Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kreuzzüge
Kreuzzüge,allg. die im MA. von der Kirche propagierten oder unterstützten Kriege gegen Ungläubige (z. B. heidn. Wenden, Preußen) und Ketzer (z. B. Albigenser) zur Ausbreitung oder Wiederherstellung des kath. Glaubens; i. e. S. die sieben vom 11. bis 13. Jh. geführten Kriegszüge der abendländ. Christenheit zur Rückeroberung der hl. Stätten von islam. Herrschaft. Anlass für den Beginn der K. war die Eroberung Jerusalems 1070 durch die türk. Seldschuken, die daraus resultierende Erschwerung der Pilgerfahrten ins »Hl. Land« und die Bedrohung Ostroms (Hilferuf des byzantin. Kaisers). Es entstand eine breite K.-Bewegung, verbunden mit der Gründung neuer Orden (z. B. Kreuzherren, v. a. aber geistl. Ritterorden wie Templer, Johanniter, Dt. Orden) und einer allg. Aufwertung der Kreuzesfrömmigkeit (Kreuz als Symbol der K.). Zur Sicherung der von ihnen eroberten Gebiete errichteten die Kreuzfahrer zahlr. Befestigungsanlagen (Kreuzfahrer- bzw. Kreuzritterburgen, z. B. Krak des Chevaliers in W-Syrien, etwa 80 km westl. von Homs, aus dem 12./13. Jh.); es entstanden mehrere Kreuzfahrerstaaten. Der 1. Kreuzzug (1096-99), zu dem Papst Urban II. auf dem Konzil von Clermont am 27. 11. 1095 aufrief, begann als Volkskreuzzug (begleitet von Judenverfolgungen in Rouen und bes. im Rheinland) unter Führung von Predigern wie Peter von Amiens und endete, nachdem diese zumeist zügellosen Scharen im Okt. 1096 in Kleinasien von den Seldschuken vernichtend geschlagen wurden, mit der Eroberung Jerusalems (15. 7. 1099) durch ein Heer frz., lothring. und normann. Ritter. Als der 1099 zum »Vogt (Beschützer) des Hl. Grabes« ernannte Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen, starb (1100), wurde sein Bruder Balduin der erste König von Jerusalem. Die teilw. schon vorher entstandenen Kreuzfahrerstaaten - neben dem Königreich Jerusalem die Grafschaft Edessa, das Fürstentum Antiochia und die Grafschaft Tripolis - schwächten einander durch Rivalitäten und Thronwirren. Als der Islam sich zum Gegenstoß sammelte und Edessa ihm 1144 erlag, rief Bernhard von Clairvaux zum 2. Kreuzzug (1147-49) auf. An ihm beteiligten sich der Staufer Konrad III., Ludwig VII. von Frankreich sowie Roger II. von Sizilien. Doch scheiterte er bereits auf dem Marsch durch Kleinasien. Der unter Führung Kaiser Friedrichs I. Barbarossa unternommene, durch die Einnahme Jerusalems durch Sultan Saladin (1187) ausgelöste 3. Kreuzzug (1189-92), an dem auch die Könige Philipp II. August von Frankreich und Richard I. Löwenherz von England teilnahmen, führte nur zur Eroberung Akkos (1191), nachdem Friedrich 1190 gestorben war und die ihm nachfolgenden Könige sich entzweit hatten. Der 4. Kreuzzug (1202-04) erreichte das Hl. Land nicht, sondern führte auf Betreiben des venezian. Dogen Dandolo nach Konstantinopel (Zerschlagung des Byzantin. Reiches und Errichtung des Lat. Kaiserreichs). Den 5. Kreuzzug (1228/29) unternahm Kaiser Friedrich II. nach der Bannung durch Papst Gregor IX.; er erreichte bei Sultan Al-Kamil die Freigabe der christl. Pilgerstätten und krönte sich 1229 zum König von Jerusalem (die Stadt ging 1244 wieder verloren). Auf dem 6. Kreuzzug (1248-54) eroberte Ludwig IX. von Frankreich Damiette (Ägypten), geriet mit seinem Heer in Gefangenschaft, wurde aber gegen Lösegeld freigelassen. Auf dem 7. Kreuzzug (1270), der sich gegen Tunis richtete, starb Ludwig IX. Die Gesch. der Kreuzfahrerstaaten endete mit der Einnahme Akkos 1291 durch die Muslime. - Der so genannte Kinderkreuzzug von 1212, der mittelalterl. Überlieferung nach ein von N-Frankreich und dem Rheinland ausgehender Kreuzzug Tausender Kinder, war nach Ansicht der neueren Forschung wahrscheinlich v. a. ein Zug armer Leute (Knechte, Landarbeiter, Tagelöhner), der bereits in Italien scheiterte. - Die K., die viele Tausend Menschen das Leben kosteten und neben den vordergründig religiösen auch wirtsch. und polit. Motive hatten, erzielten keine anhaltenden Erfolge, förderten aber durch die Berührung von Orient und Okzident das Verständnis für das griechisch-oriental. Geistesgut.
▣ Literatur:
Tate, G.: Die Kreuzritter. A. d. Frz. Ravensburg 61994.
⃟ Mayer, Hans E.: Geschichte der K. Stuttgart u. a. 81995.
⃟ Runciman, S.: Geschichte der K. A. d. Engl. Tb.-Ausg. München 1995.
⃟ Erbstösser, M.: Die K. Eine Kulturgeschichte. Leipzig 31996.
⃟ Maalouf, A.: Der Heilige Krieg der Barbaren. Die K. aus der Sicht der Araber. A. d. Frz. München 1996.
▣ Literatur:
Tate, G.: Die Kreuzritter. A. d. Frz. Ravensburg 61994.
⃟ Mayer, Hans E.: Geschichte der K. Stuttgart u. a. 81995.
⃟ Runciman, S.: Geschichte der K. A. d. Engl. Tb.-Ausg. München 1995.
⃟ Erbstösser, M.: Die K. Eine Kulturgeschichte. Leipzig 31996.
⃟ Maalouf, A.: Der Heilige Krieg der Barbaren. Die K. aus der Sicht der Araber. A. d. Frz. München 1996.