Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Krankenversicherung
Krankenversicherung, 1) gesetzl. K., Abk. GKV, ein Zweig der Sozialversicherung, der bei Krankheit, Mutterschaft und Tod sowie zur Früherkennung von Krankheiten Leistungen erbringt.
Gesetzl. Grundlage ist das 5. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) und die mehrfach geänderte Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19. 7. 1911. Versicherungspflichtig sind alle gegen Entgelt beschäftigten Arbeiter und Angestellten, deren Einkommen die Versicherungspflichtgrenze (75 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung) nicht übersteigt. Der Versicherungspflicht unterliegen ferner Auszubildende, Studierende, Rentner, Arbeitslose und Behinderte, die an berufsfördernden Maßnahmen teilnehmen. Für die landwirtsch. Unternehmer und deren mitarbeitende Familienangehörige gibt es mit der K. der Landwirte eine spezielle K. ebenso wie mit der Künstlersozialversicherung für selbstständige Künstler und Publizisten. Beim Ausscheiden aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (z. B. bei Selbstständigkeit) ist unter bestimmten Bedingungen freiwillige Weiterversicherung möglich. Versicherungsfrei sind Beamte und unter bestimmten Voraussetzungen geringfügig Beschäftigte (geringfügige Beschäftigung).Leistungen (Stand: 1. 1. 1999): Die GKV erbringt 1) Leistungen zur Förderung der Gesundheit (Aufklärung und Beratung); 2) Vorsorgeleistungen zur Früherkennung und Verhütung von Krankheiten; neben zahnmedizin. Vorsorge gehört dazu die jährl. Krebsvorsorgeuntersuchung für Frauen (ab 20. Lebensjahr) und für Männer (ab 45. Lebensjahr) sowie die zweijährl. Vorsorgeuntersuchung auf Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen und Diabetes (ab 35. Lebensjahr). Kinder bis zum 6. Lebensjahr und nach Vollendung des 10. Lebensjahres haben Anspruch auf besondere Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten; 3) Leistungen bei Krankheit in Form der Krankenbehandlung, d. h. ärztl. Behandlung, Versorgung mit Medikamenten, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusl. Krankenpflege und Haushaltshilfe, Krankenhausbehandlung und Leistungen zur Rehabilitation. In den letzten Jahren gab es hier Einschränkungen für die Versicherten v. a. durch finanzielle Eigenbeteiligungen in Form der Zuzahlungen. Die Zuzahlungen für Arznei- und Verbandmittel betragen für kleine Packungen 8 DM, mittlere 9 DM und große 10 DM, für Fahrtkosten 25 DM. An Heilmitteln (z. B. Massagen, Bäder, Krankengymnastik) müssen sich Versicherte (über 18 Jahren) mit 15 % der Kosten beteiligen, an den Hilfsmitteln (Einlagen, Bandagen) mit 20 %. Für Seh- und Hörhilfen gilt seit 1989/90 eine Festbetragsregelung. Alle Versicherten haben Anspruch auf einen Zuschuss für notwendigen Zahnersatz von 50 % der Kosten (bei regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen in den letzten 5 Jahren 60 %, in den letzten 10 Jahren 65 %). Der Eigenanteil bei vollstationärer Krankenhausbehandlung für Versicherte über 18 Jahre beträgt 17 DM (neue Bundesländer 14 DM) täglich (maximal 14 Tage). Bei stationären Kuren beläuft sich die Zuzahlung auf 25 DM (neue Bundesländer 20 DM), bei stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie bei Mütter- oder Väterkuren jeweils auf 17 DM (neue Bundesländer 14 DM). Urlaubstage werden auf Kuren nicht mehr angerechnet. Das »Krankenhaus-Notopfer« zur Finanzierung der Krankenhausinvestitionen von 20 DM wird für 1998 und 1999 nicht erhoben. Für Härtefälle gelten bei der Selbstbeteiligung Sozialklauseln. Kinder unter 18 Jahren und sozial Schwache sind von Zuzahlungen befreit (außer Zahnersatz und Fahrtkosten). Für chronisch Kranke ist unter bestimmten Voraussetzungen eine vollständige Befreiung von Zuzahlungen zu Fahrtkosten, Arznei-, Verband- und Heilmitteln möglich. Krankengeld wird gezahlt im Anschluss an den Anspruch auf Entgeltfortzahlung (Arbeiter und Angestellte sechs Wochen lang) in Höhe von 70 % (seit 1997) des erzielten regelmäßigen beitragspflichtigen Arbeitsentgelts; 4) Leistungen der Mutterschaftshilfe: Während der Schwangerschaft und nach der Entbindung hat die Versicherte Anspruch auf ärztl. Betreuung und Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel, stationäre Entbindung, häusl. Pflege, Haushaltshilfe. Mutterschaftsgeld wird sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung der Versicherten gezahlt, die in einem Arbeitsverhältnis steht (in Höhe des Nettoentgelts oder des Krankengeldes, höchstens 25 DM pro Tag); Versicherte ohne diese Ansprüche erhalten ein einmaliges Entbindungsgeld von 150 DM; 5) Sonstige Hilfen: Anspruch auf ärztl. Beratung über Fragen der Empfängnisregelung, auf Leistungen bei legaler Sterilisation und bei legalem Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt; 6) Sterbegeld (für Versicherte, die bereits vor dem 1. 1. 1989 in der gesetzl. K. waren); 7) Familienversicherung: für den unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder werden mit Ausnahme des Krankengeldes i. Allg. die Leistungen der K. gewährt. Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit werden seit 1995 von der Pflegeversicherung erbracht.Träger der K. sind die Krankenkassen, die sich gliedern in die Allg. Ortskrankenkassen (AOK), die Betriebskrankenkassen (für größere Betriebe), die Innungskrankenkassen (für handwerkl. Betriebe), die Bundesknappschaft (für Bergleute), die Seekrankenkassen (für Seeleute), die landwirtsch. Krankenkassen und die Ersatzkassen. Seit 1997 gilt für die Versicherten die freie Krankenkassenwahl, sodass sie auch Kassen beitreten können, die bislang nur bestimmten Gruppen vorbehalten waren. - Die Beiträge zur K. werden je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Versicherten aufgebracht und in Prozenten vom Bruttoeinkommen durch jede Kasse festgesetzt. Bei Beitragssatzerhöhungen haben die Mitgl. ein besonderes Kündigungsrecht. - In Österreich haben sich vier Systeme der gesetzl. K. entwickelt. Das allg. System ist im Allg. Sozialversicherungsgesetz vom 9. 9. 1955 geregelt. Daneben gibt es die Beamten-, Kranken- und Unfallversicherung, die Gewerbl. Selbstständigen-K. und die Bauern-K. In der Schweiz besteht seit 1. 1. 1996 Versicherungspflicht, ein Arbeitgeberbeitrag wird nicht gezahlt.
Literatur:
J. Alber Westeurop. Gesundheitssysteme im Vergleich. Bundesrep. Deutschland, Schweiz, Frankreich, Italien, Großbritannien. Beiträge v. u. B. Bernardi-Schenkluhn. Frankfurt am Main u. a. 1992.
Krankheit u. Gemeinwohl. Gesundheitspolitik zw. Staat, Sozialversicherung u. Medizin, hg. v. B. Blanke. Opladen 1994.
Gesundheitsversorgung u. K. 2000. Mehr Ergebnisorientierung, mehr Qualität u. mehr Wirtschaftlichkeit. Sondergutachten 1995, hg. vom Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Baden-Baden 1995.
2) private K., freiwillige Versicherung gegen das Krankheitsrisiko. Die Beiträge richten sich nicht nach dem Einkommen, sondern nach dem Tarif, dem Eintrittsalter, Geschlecht und Gesundheitszustand der zu versichernden Person.
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