Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
karibische Literatur
karibische Literatur(westindische Literatur), die in engl., frz., niederländ. und span. Sprache sowie in den entsprechenden kreol. Sprachen verfasste Literatur der Westind. Inseln, Französisch-Guayanas, Surinams und Guyanas, wobei die kuban. Literatur i. d. R. den lateinamerikanischen Literaturen zugerechnet wird.
Die Entwicklung der k. L. wurde v. a. von der kolonialen Situation bestimmt, die die Bevölkerung unterschiedl. Kulturkreise sozial und rassisch verschmolz. Erst seit Ende des 19. Jh. entstand eine eigenständige Lit., die auf den mündlich überlieferten literar. Traditionen der Sklaven und ihrer Nachkommen und den literar. Vorbildern des jeweiligen Mutterlandes aufbaute. Erste Vorstellungen von einer allumfassenden afrikan. Identität finden sich in der anglophonen Lit. in der Lyrik T. R. F. Elliots in Guyana. Den ersten westind. Roman (»Jane's career«) schrieb 1914 H. G. De Lisser. Richtungweisend wirkte der gebürtige Jamaikaner C. McKay. Selbstbewusste Hinwendung zu Afrika kennzeichnet die Romane V. Reids und die Lyrik D. Walcotts, der den Nobelpreis für Literatur 1992 erhielt; wichtige sozialkrit. Erzähler sind A. Mendes, C. L. R. James, E. A. Mittelholzer und R. Mais. Volkstüml. Traditionen (Worksongs) und Musikformen wie Calypso und Reggae verbindet E. K. Brathwaite mit Techniken moderner Lyrik. Zentren westind. Emigration und ihrer Kultur wurden neben London verstärkt New York, Boston und Toronto (Paula Marshall, Jamaica Kincaid, D. Walcott, A. Clarke). Eine Sonderstellung nehmen V. S. Naipaul und W. Harris ein. Die frankophone Lit. begann mit Reiseberichten frz. Missionare im 18. Jh. Erste Schriften schwarzer und mulatt. Autoren mit haitian. Thematik entstanden auf Haiti im 19. Jh. (D. F. Toussaint Louverture). Die romant. Dichtung brachte das Volkstümliche zur Geltung (O. Durand). Die amerikan. Besetzung (1915-34) führte in der Lit. zur Besinnung auf afrohaitian. Kulturgut (J. Price-Mars). Bäuerl. Leben wurde im Roman dargestellt (P. Thoby-Marcellin, J. Roumain, J. S. Alexis). Während der Diktatur der Duvaliers gingen zahlreiche krit. Autoren (R. Depestre, J.-F. Brierre) ins Exil. In den übrigen Gebieten (Guayana, Guadeloupe, Martinique) bestand eine weiterhin auf Frankreich ausgerichtete Literatur. In den 1930er-Jahren begründeten karib. (A. Césaire, L.-G. Damas) und afrikan. (L. S. Senghor) Intellektuelle die Dichtung der Négritude. V. a. mit dem Kolonialismus setzte sich die nach 1945 entstehende Literatur auseinander (F. Fanon, Maryse Condé). Das Konzept einer spezifisch karib. Identität vertreten neben É. Glissant auch D. Maximin, P. Chamoiseau und Simone Schwarz-Bart. Die spanischsprachige Lit. war beeinflusst vom spanisch-amerikan. Modernismus und dem afrokarib. Erbe in den frankophonen Gebieten. Sie entwickelte u. a. in der afroantillen Lyrik eigenständige Richtungen. Bed. Vertreter sind in der Dominikan. Republik M. de Cabral, P. Mir, M. Rueda, V. Villegas und J. Bosch; in der Lit. Puerto Ricos u. a. L. Palés Matos, R. Marqués, R. Ferré und M. Ramos Otero. Auf den Niederländ. Antillen gibt es neben der spanischsprachigen und niederländ. k. L. auch eine Lit. in der kreol. Sprache Papiamento, deren bedeutendster Vertreter F. M. Arion aus Curaçao ist. Aus Surinam kommt der Schriftsteller R. Dobru.
Literatur:
D. E. Herdeck. Caribbean writers. A bio-bibliographical-critical encyclopedia, hg. v. Washington, D. C., 1979.
Fifty caribbean writers. A bio-bibliographical critical sourcebook, hg. v. D. C. Dance. New York 1986.
Toumson, R.: La transgression des couleurs. Littérature et langage des Antilles. XVIIIe, XIXe, XXe siècles, 2 Bde. Paris 1989.
West Indian literature, hg. v. B. King. London 21995.
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