zum Entzug des Lehens. Die Karolinger zogen die großen Grundbesitzer mit ihren Gefolgsleuten für den Dienst im Reiterheer heran; so trat neben das altgerman. Volksheer ein berittenes Berufskriegerheer, das schließlich den allg. Heerbann völlig verdrängte. Von der Heeresverf. griff das L. auf die ganze Staatsverf. über. Die Heerschildordnung (Heerschild) entwickelte sich zum Rangsystem der lehnsrechtlich gegliederten Adelsgesellschaft. In der Lehnspyramide trennten die Kronvasallen (Lehnsfürsten) als Lehnsmänner des Königs/Kaisers diesen von den Aftervasallen (z. B. Ministeriale) und den Untertanen. Während des Hoch-MA. konnten die engl. und frz. Könige ihre direkte Herrschaft über die Untervasallen durchsetzen. Im Hl. Röm. Reich kam es hingegen zur Ausbildung von Landesherrschaften mit Verfügungsgewalt über alle Lehen im eigenen Machtbereich (Lehnshoheit). Im ausgehenden MA. verlor das L. seine Bedeutung als Grundlage der Heeresverf. durch das Aufkommen der Söldnerheere und der Feuerwaffen. Auch aus den Ämtern wurden die Lehnsleute verdrängt. Doch ist das Hl. Röm. Reich bis 1806 formell ein Lehnsstaat geblieben. Die Aufhebung der Lehen erfolgte in Dtl. zumeist im 19. Jh., z. T. erst nach 1918 durch Gesetze der Länder und des Dt. Reichs.
▣ Literatur:
Mitteis, H.: Der Staat des hohen Mittelalters. Weimar 111986.
⃟ Ganshof, F. L.: Was ist das L.? A. d. Frz. Darmstadt 71989.
Lehnswesen,die auf dem Lehnverhältnis beruhende Rechts- und Gesellschaftsordnung, das Grundelement des Feudalismus in West- und Mitteleuropa. Das Lehen oder Lehn (Feudum) war ein geliehenes Gut, dessen Empfang zu ritterl. Kriegsdienst und Treue verpflichtete; es unterschied sich einerseits vom Allod, andererseits vom bäuerl. und städt. Leihegut. - Das L. des dt. MA. ging aus der seit dem 8. Jh. im Frankenreich vollzogenen Verschmelzung der personenrechtl. Vasallität und des sachenrechtl. Benefizialwesens hervor. Die Vasallität war das Treudienstverhältnis, das den Lehnsmann (Vasall) durch Lehnseid verpflichtete, dem Schutz und Unterhalt gebenden Lehnsherrn (Senior) gegen Unterhalt Dienst und Gehorsam zu leisten. Die Treuepflicht galt für beide. Das Benefizium (später auch Feudum gen.) war die Form der dingl. Landleihe. In spätfränk. Zeit wurde es üblich, den Vasallen anstelle des Unterhalts Grundstücksnutzungen zu gewähren. Das Lehnsverhältnis wurde begründet durch förml. Belehnung (Investitur) vor dem Lehnshof (Gesamtheit der übrigen Vasallen). Entsprechend der bei der Belehnungszeremonie vergebenen leiherechtl. Symbole hießen die Lehen der weltl. Fürsten Fahnlehen, die der geistl. Zepterlehen. Beim Tod des Lehnsmannes (Mannfall) oder des Lehnsherrn (Herrenfall) musste um Lehnserneuerung (Mutung) nachgesucht werden. Mit dem Erblichwerden der Lehen entstand ein Anspruch auf Belehnung. Über Lehnsstreitigkeiten zw. Lehnsherren und Lehnsleuten sowie der Vasallen untereinander entschied das Lehnsgericht (Sondergericht des Lehnsherrn); ein vor diesem erwiesener Treuebruch des Lehnsmannes führte zum Entzug des Lehens. Die Karolinger zogen die großen Grundbesitzer mit ihren Gefolgsleuten für den Dienst im Reiterheer heran; so trat neben das altgerman. Volksheer ein berittenes Berufskriegerheer, das schließlich den allg. Heerbann völlig verdrängte. Von der Heeresverf. griff das L. auf die ganze Staatsverf. über. Die Heerschildordnung (Heerschild) entwickelte sich zum Rangsystem der lehnsrechtlich gegliederten Adelsgesellschaft. In der Lehnspyramide trennten die Kronvasallen (Lehnsfürsten) als Lehnsmänner des Königs/Kaisers diesen von den Aftervasallen (z. B. Ministeriale) und den Untertanen. Während des Hoch-MA. konnten die engl. und frz. Könige ihre direkte Herrschaft über die Untervasallen durchsetzen. Im Hl. Röm. Reich kam es hingegen zur Ausbildung von Landesherrschaften mit Verfügungsgewalt über alle Lehen im eigenen Machtbereich (Lehnshoheit). Im ausgehenden MA. verlor das L. seine Bedeutung als Grundlage der Heeresverf. durch das Aufkommen der Söldnerheere und der Feuerwaffen. Auch aus den Ämtern wurden die Lehnsleute verdrängt. Doch ist das Hl. Röm. Reich bis 1806 formell ein Lehnsstaat geblieben. Die Aufhebung der Lehen erfolgte in Dtl. zumeist im 19. Jh., z. T. erst nach 1918 durch Gesetze der Länder und des Dt. Reichs.
▣ Literatur:
Mitteis, H.: Der Staat des hohen Mittelalters. Weimar 111986.
⃟ Ganshof, F. L.: Was ist das L.? A. d. Frz. Darmstadt 71989.