Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Landwirtschaft
Landwirtschaft,wirtsch. Nutzung des Bodens zur Gewinnung pflanzl. und/oder tier. Erzeugnisse. Die L. ist mit den Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital Teil der Urproduktion (primärer Sektor). Zur L. gehören neben Ackerbau, Viehwirtschaft i. w. S. auch Gartenbau einschließlich Zierpflanzen-, Gemüse- und Obstbau, Forstwirtschaft, Jagd sowie landwirtsch. Nebengewerbe (z. B. Mühlen, Molkereien, Kellereien).Aufgrund der Nutzung als Acker, Grün- oder Gartenland durch Anbau von ein- oder mehrjährigen oder Dauerkulturen (Obst, Reben, Hopfen u. a.) sowie des jeweiligen Anteils der einzelnen Kulturpflanzen zueinander unterscheidet man versch. Bodennutzungssysteme: Grünland-, Futterbau-, Marktfruchtbau- (Getreide, Hackfrüchte, wie Kartoffeln und Zuckerrüben, Ölfrüchte u. a.), Gemüsebaubetriebe sowie weitere, einschl. der Übergänge zw. den einzelnen Bodennutzungssystemen. Im Fruchtfolgesystem, der Aufeinanderfolge der einzelnen Kulturpflanzen, unterscheidet man Feldwirtschaften mit Getreide und Blatt-(Hack-)Früchten, Wechselwirtschaften mit einem Wechsel zw. mehrjähriger Futternutzung und Ackerkulturen. Die pflanzl. Erzeugnisse dienen der menschl. Ernährung (einschl. Genussmittel), der Verwertung in der Viehwirtschaft oder der industriellen Verarbeitung. - Die Viehwirtschaft wird nach der Tiergattung (Rinder, Schweine, Geflügel u. a.), nach der Nutzungsform und dem Nutzungsziel (Milch, Fleisch, Wolle u. a.) unterschieden. Sie basiert auf der Futtergrundlage des Betriebes. - Den ökolog. Belastungen durch die herkömml. L. (hohe Schadstoffbelastungen von Boden und Erzeugnissen, u. a. Herbizidrückstände, Arzneimittelrückstände in Schlachttieren) suchen neue »alternative« Formen der L. zu begegnen (biologischer Landbau).Die Betriebsgröße wird gemessen an der Ausstattung mit Anlagevermögen und Betriebsmitteln, der Zahl der Arbeitskräfte oder der Gesamtproduktion. Seit 1973 wird ein aufgrund der Nettoleistung der einzelnen Betriebszweige errechnetes Standardbetriebseinkommen als Größenmaßstab verwendet. - Nach der Betriebsstruktur werden L.-Betriebe häufig unterteilt in Vollerwerbsbetriebe, Zuerwerbsbetriebe (die geringe Betriebsgröße erzielt ein nicht ausreichendes Einkommen; der Besitzer geht einer ergänzenden Nebentätigkeit im nichtlandwirtsch. Bereich nach) und Nebenerwerbsbetriebe (werden nebenberuflich bewirtschaftet und zwingen den Besitzer, da sie keine Lebensgrundlage bilden können, einen nicht landwirtsch. Hauptberuf auszuüben). - Nach der Besitzform unterscheidet man Eigentums- und Pachtbetriebe. Die früher in S-Europa anzutreffende Teilpacht ist noch in Entwicklungsländern verbreitet. Nach der Wirtschaftsform unterscheidet man bäuerl. (Familien-)Betriebe, Plantagenwirtschaft, Produktionsgemeinschaften.Bis in das 19. Jh. war die L. der eindeutig dominierende Bereich der Volkswirtschaft; im Verlauf der wirtsch. Entwicklung ging und geht die Bedeutung der L. im Vergleich zum sekundären (Waren produzierendes Gewerbe) und tertiären Sektor (Dienstleistungen) zurück. In der Bundesrep. Dtl. sank die Anzahl der landwirtsch. Betriebe von (1949) 1,94 Mio. auf (1995) 578 000 und die Zahl der Erwerbspersonen in der L. von (1950) 5,33 Mio. auf (1994) 1,2 Mio. Die Probleme der L. in den marktwirtsch. orientierten Ind.staaten ergeben sich v. a. daraus, dass dem hohen Angebotsniveau aufgrund modernster Produktionstechniken eine geringe Nachfragesteigerung gegenübersteht. Dadurch entstehen Überschüsse an landwirtsch. Erzeugnissen, eine verschärfte Konkurrenz und die Tendenz zum relativen Sinken der Agrarpreise. Internat. wird von zahlr. Staaten (v. a. durch die USA und die Länder der Europäischen Gemeinschaft) der Versuch unternommen, durch staatl. Maßnahmen zur Einkommensstützung, Flächenstilllegungen und strukturelle Anpassung dieser Entwicklung zu begegnen (Agrarpolitik).In den meisten Entwicklungsländern ist die L. heute noch der wichtigste Wirtschaftsbereich. Vielen ist es bisher - trotz beträchtl. Fortschritte durch Einführung hoch ertragreicher Sorten in Verbindung mit mineral. Düngung und Bewässerung - nicht gelungen, die Nahrungsmittelproduktion der (v. a. durch starke Bevölkerungszunahme) wachsenden Nachfrage anzupassen.Geschichte: Erste Spuren der Haustierhaltung (Ziegen) und des Ackerbaus (Weizen und Gerste) finden sich im Übergang von der Mittel- zur Jungsteinzeit im nordwestl. Irak aus dem 7. Jt. v. Chr. Die Fruchtbarkeit der bronzezeitl. Kulturen im Vorderen Orient war so groß, dass Großstädte mit einer erhebl. nicht landwirtsch. Bev. bestehen konnten. Für China ist die L. im 5. Jt., für Südamerika um 2000 v. Chr. nachgewiesen. In Mitteleuropa breitete sie sich zw. 5000 und 1800 v. Chr. aus.
Die Produktionsverfahren wandelten sich nur langsam. Bis zum MA. herrschte in Europa die unregelmäßige Feld-Gras-Wirtschaft, seit dem 6. Jh. n. Chr. aber auch die Dreifelderwirtschaft. Diese wurde im 18. und 19. Jh. durch die Einführung des Ackerfutterbaus und der Hackfrüchte abgelöst. Weitere grundlegende Änderungen traten mit der Einführung der mineral. Düngung und des Pflanzenschutzes in der 2. Hälfte des 19. Jh. sowie der Mechanisierung ein.
Literatur:
G. Voigtländer Grünlandwirtschaft u. Futterbau, hg. v. u. H. Jacob. Stuttgart 1987.
Born, M.: Die Entwicklung der dt. Agrarlandschaft. Darmstadt 21989.
Preuschen, G.: Mensch u. Natur - Partner oder Gegner? Bad Dürkheim 21991.
L. u. Agrarpolitik im Wandel der Zeiten. Münster 1992.
Tivy, J.: L. u. Umwelt. Agrarökosysteme in der Biosphäre. A. d. Engl. Heidelberg u. a. 1993.
Alsing, I.: Lexikon L. München 31995.
L. im Alten Orient, hg. v. H. Klengel u. J. Renger. Berlin 1999.
Nachhaltige L., hg. v. L. Hövelmann u. R. Rupalla. Frankfurt am Main 1999.
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