Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Komödie
Komödi|e[grch. kōmōdía »Gesang bei einem frohen Gelage«] die, neben der Tragödie die wichtigste Gattung des europ. Dramas. Die K. entstand aus dem Zusammenwirken verbaler Komik und vorliterarischer mimet. Spieltraditionen (Pantomime, Tanz).Geschichte: K. sind seit 486 v. Chr. in Athen als Teil der staatl. Dionysosfeiern bezeugt. Berühmt wurden die polem. K. des Aristophanes, der die Missstände seiner Zeit kritisierte. Die mittlere und neue attische K. wurde dagegen allmählich zur Konversations-K. (Menander). Die röm. K. blieb weitgehend an der neuen attischen K. orientiert (Livius Andronicus, Plautus, Terenz). Im europ. MA. war die antike K.-Tradition (bis auf Terenz) unterbrochen; stattdessen entwickelten die nat. Kulturen volkstüml. K.-Traditionen wie die frz. Sottien, die niederländ. Kluchten und die dt. Fastnachtsspiele. Die italien. Renaissance belebte am Ende des 15. Jh. wieder die antike Tradition; ihre Form wurde von der Renaissancepoetik fixiert, der zufolge für die K. neben der Akteinteilung die Befolgung der drei Einheiten (Drama), der Ständeklausel und der Genera dicendi (niederer, mittlerer und hoher Stil) verbindlich wurden. Daneben entwickelte sich in der Commedia dell'Arte die volkstüml. Stegreiftradition weiter. Die Rezeption der Renaissance-K. verlief bis zum 18. Jh. in den einzelnen Nationalstaaten unterschiedlich: In England entstand als neuer Typ die romant. K., die bei Shakespeare ihren Höhepunkt fand, daneben die in antiker Tradition stehende Comedy of Humours (eine Art Typen-K., die menschl. Schwächen satirisch bloßstellt, Verfasser u. a. B. Jonson) und die die gesellschaftl. Sitten der neu entstehenden Bürgerschicht kommentierende und karikierende Comedy of Manners (J. Dryden u. a.). In Spanien entwickelte sich aufgrund der religionspolit. Situation (Gegenreformation) das unpolitisch-unsatir. Mantel- und Degenstück (Lope de Vega, P. Calderón de la Barca u. a.). Frankreich stand unter italien. und span. Einfluss, wobei der Typus der Charakter-K. verfeinert wurde (Molière). Erst im 18. Jh., im Gefolge der Aufklärung, erfuhr die K. eine gesamteurop. Ausprägung und nahm Züge einer bürgerlichen didakt. Tugendlehre an. In Dtl. wurden die frz. und engl. Vorbilder diskutiert und mit G. E. Lessings »Minna von Barnhelm« (1767) die erste bedeutende dt. K. geschaffen; ähnlich bed. waren nur noch H. von Kleist, F. Raimund und J. N. Nestroy. Im 19. Jh. wurde die Konversations-K. wieder beliebt, bes. in Österreich, gleichzeitig entwickelte sich die soziale K. (Junges Deutschland; N. Gogol, A. N. Ostrowski, A. P. Tschechow; G. Hauptmann, C. Zuckmayer) bis zur Tragi-K. ( C. Sternheim, F. Wedekind). In der Gegenwart zeigt die K. v. a. die absurde, groteske Widerspiegelung der Wirklichkeit (A. Jarry, S. Beckett, H. Pinter, A. L. Kopit, E. Ionesco, J. Audiberti, F. Dürrenmatt), andererseits entstand das fantast., existenzielle oder philosoph. Problemstück (E. Rostand, L. Pirandello, F. García Lorca, J. Giraudoux, J. Anouilh, W. B. Yeats). Die polit. K. entstand in Russland um 1920 (W. P. Katajew, M. A. Bulgakow, W. W. Majakowski), in den USA ist sie u. a. mit G. S. Kaufman, in Großbritannien mit P. Ustinov, H. Brenton repräsentiert; in Dtl. vertritt u. a. R. Hochhuth diesen Typus. Die Funktion der K. wird in der Gegenwart immer mehr vom Konversationsstück übernommen.
Literatur:
Prang, H.: Geschichte des Lustspiels von der Antike bis zur Gegenwart. Stuttgart 1968.
Die röm. K.: Plautus u. Terenz, hg. v. E. Lefèvre. Darmstadt 1973.
Die dt. K. vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. W. Hinck. Düsseldorf 1977.
Zwischen Satire u. Utopie. Zur Komiktheorie u. zur Geschichte der europ. K., bearb. v. R. Grimm u. W. Hinck. Frankfurt am Main 1982.
Greiner, B.: Die K. Eine theatral. Sendung: Grundlagen u. Interpretationen. Tübingen 1992.
Dt. Komödien vom Barock bis zur Gegenwart, hg. v. W. Freund. München 21995.
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