Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kupferstich
Kupferstich,das Verfahren, eine Zeichnung in eine Kupferplatte einzugravieren, sowie der von dieser auf Papier abgezogene Druck; die früheste Tiefdrucktechnik der druckgraf. Verfahren.Beim K. i. e. S. werden mit dem Grabstichel, einem vorn abgeschrägten Stahl, auch kalte Nadel genannt, in die glatt polierte Oberfläche des Kupfers Furchen eingeritzt, die beim Abdruck der mit Druckfarbe eingeriebenen und von überflüssiger Farbe befreiten Platte je nach Tiefe und Breite der Furchen kräftigere oder zartere Linien ergeben (Kaltnadeltechnik). Bei der Radierung wird die Platte mit einer säurefesten Schicht von Wachs und Harz bestrichen und in diese mit der Nadel gezeichnet, sodass das Metall freigelegt wird. Wenn die Platte dann mit Säure übergossen wird, ätzt diese die Zeichnung ein, desto tiefer, je länger man sie wirken lässt. Nach Entfernung der Deckschicht und Abzug eines Probedrucks kann die Platte weiterbearbeitet werden, meist mit der kalten Nadel. Bei der Schabkunst (Mezzotinto) wird das Kupfer mit Roulette und Schabeisen gleichmäßig aufgeraut, um beim Abdruck ein samtartiges Schwarz zu erzielen; die Stellen, die hell erscheinen sollen, werden mit einem Polierstahl und Schaber wieder geglättet; wegen der Möglichkeit, Tonübergänge zu erzeugen, geeignet zur Wiedergabe von Pastell- u. a. Bildern mit Halbtoncharakter. Bei der Punktiermanier, die Schattierungen durch Punkte wiedergibt, wird die Platte mit Punzen bearbeitet. Die Aquatinta ist ein Ätzverfahren (Aquatinta). Der Ätzung bedient sich auch die Kreidemanier (Crayonmanier), bei der durch Verwendung von Roulette, Punze u. a. Werkzeuge ähnl. Wirkungen wie bei Kreidezeichnungen erzielt werden. Bei Farbdrucken werden mehrere Platten übereinander gedruckt. Um eine größere Zahl von Abzügen zu ermöglichen, stach man im 19. Jh. auch in Stahl (Stahlstich). Die Entstehung des K. geht auf die seit dem Altertum bekannte Technik der Metallgravierung zurück. Die ersten von Kupferplatten auf Papier abgedruckten Stiche entstanden zu Beginn des 15. Jh. wohl in Süddeutschland (älteste Datierung: 1446). Zu den bedeutendsten Stechern der Frühzeit gehören der Spielkartenmeister und der Meister E. S. Die von ihnen noch zaghaft gehandhabte Technik bildete M. Schongauer zu Klarheit und rhythm. Ausgeglichenheit der Linienzeichnung aus. Gleichzeitig schuf der Hausbuchmeister malerisch zarte Kaltnadelarbeiten. Unter den italien. Stechern des 15. Jh. ragt A. Mantegna hervor. An Schongauer knüpfte Dürer an, der die Ausdrucksmöglichkeiten des K. zur Vollendung entwickelte. Von den großen dt. Malern seiner Zeit hat A. Altdorfer, vereinzelt auch L. Cranach d. Ä., in Kupfer gestochen. Die Kleinmeister arbeiteten unter Dürers Einfluss, der auch das Schaffen von Stechern des Auslandes mitbestimmte (L. van Leyden, M. Raimondi). - Die 1510 aufgekommene Technik der Radierung geht auf den Brauch zurück, Verzierungen in Rüstungen und Waffen zu ätzen. Zu den frühesten Werken gehören in Eisen geätzte Radierungen von Dürer und Altdorfer.Mit dem ausgehenden 16. Jh. verlor der K. immer mehr an selbstständiger Bedeutung. Hervorragende Leistungen brachten in Frankreich bes. die Bildnisstecher hervor, die jedoch meist nach Werken anderer Künstler arbeiteten. Neben Bildnissen entstanden v. a. Reproduktionsstiche, deren zu hoher Genauigkeit entwickelte Wiedergaben von Gemälden bis zum Aufkommen photomechan. Verfahren zu den Hauptaufgaben der Kupferstecher gehörten (Rubens-Stecher, Watteau-Stecher). - Während der Arbeit abgezogene Probedrucke zeigen, an welchen Stellen Korrekturen angebracht werden müssen. Diese Probedrucke lassen die »Zustände« der einzelnen Etappen erkennen. Probedrucke nach Einsetzen des Namens werden avec la lettre bezeichnet. Folgende Zusätze nach dem Namen zeigen, welchen Beitrag der Künstler zu dem K. geleistet hat: invenit, sculpsit, exc., pinxit, delineavit. - Seit dem 17. Jh. bevorzugten die hervorragendsten Künstler die Radierung. Rembrandt entwickelte die durch das Ätzverfahren ermöglichten Hell-Dunkel-Wirkungen zu höchstem Ausdrucksreichtum. Im 17. Jh. radierten neben holländ. Malern (A. van Ostade, P. Potter, J. van Ruisdael) die Franzosen J. Callot und Claude Lorrain. In Dtl. wurde M. Merian mit seinen Stadtansichten bekannt. Sein Schüler W. Hollar schuf rd. 3 000 K. Um 1640 erfand L. von Siegen das Schabkunstverfahren, das bes. in England weiterentwickelt wurde. Die neu aufgekommenen Verfahren der Aquatinta, der Kreide- und Punktiermanier dienten v. a. der Wiedergabe von Gemälden und Zeichnungen. Von den Radierern des 18. Jh. ragen in Italien Tiepolo und Piranesi, in England W. Hogarth, in Frankreich F. Boucher und J. H. Fragonard, in Dtl. D. Chodowiecki hervor. Der bedeutendste Radierer des 19. Jh. war F. Goya. In Dtl. wurden meisterhafte Radierungen von W. Leibl, M. Klinger und K. Kollwitz geschaffen. - Im 20. Jh. haben einzelne Künstler den K. wieder aufgenommen (z. B. Picasso); in der Buchillustration trat in jüngster Zeit Baldwin Zettl (* 1943) hervor.
Literatur:
C. von Heusinger Das gestochene Bild. Von der Zeichnung zum K., bearb. v. u. a., Ausst.-Kat. Herzog-Anton-Ulrich-Museum, Braunschweig 1987.
Koschatzky, W.: Die Kunst der Graphik. Technik, Geschichte, Meisterwerke. Neuausg. München 101991.
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