Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
kritischer Rationalismus
kritischer Rationalịsmus, von K. R. Popper begründete wissenschaftstheoret. und philosoph. Schule. Ihr Ausgangspunkt war die Auseinandersetzung mit zwei erkenntnistheoret. Grundproblemen, dem Induktions- und dem Abgrenzungsproblem: 1) im Ggs. zu klass. Empirismus und Neopositivismus bezweifelt der k. P. die Zuverlässigkeit von Induktionsschlüssen zur Verifizierung wissenschaftl. Allgemein- und Gesetzesaussagen (Induktion); selbst Protokollsätze, die bloße Beobachtungen im Experiment zu fixieren scheinen, beinhalten theoret. und damit allgemeine, über jede konkrete Beobachtung hinausgehende Vorannahmen. 2) Gegen den klass. Rationalismus und krit. Idealismus Kants gewendet, behauptet der k. R. die prinzipielle Widerlegbarkeit (Falsifizierbarkeit) wissenschaftl. Aussagen; dies soll zugleich ein Kriterium für die wissenschaftl. Abgrenzung von metaphys. Aussagen sein. Wissenschaftl. Erkenntnis bleibe immer hypothetisch; auch Hypothesen, die bisher nicht widerlegt wurden, gelten nicht als bewahrheitet, sondern lediglich als bewährt. - Trotz zahlr. Einzelschwierigkeiten bei der Durchführung seines Programms bleibt der k. R. eine der einflussreichsten Positionen in der Wissenschaftstheorie. Popper versuchte außerdem eine Übertragung der Grundvorstellungen auf die Ethik (Unmöglichkeit der Letztbegründung von Normen) und die Sozialwissenschaften (Kritik umfassender Gesellschaftstheorien, idealist. und materialist. Geschichtsphilosophien). Weitere Hauptvertreter im angelsächs. Bereich: der frühe P. K. Feyerabend und I. Lakatos, im dt.-sprachigen: W. Stegmüller, H. Albert, H. Lenk, E. Topitsch.
Literatur:
Popper, K. R.: Logik der Forschung. Tübingen 91989.
Ströker, E.: Einführung in die Wissenschaftstheorie. Darmstadt 41992.
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