Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Lamaismus
Lamaịsmusder (tibetischer Buddhismus), die im 8. Jh. in Tibet entstandene, daneben heute in Bhutan, Nepal, der Himalajaregion Indiens (Sikkim, Arunachal Pradesh, Ladakh), der Mongolei, Nordchina und Russland (Burjatien, Kalmückien, Tuwa) verbreitete Form des Buddhismus. In seinen ind. Spätformen (Mahajana, Vadjrajana) um 632 in Tibet eingeführt, verschmolz er mit der Bon-Religion, der urspr. tibet. Religion. Aus ihr übernahm er den Dämonen- und Zauberglauben. Der L. ist eine Mönchsreligion, Grundlage der religiösen Praxis der Tantrismus, Zentrum der Lehre die Vorstellung vom Seienden als trüger. Illusion (»Leerheit«). In der vollkommenen Erkenntnis dieser Wahrheit liegt die Erlösung, die stufenweise durch Meditation, Yoga und ein kompliziertes System von (mag.) Ritualen erreicht wird. Typisch ist die unaufhörl. Rezitation mag. Formeln, die auch durch das Drehen der Gebetsmühlen und das Aufstellen von Gebetsfahnen erfolgen kann. Die obersten Geistlichen des L. gelten als Verkörperungen des Bodhisattva Avalokiteshvara (Dalai-Lama) und des Buddha Amitabha (Pantschen-Lama). Die Kanonisierung der hl. Schriften des L. erfolgte im 14. Jh. in den Sammlungen des Kandschur und Tandschur. Als eigentl. Begründer des L. gilt der ind. Mönch Padmasambhava, der 747 das erste Kloster gründete und die ersten Mönche weihte. Nach der Farbe ihrer Kopfbedeckung wurden sie »Rotmützen« (oder rote Schule) genannt. Ihre Klöster entwickelten sich zu den polit. und wirtsch. Zentren des Landes, die obersten Geistlichen (Lamas) erhielten im 13. Jh. vom mongol. Khan Kubilai die Oberherrschaft über Tibet zugesprochen. Gegen die zunehmende Verweltlichung richtete sich die Reformbewegung der von Tsongkhapa (* 1357, ✝ 1419) gegr. »Schule der Tugend« (Gelugpa; »Gelbmützen« oder gelbe Schule genannt). Diese hatte die Erneuerung der buddhist. Ethik und Lehre, die Einführung des Zölibats für die Mönche, die Ausbildung einer strengen Hierarchie und die Errichtung eines Priesterstaates in Tibet zur Folge, geführt vom Dalai-Lama als polit. und geistl. Oberhaupt. Hauptstadt und hl. Stadt des L. ist seither Lhasa. Im 16. Jh. erfolgte von Tibet aus die Missionierung der Mongolei. Zur neueren Geschichte Tibet.
Literatur:
Dalai Lama XIV.: Das Auge einer neuen Achtsamkeit. Traditionen u. Wege des tibet. Buddhismus. Eine Einführung aus östl. Sicht. A. d. Engl. München 1993.
Nicolazzi, M. A.: Mönche, Geister u. Schamanen. Die Bön-Religion Tibets. Solothurn u. a. 1995.
Söpa, L. u. Hopkins, J.: Der tibet. Buddhismus. A. d. Engl. München 81995.
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