Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kraftwagen
Kraftwagen(Automobil), Kw. Auto, mehrspuriges Kraftfahrzeug zum Transport von Personen und/oder Gütern, zum Ziehen von Fahrzeugen oder zur Arbeitsleistung; angetrieben gewöhnlich durch Verbrennungsmotor, seltener durch Elektromotor oder eine Kombination von beiden (Hybridantrieb). Man unterscheidet Personen-K. und Nutz-K. Personen-K. (Pkw) wurden früher meist nach der Größe des Hubraums unterteilt in Kleinwagen (bis 1,0 l), Mittelklassewagen (von 1,1-2,0 l) und Oberklassewagen (über 2,0 l). Die Übergänge zw. den einzelnen Kategorien sind heute jedoch fließend. Ein anderes Unterscheidungsmerkmal ist die Ausführung der Karosserie: Der geschlossene Wagen wird als Vier- bis Sechssitzer mit 2-4 Türen gebaut (Limousine), mit erweitertem Innenraum (Kombiwagen) oder zweitürig, meist zweisitzig, sportlich geformt (Coupé); Heckraumklappen sind bei allen Ausführungen möglich. Der offene Wagen kommt vor als Renn- oder zweitüriger Sportwagen (Roadster), z. T. mit auf- und absetzbarem Dachaufbau (Hardtop) sowie zwei- oder viertürig mit zurückklappbarem Verdeck und versenkbaren Seitenfenstern (Kabriolett). Zu den Nutz-K. (Nkw) gehören Lastkraftwagen (Lkw), Kraftomnibusse (Bus) und Zugmaschinen (Straßenzugmaschinen, Sattelzugmaschinen, Ackerschlepper).Fahrwerk: Am Rahmen oder an der selbsttragenden Karosserie (Chassis) sind die Aufhängungs- und Federelemente für die Räder angebracht. Die Räder waren früher meist vorn und hinten durch starre Achsen verbunden (heute noch bei Lkw und Anhängern). Bei Pkw werden hinten Starrachsen oder Einzelradaufhängungen, vorn fast ausschl. Einzelradaufhängungen verwendet (Längs-, Schräg-, Doppelquerlenker- und McPherson-Federbein-Achse). Zur Federung dienen Blatt-, Schrauben- und Drehstabfedern, auch Luft- und Gasfedern, überwiegend mit hydraul. Stoßdämpfern. Die Wirkung der Federn wird häufig durch Stabilisatoren zur Beeinflussung des Eigenlenkverhaltens ergänzt. Durch Niveauregulierung kann, bes. bei Fahrzeugen mit Luft- und Gasfederung, eine lastunabhängige Fahrzeuglage erreicht werden. Das Einschlagen der gelenkten Vorderräder wird durch Drehung des Lenkrades bewirkt. Servolenkungen mit hydraul. Lenkkraftunterstützung finden zunehmende Verbreitung. Als Bremsen dienen beim Pkw vorwiegend Scheibenbremsen an der Vorderachse, Trommelbremsen oder, bei schnellen Wagen, Scheibenbremsen an der Hinterachse. Lkw sind meist mit Trommelbremsen ausgestattet. Zweikreisbremsanlagen sind vorgeschrieben. Bei Pkw und leichten Lkw ist eine hydraul. Bremsbetätigung, häufig mit Unterdruckverstärker, üblich; bei mittelschweren Lkw und Bussen wird eine hydraul. Bremsanlage mit Druckluftvorschaltung, bei schweren Lkw und Bussen eine reine Druckluftbremse verwendet. Als Räder werden i. Allg. Scheibenräder aus gepresstem Stahlblech, seltener für Pkw Leichtmetallräder und für Lkw und Busse Stahlgussräder eingesetzt.Triebwerk: Den Motor mit den zu seinem Betrieb notwendigen Einrichtungen und allen Kraftübertragungsteilen rechnet man zum Triebwerk. Die vom Motor (Ottomotor, Dieselmotor, Kreiskolbenmotor) erzeugte, als Drehmoment von der Schwungscheibe abgegebene Kraft wird über die K.-Kupplung (Kupplung), das Kraftwagengetriebe und, je nach Lage des Motors, entweder über die Kardanwelle (Frontmotor mit Hinterradantrieb) oder direkt (Frontmotor mit Vorderradantrieb; Heckmotor mit Hinterradantrieb, Heckantrieb) auf das Ausgleichsgetriebe übertragen; dieses teilt das Drehmoment dann auf die Treibwellen mit den Treibrädern auf. Während vorn liegender Motor und angetriebene Hinterräder jahrzehntelang die Standardanordnung bildeten, hat der Frontmotor mit Vorderradantrieb bei kleinen bis mittleren Pkw große Verbreitung gefunden. Heckmotorenanordnung ist neuerdings bei Pkw selten, bei Bussen die Regel. Bei Gelände- und Baustellenfahrzeugen, zunehmend auch bei Pkw, wird oft Allradantrieb verwendet. Neuere Entwicklungen dienen v. a. der inneren und äußeren Sicherheit (z. B. ABS), dem Umweltschutz (Geräuschminderung, Verringerung der Abgasemission, Katalysator) und der größeren Wirtschaftlichkeit (Minderung von Kraftstoffverbrauch, Luftwiderstand und Wartungsaufwand).Geschichte: Als Vorläufer des K. baute N. J. Cugnot 1769 den ersten dreirädrigen Straßendampfwagen mittlerer Größe, der als Zugmaschine für Artilleriefahrzeuge dienen sollte, sich aber nicht bewährte. Zw. 1825 und 1865 verkehrten in Großbritannien und Dtl. bereits Dampfwagen zur Personenbeförderung. Etwa um 1870 experimentierte S. Marcus in Wien an einem primitiven K. mit Verbrennungsmotor, der eine elektr. Zündung besaß, sich aber nicht durchsetzte. Verkehrsfähige K. schufen 1885 C. F. Benz und 1886, unabhängig davon, G. Daimler. Benz baute den ersten Dreiradwagen mit Benzinmotor und Kettenantrieb, Daimler den ersten Vierradwagen mit Verbrennungsmotor und Riemenantrieb. Basis für die ersten »Fahrzeugmotoren« bildete der von N. A. Otto 1876 entwickelte stationäre Viertaktmotor. Während sich der K. in Dtl. nur langsam durchsetzte, erschienen 1890 die ersten Fahrzeuge von Panhard & Levassor sowie von Peugeot mit Daimlermotoren in Frankreich. 1893 brachte Benz seinen ersten vierrädrigen K. (»Benz Victoria«) mit Achsschenkellenkung heraus.
Die rasche Weiterentwicklung des K. war gekennzeichnet durch die Erfindung des Luftreifens von J. B. Dunlop (1888), des Spritzdüsenvergasers von W. Maybach (1893), die Einführung der Kraftübertragung mittels Kardanwelle durch die Brüder L. und F. Renault (1899 patentiert) sowie durch die Entwicklung der Kerzenzündung durch R. Bosch (1902). 1900/01 baute Maybach in der »Daimler-Motoren-Ges.« einen Wagen, den »Mercedes« (vier Zylinder, 35 PS, 72 km/h Geschwindigkeit), der als der erste moderne K. bezeichnet werden kann. In den USA wurde seit 1908 durch H. Ford der K. zur Massenware (Modell T [»Tin Lizzie«], von dem in 19 Jahren über 15 Mio. Exemplare gebaut wurden). 1912 wurde das von H. Föttinger entwickelte hydrodynam. Getriebe (Druckmittelgetriebe) erstmals in einen K. eingebaut. 1913 begann H. Ford mit der Fließbandfertigung im K.-Bau. Die erste hydraul. Bremse wurde 1914 entwickelt (von M. Lockheed), die erste Scheibenbremse 1939 (von H. Klaue) und der erste Gürtelreifen waren 1948 gebrauchsreif. 1964 ging der erste K. mit dem von F. Wankel entwickelten Kreiskolbenmotor in Serienproduktion. Die ersten K. mit elektron. Benzineinspritzung wurden 1967 vorgestellt; 1973 wurde eine mechanisch gesteuerte Variante mit kontinuierl. Einspritzung und eine elektronisch gesteuerte mit intermittierender Benzineinspritzung entwickelt. Der serienmäßige Einbau von Katalysatoren erfolgt seit 1984. Für Diesel-K. wurden seit Mitte der 1980er-Jahre versch. Rußfiltersysteme entwickelt. Schwerpunkte der heutigen Entwicklung sind alternative Antriebe wie Brennstoffzellen, Elektro- und Hybridantriebe sowie bes. sparsame K., z. B. bei Personen-K. das Drei-Liter-Auto, das nur noch drei Liter Brennstoff auf 100 km verbrauchen soll.
Literatur:
O. von Fersen, Ein Jahrhundert Automobiltechnik, hg. v. 2 Bde. Düsseldorf 1987-93; teilw. Neuausg.
Seiffert, U. u. Walzer, P.: Automobiltechnik der Zukunft. Düsseldorf 1989.
Die Chronik des Automobils, hg. v. H.-O. Neubauer. Gütersloh u. a. 1994.
Kraftfahrtechn. Taschenbuch, Redaktion: H. Bauer. Düsseldorf 221995.
Geschichte des Automobils, bearb. v. M. Matteucci u. a. Künzelsau 1995.
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