Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kommunistische Partei der Sowjetunion
Kommunịstische Partei der Sowjẹtunion,Abk. KPdSU, 1917/18-91 Staats- und Reg.partei in Sowjetrussland bzw. der UdSSR; hervorgegangen aus der 1898 gegründeten Sozialdemokrat. Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), die sich 1903 in Menschewiki und die von Lenin geführten Bolschewiki (B) spaltete. Letztere konstituierten sich 1912 formell als selbstständige Partei unter der Bez. SDAPR (B). In der Oktoberrevolution 1917 übernahmen die Bolschewiki nach einem bewaffneten Aufstand die Macht, die sie nach Ausschaltung ihrer Bündnispartner (linke Sozialrevolutionäre) ab März 1918 allein innehatten und in einem blutigen Bürgerkrieg sowie im Kampf gegen eine ausländ. Intervention (1918-21) behaupten konnten. Innenpolit. Gegner wurden in den folgenden Jahren auch mit terrorist. Mitteln ausgeschaltet. 1918 nannte sich die Partei in Kommunist. Partei Russlands, KPR (B), um. Nach dem Tode Lenins (1924) gelang es Stalin, der bereits seit 1922 Gen.-Sekr. war, seine innerparteil. Rivalen L. D. Trotzki, L. B. Kamenew, G. J. Sinowjew und N. I. Bucharin nach und nach auszuschalten und später zu liquidieren (Schauprozesse und Hinrichtungen). Die alte Führungsschicht der - 1925 in KPdSU (B) umbenannten - Partei wurde in der »Großen Säuberung« (1935-39; Tschistka) durch Stalin stark dezimiert. Unter ihm wurde die KPdSU (B) zum Instrument seiner persönl. Diktatur (Stalinismus). Das von Lenin entwickelte Prinzip des demokrat. Zentralismus und der Grundsatz der kollektiven Führung waren außer Kraft gesetzt. Nach Stalins Tod (1953) verurteilte der 20. Parteitag 1956 unter dem neuen Ersten Sekr. N. S. Chruschtschow die Herrschaftsmethoden Stalins ebenso wie den Kult um seine Person (Entstalinisierung), die Parteiführung leitete eine Kurskorrektur ein. Die KPdSU (1952 Streichung des Zusatzes »B«) wurde wieder der eigentl. polit. Machtträger. Die von Chruschtschow gegenüber dem Westen verfolgte Politik der »friedl. Koexistenz« führte zum polit. Bruch mit der KP Chinas und zu einer rd. drei Jahrzehnte währenden Rivalität innerhalb der kommunist. Weltbewegung. Nach Chruschtschows Sturz 1964 wurde eine kollektive Leitung eingeführt, in der jedoch L. I. Breschnew (bis 1982) eine große Machtfülle auf seine Person vereinigen konnte. Seine Nachfolger waren J. W. Andropow (1982-84) und K. U. Tschernenko (1984-85).Ohne die polit. Führungsrolle der KPdSU infrage zu stellen, leiteten Reformkräfte um Gen.-Sekr. M. S. Gorbatschow (seit 1985) mit der Politik von »Glasnost« und »Perestroika« in der 2. Hälfte der 1980er-Jahre einen grundlegenden staatlich-gesellschaftl. Umbau ein, der auch die Partei erfasste. Eine immer größer werdende wirtsch. Misere, das Aufbrechen jahrzehntelang aufgestauter Nationalitätenkonflikte, das Autonomiestreben bes. der balt. Staaten und Verselbstständigungstendenzen nat. Parteiorganisationen (z. B. in Litauen) riefen eine tiefe innenpolit. Krise hervor und bewirkten zunehmende Kritik der Radikalreformer wie auch orth. Kräfte in der KPdSU am polit. Kurs Gorbatschows. Gegen starken innerparteil. Widerstand setzte dieser im Febr. 1990 den Verzicht auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Machtmonopol der KPdSU durch. Der Prestige- und Machtverlust der KPdSU äußerte sich in einem starken Rückgang der Mitgl. der KPdSU.
Um dem Zerfall der KPdSU entgegenzuwirken, unterbreitete Gorbatschow 1991 den Entwurf eines neuen Parteiprogramms, der sich an Prinzipien der Sozialdemokratie orientierte und die Umwandlung der KPdSU von einer »Partei der Arbeiterklasse« in eine Partei »aller arbeitenden Menschen« vorsah. Dennoch kam es zu organisator. Abspaltungen von der KPdSU (u. a. Gründung der »Demokrat. Partei der Kommunisten Russlands«).
Nach dem gescheiterten Putschversuch orthodoxer kommunist. Partei- und Staatsfunktionäre im Aug. 1991 wurde die Tätigkeit der KPdSU auf dem gesamten Staatsgebiet der UdSSR untersagt und ihr Vermögen in Staatseigentum übergeführt. Gorbatschow trat am 24. 8. 1991 als Gen.-Sekr. zurück. In einer Reihe von Unionsrepubliken, die zumeist bereits ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, wurden die bisher der KPdSU eingegliederten nat. KP-Organisationen verboten (u. a. Ukraine, Georgien, Russland), in anderen formierten sie sich unter neuem Namen (Usbekistan) oder lösten sich selbst auf (z. B. in Aserbaidschan). Im Sept. 1991 erfolgte auch die Selbstauflösung des kommunist. Jugendverbandes Komsomol. Nach einem Prozess um das von Präs. B. N. Jelzin erlassene Verbot der KPdSU und der KP Russlands entschied das russ. Verfassungsgericht im Nov. 1992, dass zwar das Verbot der Führungsstrukturen verfassungskonform sei, nicht aber das der Grundorganisationen. Daraufhin begannen sich die russ. KP-Nachfolgeorganisationen neu zu formieren. 1993 konstituierte sich unter Führung von G. A. Sjuganow die Kommunist. Partei der Russ. Föderation (KPRF), die bei den Parlamentswahlen von 1995 stärkste Partei wurde.
Literatur:
H.-J. Torke. Histor. Lexikon der Sowjetunion 1917/22 bis 1991, hg. v. München 1993.
Simon, G. u. Simon, N.: Verfall u. Untergang des sowjet. Imperiums. München 1993.
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