Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kleist
Kleist,pommersches Adelsgeschlecht, 1263 erstmals genannt.
1) Ewald von, Generalfeldmarschall (seit 1943), * Braunfels 8. 8. 1881, ✝ Lager Wladimirowka (UdSSR) Okt. 1954; im Zweiten Weltkrieg 1939-42 Oberbefehlshaber einer Panzerarmee (1940 Durchbruch zum Kanal bei Abbeville; 1942 Vorstoß zum Kaukasus), 1942-44 der Heeresgruppe A (S-Ukraine), wurde 1944 von Hitler seines Kommandos enthoben. Als brit. Kriegsgefangener wurde K. 1946 an Jugoslawien, von dort 1948 an die UdSSR ausgeliefert.
2) Ewald Christian von, Dichter, * Zeblin (bei Köslin) 7. 3. 1715, ✝ Frankfurt (Oder) 24. 8. 1759; wurde 1736 dän. Offizier, ab 1740 in preuß. Diensten; in Leipzig schloss er Freundschaft mit G. E. Lessing; er ist der Adressat von Lessings »Briefen, die neueste Literatur betreffend« und Vorbild für die Figur des Tellheim in Lessings »Minna von Barnhelm«. K. verfasste unter dem Einfluss F. G. Klopstocks die bukol. Idylle »Der Frühling« (1749), daneben Oden, vaterländ. Gedichte und Versepik.
3) Friedrich, Graf K. von Nollendorf (seit 1814), preuß. Generalfeldmarschall, * Berlin 9. 4. 1762, ✝ ebd. 17. 2. 1823; zeichnete sich in den Befreiungskriegen aus (v. a. Herbstfeldzug 1813), vereitelte bei Kulm und Nollendorf den frz. Ausbruchsversuch.
4) Heinrich von, Schriftsteller, * Frankfurt (Oder) 18. 10. 1777 (nach eigener Angabe 10. 10.), ✝ Berlin 21. 11. 1811; Sohn eines preuß. Hauptmanns; quittierte 1799 den Dienst in der preuß. Armee und begann ein Philosophiestudium (v. a. Kant). Arbeit an den Trauerspielen »Familie Schroffenstein« (erschienen 1803) und »Robert Guiskard. Herzog der Normänner« (als Fragment in der Ztschr. »Phoebus« 1808 erschienen); in Dresden Bekanntschaft mit dem Satiriker J. D. Falk, der K. zu dem Lustspiel »Amphitryon« (1807) anregte; gleichzeitig Beginn der Arbeit am Lustspiel »Der zerbrochene Krug« (aufgeführt 1808, erschienen 1811). 1807 wurde er in Berlin als Spion von den Franzosen verhaftet und sechs Monate inhaftiert; danach ging er nach Dresden, redigierte den einzigen Jahrgang der Ztschr. »Phoebus« und arbeitete u. a. an den Dramen »Penthesilea« und »Käthchen von Heilbronn« (erschienen 1820) sowie an den Erzählungen »Michael Kohlhaas«, »Die Marquise von O. ...«. Das Drama »Penthesilea« (1808) wurde vom Publikum abgelehnt; auch die Aufführung des Lustspiels »Der zerbrochene Krug« im gleichen Jahr wurde ein Misserfolg. Danach wandte sich K. politisch-historisierenden Stoffen zu und schrieb das Tendenzdrama »Die Hermannsschlacht« (gedruckt 1821). Nachdem er sich kurze Zeit in Prag aufgehalten hatte, kehrte er 1809 nach Berlin zurück und gab dort 1810/11 die »Berliner Abendblätter« heraus. Ebenfalls 1810/11 erschienen in 2 Bänden seine Erzählungen. Nachdem ihm sein letztes Drama »Prinz Friedrich von Homburg« (1811; gedruckt 1821) nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte, schied er zus. mit der befreundeten Henriette Vogel (* 1773) am Morgen des 21. 11. 1811 am Ufer des Kleinen Wannsees freiwillig aus dem Leben. Mit L. Tiecks Herausgabe der »Hinterlassenen Schriften« (1821) begann das Verständnis für die überragende Gestaltungskraft des Dichters. Seine extremen Situationen ausgesetzten Figuren treffen ihre Entscheidungen allein nach ihrem innersten Gefühl, ohne Rücksicht auf die Gesellschaft: Die populärste, Michael Kohlhaas, wird aufgrund des kompromisslosen Rechtsgefühls zum Räuber und Rebellen. Mit K. gewann die dt. Novelle ihren konzentriert-dramat. Charakter. K.s Dichtung ist keiner literar. Schule zuzurechnen, sie weist auf die Moderne voraus und nimmt, v. a. durch die spannungsreiche Sprache, in manchem den Expressionismus vorweg.
Ausgaben:Sämtliche Werke u. Briefe, hg. v. I.-M. Barth u. a., 4 Bde. Frankfurt am Main 1987-97. Sämtliche Werke u. Briefe, hg. v. S. Streller, 4 Bde. Berlin 41995.
Literatur:
G. Neumann. H. v. K., hg. v. Freiburg im Breisgau 1994.
Hohoff, C.: H. H. v. K. Reinbek 171.-172. Tsd. 1997.
Staengle, P.: H. v. K. München 1998.
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