Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
karolingische Kunst
karolingische Kunst,die Kunst in dem von Karl d. Gr. geschaffenen Reich. Zentrum war sein Hof in Aachen, an den er Künstler zog, die der röm. oder byzantin., aber auch der angelsächs., merowing. und langobard. Tradition entstammten. Durch sein Bemühen um eine Erneuerung (»renovatio«) des röm. Imperiums (karoling. Renaissance) entstand aus diesen verschiedenartigen Strömungen der karoling. Stil, der die erste Stufe der abendländisch-mittelalterl. Kunst ist. Die Blütezeit reichte vom Ende des 8. bis in die Mitte des 9. Jh. Aus diesen Ansätzen entwickelten sich sowohl die deutsche Kunst als auch die französische Kunst. Der german. Holzbau wurde durch den Steinbau ersetzt, im Ggs. zur gleichzeitigen byzantin. Bilderfeindlichkeit entstanden große christl. Bilderfolgen; die menschl. Figur verlor ihre ornamentale Bindung. In der Baukunst wurden versch. Anlagetypen übernommen, so aus Italien der Zentralbau in dem nach dem Muster von San Vitale in Ravenna errichteten Aachener Münster. Die altchristl. Basilika wurde durch Einbeziehung des Querhauses (Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach), Erweiterung der Ringkrypta (St. Lucius in Chur, St. Emmeram in Regensburg), Ausbildung des die weitere Entwicklung in Gallien bestimmenden Chorumgangs mit Kapellenkranz (Saint-Martin in Tours), Anlage eines Westchors oder Westwerks (Abteikirche des Benediktinerklosters Corvey, 2. Hälfte des 9. Jh.) und durch Vierungs- und Treppentürme bereichert. Das besterhaltene Beispiel einer Fassadendekoration bietet die Torhalle des Klosters Lorsch (wohl vor 875 vollendet).Die Bronzetüren und Emporengitter des Aachener Münsters (um 800) belegen eine hoch entwickelte Gusstechnik. Beispiele der Goldschmiedekunst sind der Tassilokelch (um 780, Kremsmünster, Schatzkammer der Abtei), das Rupertuskreuz (Ende 8. Jh., Bischofshofen, Pfarrkirche), der Adelhausener Tragaltar (um 800, Freiburg im Breisgau, Augustinermuseum) und die Stephansbursa (Anfang 9. Jh., Wien, Kunsthistor. Museum). Reste von Wandmalerei sind im Westwerk der Abteikirche Corvey (um 870), in der Torhalle des Benediktinerinnenklosters Frauenchiemsee (Mitte 9. Jh.) und in St. Johann in Müstair (Kt. Graubünden, Ende des 9. Jh.) erhalten.In Aachen entstand die »Hofschule« Karls d. Gr., aus der zahlr. Buchmalereien und Elfenbeinarbeiten erhalten sind. Mit dem Codex aureus aus Lorsch (heute aufgeteilt auf Bibliotheken in Rom, Bukarest und London) sowie dem Dagulf-Psalter (Paris und Wien) haben sich Handschriften mit ihrem vollständigen Deckelschmuck erhalten. Die Elfenbeintafeln des Lorscher Evangeliars folgen fünfteiligen Diptychen frühchristl. Zeit. Stärker byzantinisierend ist die gleichfalls in Aachen beheimatete Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars. Mit der »Reimser Schule« (Ebo-Evangeliar, Épernay; Utrecht-Psalter, Utrecht) verlagert sich das Schwergewicht nach Westen. Weitere Zentren sind die »Schule von Tours« (Grandval-Bibel in London, Vivian-Bibel in Paris) und die wohl in Paris zu lokalisierende »Hofschule Karls des Kahlen« (Sakramentar und Psalter Karls des Kahlen, Paris). Zahlr. spätkaroling. Elfenbeinarbeiten, neben mehreren Buchdeckeln der Kamm des hl. Heribert (Köln, Schnütgen-Museum), stammen aus Metz. Aus dem gleichen westfränk. Raum kommen auch die bedeutendsten Goldschmiedearbeiten wie die Deckel des Codex aureus von St. Emmeram in Regensburg, das Arnulf-Ciborium (beide München) und der Goldaltar (»Paliotto«) von Sant'Ambrogio zu Mailand.
▣ Literatur:
Durliat, M.: Die Kunst des frühen Mittelalters. A. d. Frz. Freiburg im Breisgau u. a. 1987.
karolingische Kunst,die Kunst in dem von Karl d. Gr. geschaffenen Reich. Zentrum war sein Hof in Aachen, an den er Künstler zog, die der röm. oder byzantin., aber auch der angelsächs., merowing. und langobard. Tradition entstammten. Durch sein Bemühen um eine Erneuerung (»renovatio«) des röm. Imperiums (karoling. Renaissance) entstand aus diesen verschiedenartigen Strömungen der karoling. Stil, der die erste Stufe der abendländisch-mittelalterl. Kunst ist. Die Blütezeit reichte vom Ende des 8. bis in die Mitte des 9. Jh. Aus diesen Ansätzen entwickelten sich sowohl die deutsche Kunst als auch die französische Kunst. Der german. Holzbau wurde durch den Steinbau ersetzt, im Ggs. zur gleichzeitigen byzantin. Bilderfeindlichkeit entstanden große christl. Bilderfolgen; die menschl. Figur verlor ihre ornamentale Bindung. In der Baukunst wurden versch. Anlagetypen übernommen, so aus Italien der Zentralbau in dem nach dem Muster von San Vitale in Ravenna errichteten Aachener Münster. Die altchristl. Basilika wurde durch Einbeziehung des Querhauses (Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach), Erweiterung der Ringkrypta (St. Lucius in Chur, St. Emmeram in Regensburg), Ausbildung des die weitere Entwicklung in Gallien bestimmenden Chorumgangs mit Kapellenkranz (Saint-Martin in Tours), Anlage eines Westchors oder Westwerks (Abteikirche des Benediktinerklosters Corvey, 2. Hälfte des 9. Jh.) und durch Vierungs- und Treppentürme bereichert. Das besterhaltene Beispiel einer Fassadendekoration bietet die Torhalle des Klosters Lorsch (wohl vor 875 vollendet).Die Bronzetüren und Emporengitter des Aachener Münsters (um 800) belegen eine hoch entwickelte Gusstechnik. Beispiele der Goldschmiedekunst sind der Tassilokelch (um 780, Kremsmünster, Schatzkammer der Abtei), das Rupertuskreuz (Ende 8. Jh., Bischofshofen, Pfarrkirche), der Adelhausener Tragaltar (um 800, Freiburg im Breisgau, Augustinermuseum) und die Stephansbursa (Anfang 9. Jh., Wien, Kunsthistor. Museum). Reste von Wandmalerei sind im Westwerk der Abteikirche Corvey (um 870), in der Torhalle des Benediktinerinnenklosters Frauenchiemsee (Mitte 9. Jh.) und in St. Johann in Müstair (Kt. Graubünden, Ende des 9. Jh.) erhalten.In Aachen entstand die »Hofschule« Karls d. Gr., aus der zahlr. Buchmalereien und Elfenbeinarbeiten erhalten sind. Mit dem Codex aureus aus Lorsch (heute aufgeteilt auf Bibliotheken in Rom, Bukarest und London) sowie dem Dagulf-Psalter (Paris und Wien) haben sich Handschriften mit ihrem vollständigen Deckelschmuck erhalten. Die Elfenbeintafeln des Lorscher Evangeliars folgen fünfteiligen Diptychen frühchristl. Zeit. Stärker byzantinisierend ist die gleichfalls in Aachen beheimatete Gruppe des Wiener Krönungsevangeliars. Mit der »Reimser Schule« (Ebo-Evangeliar, Épernay; Utrecht-Psalter, Utrecht) verlagert sich das Schwergewicht nach Westen. Weitere Zentren sind die »Schule von Tours« (Grandval-Bibel in London, Vivian-Bibel in Paris) und die wohl in Paris zu lokalisierende »Hofschule Karls des Kahlen« (Sakramentar und Psalter Karls des Kahlen, Paris). Zahlr. spätkaroling. Elfenbeinarbeiten, neben mehreren Buchdeckeln der Kamm des hl. Heribert (Köln, Schnütgen-Museum), stammen aus Metz. Aus dem gleichen westfränk. Raum kommen auch die bedeutendsten Goldschmiedearbeiten wie die Deckel des Codex aureus von St. Emmeram in Regensburg, das Arnulf-Ciborium (beide München) und der Goldaltar (»Paliotto«) von Sant'Ambrogio zu Mailand.
▣ Literatur:
Durliat, M.: Die Kunst des frühen Mittelalters. A. d. Frz. Freiburg im Breisgau u. a. 1987.