Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kuba
I Kuba(Bakuba), Bantuvolk im SW der Demokrat. Rep. Kongo; etwa 75 000 Angehörige; vom 16. Jh. bis 1904 Träger eines Königreichs (Herrscherschicht: Bushongo); Blütezeit des Reiches K. Anfang des 17. Jh. Geschickte Handwerker und Künstler, schufen hölzerne Statuen und v. a. Masken (meist mit Blech beschlagen, mit Perlen und Kaurischnecken verziert, auch aus Rohr, Fell u. a.).
II Kuba
Fläche: 110 861 km2
Einwohner: (1995) 11,041 Mio.
Hauptstadt: Havanna
Verwaltungsgliederung: 14 Prov. und das Sonderverwaltungsgebiet Isla de la Juventud
Amtssprache: Spanisch
Nationalfeiertage: 1. 1., 26. 7., 10. 10.
Währung: 1 Kubanischer Peso (kub$) = 100 Centavos (¢)
Zeitzone: MEZ — 6 Std.
(amtlich span. República de Cuba, dt. Rep. K.), Staat in Mittelamerika, im Bereich der Westind. Inseln, umfasst neben der gleichnamigen Hauptinsel (105 007 km2) die Isla de la Juventud (früher Isla de Pinos; 2 200 km2) und zahlr. kleine Inseln und Korallenriffe.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1976 (mit Änderungen von 1992) ist K. eine sozialist. Rep. mit Einparteiensystem. Staatsoberhaupt, Reg.chef und Vors. des Nat. Verteidigungsrates ist der mit weitgehenden Machtbefugnissen ausgestattete Vors. des Staatsrates. Die Legislative liegt bei der Nationalversammlung (601 Abg., auf fünf Jahre direkt gewählt). Das Parlament wählt aus seiner Mitte den Staatsrat (31 Mitgl.) als höchstes repräsentatives Staatsorgan, das zw. den Parlamentssitzungen auch gesetzgeber. Funktionen wahrnimmt. Der Min.rat (von der Nationalversammlung auf Vorschlag des Staatsoberhauptes gewählt) fungiert als Exekutiv- und Verwaltungsorgan. Einzig zugelassene Partei ist die Kommunist. Partei K.s (PCC); acht illegale Oppositionsgruppen sind seit 1991 in der Demokrat. Konzertierten Aktion zusammengeschlossen.
Landesnatur: Die 1 200 km lange und 35-200 km breite Hauptinsel ist die größte Insel der Großen Antillen und liegt zw. dem Golf von Mexiko, dem Atlantik und dem Karib. Meer. Sie besteht größtenteils aus flach gewelltem Tiefland (Kalktafel), das kreidezeitl. vulkanischem Gestein aufliegt; drei z. T. stark verkarstete Gebirge durchziehen die Insel: im SO die Sierra Maestra mit dem Pico Turquino (1 972 m), im S des mittleren Inselteils die Sierra del Escambray (1 156 m) und im W die Cordillera de Guaniguanico (728 m ü. M.). Längster Fluss ist der Río Cauto (370 km). Das Klima ist wechselfeucht-randtropisch mit geringen Temperaturschwankungen (20 ºC im Febr., 28 ºC im Juli) und reichen Niederschlägen im Sommer (1 000-1 500 mm im Tiefland; Gebirge dauerfeucht). Wirbelstürme sind häufig. Die ursprüngl. Vegetation (Savanne, im Bergland Regenwald) ist weithin von Kulturland verdrängt worden.
Bevölkerung: 37 % der Bev. sind Weiße, meist span. Herkunft, 11 % Schwarze, Nachkommen afrikan. Sklaven; 51 % bezeichnen sich als Mischlinge (Mulatten und Mestizen); Chinesen wurden nach Verbot des Sklavenhandels (1845, de facto 1886) als Arbeitskräfte angeworben. Nachdem die Schwarzen um 1840 fast 60 % der Bev. ausgemacht hatten, stellte die Einwanderung von Spaniern (1900-30: 700 000) das Übergewicht der Weißen wieder her. Über 1 Mio. Kubaner verließen das Land nach 1959 und ließen sich in den USA (bes. in und um Miami) nieder. 76 % der Bev. leben in Städten, allein über 20 % in Havanna; elf Großstädte (mit Havanna). - Im Vergleich zu anderen lateinamerikan. Staaten ist das Gesundheits- und Bildungswesen relativ gut entwickelt und seine Nutzung für die Bev. kostenlos. Allg. Schulpflicht vom 6. bis 14. Lebensjahr, in großem Umfang Erwachsenenbildung; die Analphabetenquote ist auf fast 4 % zurückgegangen; 35 Hochschuleinrichtungen, darunter vier Universitäten. - Rd. 56 % der Bev. sind konfessionslos, rd. 42 % sind Christen (v. a. römisch-kath.); an afrokubanischen spiritist. Kulten nehmen auch zahlr. Katholiken teil.
Wirtschaft, Verkehr: Seit 1959 wurde die Wirtschaft nach und nach unter staatl. Leitung und Kontrolle gestellt. Das Handelsembargo, das nach der entschädigungslosen Enteignung von US-Vermögen 1960/61 von den USA und 1964 von den der Organisation Amerikan. Staaten (OAS) angeschlossenen Ländern (1975 wieder aufgehoben) über K. verhängt wurde, bewirkte, dass sich K. wirtsch. fast völlig an den damaligen Ostblock (1972 Mitgl. des RGW), v. a. an die UdSSR, anlehnte. Die seit den 1960er-Jahren gewährte umfangreiche Wirtschaftshilfe durch die UdSSR (Lieferung von gegenüber den Weltmarktpreisen verbilligtem Erdöl, Abnahme kuban. Zuckers zu Preisen über dem Weltmarktniveau) wurde Ende der 1980er-Jahre reduziert und ab 1991 mit dem Zerfall der UdSSR weitgehend eingestellt (Warenaustausch nur noch mit Verrechnung auf Dollarbasis). Damit verschärfte sich die wirtsch. Gesamtsituation, sodass z. B. die Lebensmittelgrundversorgung und die Bereitstellung von Energieträgern nicht immer gewährleistet ist. - Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft. Nach den Agrarreformen von 1959/60 und 1963 werden etwa 80 % der landwirtsch. Nutzfläche von Staatsbetrieben bewirtschaftet. Kleinbäuerl. Betriebe haben im Durchschnitt nicht mehr als 13 ha, sie sind in Genossenschaften organisiert und in die Planwirtschaft einbezogen. An erster Stelle der Landwirtschaft steht nach wie vor der Anbau von Zuckerrohr. Da der Zucker je nach Ernteergebnis und Weltmarktpreis 60-90 % der Exportwerte erbringt, hängt die gesamte Wirtschaft von der Zuckerrohrernte ab. In der südl. Küstenebene wird Reis angebaut (zwei Ernten im Jahr). Wichtig sind ferner Tabak, Mais, Kartoffeln, Bataten, Maniok, Kaffee, Zitrusfrüchte und Gemüse sowie die Viehhaltung (Rinder). Wegen starker Rodung für den Zuckerrohranbau kann K. nur ein Drittel seines Holzbedarfs decken. Nach der Revolution wurde ein umfangreiches Aufforstungsprogramm durchgeführt. K. hat seine Fischereigrenze seit 1977 auf 200 Seemeilen ausgedehnt; kuban. Fischereifahrzeuge sind aber auch weltweit tätig. An Bodenschätzen verfügt K. über bed. Vorkommen von Nickel (über 5 % der Weltreserven), ferner Kupfer-, Chrom- und Eisenerz sowie Salz. Eigene Erdölvorkommen konnten bisher erst in geringem Maße erschlossen werden. Die verstaatlichte Ind. verarbeitet v. a. Zuckerrohr, dessen Rückstände u. a. zu Papier, Kunststoffen und Düngemitteln verarbeitet werden. Wichtig sind auch die Textil-, Stahlind., Kfz-Montage, petrochem. Ind., Tabakverarbeitung, Nahrungs- und Genussmittelind. (u. a. Rumherstellung). Seit 1989 entstanden erste Gemeinschaftsunternehmen mit Firmen aus Europa und Lateinamerika. Im Devisen bringenden Touristenbereich (1995: 738 200 Ausländer) erfolgten die ersten Auslandsinvestitionen (Badeort Varadero). Das hoch verschuldete Land wickelte bis zum Zerfall des Ostblocks 1989/90 über 80 % seines Außenhandels mit den RGW-Staaten ab. Seit dem Rückgang des Osthandels versucht K. die Handelsbeziehungen zu Lateinamerika, aber auch Europa und Kanada wieder auszubauen. - Alle Transportunternehmen sind verstaatlicht und unterstehen dem Verkehrsministerium. Neben den öffentl. Eisenbahnstrecken (4 677 km) dienen weitere 9 638 km dem Zuckerrohrtransport. Von den Straßen (rd. 35 000 km, davon rd. ein Drittel mit fester Decke) ist die wichtigste die 1 150 km lange »Carretera Central«, die die Insel in der ganzen Länge durchzieht. Wichtigster der 30 Seehäfen ist Havanna; Zuckerexport v. a. über Cienfuegos. Internat. Flughäfen in Havanna, Santiago de Cuba, Camagüey und Varadero. Staatl. Fluggesellschaft ist die »Empresa Consolidada Cubana de Aviación«.
Geschichte: K. wurde am 27. 10. 1492 von Kolumbus entdeckt und 1508-11 von den Spaniern erobert. Da die einheim. Bev. bald ausgerottet war, wurden in die span. Kolonie afrikan. Sklaven eingeführt, v. a. für die Zuckerplantagen. 1762 eroberten die Briten K., mussten es aber 1763 im Tausch gegen Florida wieder an Spanien abtreten. Die Unzufriedenheit mit der Kolonialherrschaft entlud sich im 19. Jh. in Unruhen und Aufständen: 1868-78 kämpften die Kreolen mit Unterstützung der USA um ihre Unabhängigkeit und erreichten u. a. die Abschaffung der Sklaverei (endgültig 1886). Der von J. Martí vorbereitete Aufstand von 1895-98 führte zum Krieg zw. den USA und Spanien, das K. im Frieden von Paris (1898) an die USA abtreten musste. Die USA gewährten der Insel zwar 1902 die Unabhängigkeit, behielten sich aber (bis 1934) das Interventionsrecht vor. Bei inneren Unruhen 1906, 1913 und 1917 griffen sie militärisch ein; der US-amerikan. Flottenstützpunkt Guantánamo besteht bis in die Gegenwart. Das Wirtschaftsleben K.s geriet völlig in Abhängigkeit von nordamerikan. Kapital. Unter Präs. G. Machado (1925-33) kam es nach schweren wirtsch. Rückschlägen zur Besserung der Zustände, doch führten Weltwirtschaftskrise und scharfe diktator. Maßnahmen 1933 zu seinem Sturz. Der eigentl. Machthaber wurde 1934 General F. Batista y Zaldívar, der als Präs. (1940-44, erneut seit 1952) diktatorisch regierte.Nach seinem gescheiterten Putschversuch vom 26. 7. 1953 führte F. Castro Ruz einen Guerillakrieg gegen das Reg.system Batistas und zwang ihn am 1. 1. 1959 zur Flucht. Castro Ruz, seit Febr. 1959 MinPräs., proklamierte den sozialist. Staat, führte eine Bodenreform durch, verstaatlichte die Wirtschaft, ließ nur die kommunist. Einheitspartei zu und brachte die Medien unter ihre Kontrolle. Die Konfiszierung amerikan. Eigentums und die enge Anlehnung K.s an die Sowjetunion führten zum Ausschluss aus der OAS und zu schweren Spannungen mit den USA, die - nach der gescheiterten Landung von Exilkubanern in der Schweinebucht im April 1961 und der Stationierung sowjet. Mittelstreckenraketen im Okt. 1962 - in der Kubakrise gipfelten. Das militär. Zurückweichen kompensierte die Sowjetunion mit verstärkter Wirtschaftshilfe. In den 60er-/70er-Jahren erlangte Castros Gesellschaftskonzept (Fidelismus) erhebl. Einfluss in Lateinamerika, da seine sozialen Leistungen (medizin. Versorgung, Beseitigung des Analphabetentums) weit über den auf dem Kontinent übl. Standard hinausgingen. Auch unterstützte K. aktiv die Guerillabewegungen in Lateinamerika (u. a. durch E. »Che« Guevara Serna), später die kommunist. Befreiungsbewegungen in Afrika (u. a. 1975-89 Einsatz kuban. Truppen in Angola). Das Verhältnis zu den USA blieb deshalb weiterhin gespannt, doch wurden die Sanktionen der OAS 1975 aufgehoben. Wirtsch. Schwierigkeiten und Unterdrückung der Menschenrechte führten immer wieder zu Auswanderung in die USA; die zeitweise Einführung privatwirtsch. Elemente in Handwerk und Landwirtschaft zu Beginn der 80er-Jahre brachte keine Erfolge. Den polit. Umwälzungen in Osteuropa begegnete Castro mit entschlossenem Festhalten an den alten kommunist. Positionen, allerdings verschärften sich mit dem Ausbleiben der Hilfe aus dem Ostblock die wirtsch. Schwierigkeiten. Die Verf. vom Juli 1992 ermöglicht zwar begrenzte wirtsch. Reformen, erweitert aber zugleich Castros Machtbefugnisse. Die erste direkte Parlamentswahl 1993 brachte Castro die erwartete Bestätigung, die Opposition war dabei nicht zugelassen; das System wurde auch bei den Parlamentswahlen 1998 beibehalten. Ein Zeichen für das Aufbrechen der internat. Isolation K.s war der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jan. 1999.
Literatur:
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Cuban communism: 1959 - 1995, hg. v. I. L. Horowitz. New Brunswick, N. J., 81995.
Burchardt, H.-J.: K. Der lange Abschied von einem Mythos. Stuttgart 1996.
Habel, J.: K. Gesellschaft im Übergang. Köln 1997.
Rosendahl, M.: Inside the revolution. Everyday life in socialist Cuba. Ithaca, N. Y., 1997.
Kopf, E.: Abhängige Wirtschaft, Politik u. Korruption. Die erste kubanische Revolution 1909 - 1925. Frankfurt am Main 1998.
Perspectives on Cuban economic reforms, hg. v. J. F. Pérez-López u. a. Tempe, Ariz., 1998.
Zeuske, M. u. Zeuske, M.: K. 1492 - 1902. Leipzig 1998.
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