Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Legende
Legẹnde[lat. legenda, »das zu Lesende«] die,
1) allg.: unverbürgte Erzählung; Bildunterschrift, Erläuterung zu Abbildungen, Zeichnungen; Zeichenerklärungen auf Landkarten u. a.; Text der Inschrift auf Münzen und Siegeln.
2) Kartographie: (Zeichenerklärung) im Rand einer Karte zusammengestellte Erläuterung der verwendeten Kartenzeichen (Signaturen), Farben und Abkürzungen; bei themat. Karten oft zusätzlich nähere Angaben zum dargestellten Thema.
3) Literatur: Darstellung der Lebensgeschichte eines Heiligen oder Märtyrers oder exemplar. Geschehnisse daraus. Darbietungsformen sind die volkstüml. Erzählung und die literar. Verarbeitung. Die ältesten L. finden sich in den apokryphen Evangelien und Apostelgeschichten. Die älteste erhaltene lat. Prosasammlung stammt von Papst Gregor I., d. Gr.; die bedeutendste mittelalterl. Sammlung ist die Legenda aurea. Einen ersten Aufschwung nahm die L. mit der Verbreitung der Heiligenverehrung im 6. Jh. (Gregor von Tours, Venantius Fortunatus), eine zweite Blüte brachte die Karolingerzeit (z. B. Alkuins L. über den hl. Willibrord). Im 10. Jh. schuf Hrotsvith von Gandersheim L.-Erzählungen und L.-Dramen. Die ältesten volkssprachl. L. sind Heiligenhymnen (»Annolied«, Ende 11. Jh.). Um 1150 leitete die L. durch Einbeziehung weltl. Elemente zur ritterl. Epoche über (»Kaiserchronik«, »Orendel«). In der mhd. Blütezeit wurde die L. zu einer höf. Kunstform (Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue, Rudolf von Ems, Konrad von Würzburg). L.-Charakter tragen viele Mariendichtungen. Ende des 13. Jh. entstanden die gereimten Sammlungen des Dt. Ordens »Passional« und »Väterbuch«. Am Ausgang des MA. erlangte das L.-Spiel als Mirakelspiel Bedeutung (z. B. im 15. Jh. das niederdt. »Spiel von Theophilus«, D. Schernbergs »Spiel von Frau Jutten«, entstanden um 1480). Die Reformation drängte die L. zurück, die Gegenreformation ließ neue L.-Sammlungen entstehen. In der Wiederbelebung der L. zur Zeit der Romantik waren die ästhetisch-poet. Motive vorherrschend. Mittelalterl. L. finden bis zur Gegenwart in Übersetzungen und Nacherzählungen Verbreitung. Auch neue L.-Dichtungen wurden geschrieben (G. Keller, N. S. Leskow, Selma Lagerlöf, R. M. Rilke, T. Mann), z. T. als Spiel (P. Claudel, T. S. Eliot, M. Mell u. a.).
▣ Literatur:
Rosenfeld, H.: L. Stuttgart 41982.
⃟ Karlinger, F.: Legendenforschung. Aufgaben u. Ergebnisse. Darmstadt 1986.
Legẹnde[lat. legenda, »das zu Lesende«] die,
1) allg.: unverbürgte Erzählung; Bildunterschrift, Erläuterung zu Abbildungen, Zeichnungen; Zeichenerklärungen auf Landkarten u. a.; Text der Inschrift auf Münzen und Siegeln.
2) Kartographie: (Zeichenerklärung) im Rand einer Karte zusammengestellte Erläuterung der verwendeten Kartenzeichen (Signaturen), Farben und Abkürzungen; bei themat. Karten oft zusätzlich nähere Angaben zum dargestellten Thema.
3) Literatur: Darstellung der Lebensgeschichte eines Heiligen oder Märtyrers oder exemplar. Geschehnisse daraus. Darbietungsformen sind die volkstüml. Erzählung und die literar. Verarbeitung. Die ältesten L. finden sich in den apokryphen Evangelien und Apostelgeschichten. Die älteste erhaltene lat. Prosasammlung stammt von Papst Gregor I., d. Gr.; die bedeutendste mittelalterl. Sammlung ist die Legenda aurea. Einen ersten Aufschwung nahm die L. mit der Verbreitung der Heiligenverehrung im 6. Jh. (Gregor von Tours, Venantius Fortunatus), eine zweite Blüte brachte die Karolingerzeit (z. B. Alkuins L. über den hl. Willibrord). Im 10. Jh. schuf Hrotsvith von Gandersheim L.-Erzählungen und L.-Dramen. Die ältesten volkssprachl. L. sind Heiligenhymnen (»Annolied«, Ende 11. Jh.). Um 1150 leitete die L. durch Einbeziehung weltl. Elemente zur ritterl. Epoche über (»Kaiserchronik«, »Orendel«). In der mhd. Blütezeit wurde die L. zu einer höf. Kunstform (Heinrich von Veldeke, Hartmann von Aue, Rudolf von Ems, Konrad von Würzburg). L.-Charakter tragen viele Mariendichtungen. Ende des 13. Jh. entstanden die gereimten Sammlungen des Dt. Ordens »Passional« und »Väterbuch«. Am Ausgang des MA. erlangte das L.-Spiel als Mirakelspiel Bedeutung (z. B. im 15. Jh. das niederdt. »Spiel von Theophilus«, D. Schernbergs »Spiel von Frau Jutten«, entstanden um 1480). Die Reformation drängte die L. zurück, die Gegenreformation ließ neue L.-Sammlungen entstehen. In der Wiederbelebung der L. zur Zeit der Romantik waren die ästhetisch-poet. Motive vorherrschend. Mittelalterl. L. finden bis zur Gegenwart in Übersetzungen und Nacherzählungen Verbreitung. Auch neue L.-Dichtungen wurden geschrieben (G. Keller, N. S. Leskow, Selma Lagerlöf, R. M. Rilke, T. Mann), z. T. als Spiel (P. Claudel, T. S. Eliot, M. Mell u. a.).
▣ Literatur:
Rosenfeld, H.: L. Stuttgart 41982.
⃟ Karlinger, F.: Legendenforschung. Aufgaben u. Ergebnisse. Darmstadt 1986.