Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kinderarbeit
Kinder|arbeit, i. e. S. die im Einklang mit gesetzl. Schutzbestimmungen erfolgende Erwerbstätigkeit von Kindern und Jugendlichen (Jugendschutz), i. w. S. die darüber hinaus erfolgende, d. h. illegale Beschäftigung von Kindern. Rechtl. Bestimmungen zur K. auf internat. Ebene wurden von der Internat. Arbeitsorganisation (IAO) erarbeitet. Das IAO-Übereinkommen von 1973 bestimmt, dass das Mindestalter für eine Arbeitsaufnahme nicht unter demjenigen liegen darf, in dem die Schulpflicht endet; auf keinen Fall unter 15 Jahren (Ausnahme landwirtsch. Familienbetriebe). Nach einer Richtlinie der EG von 1993, 1994 in nat. dt. Recht umgesetzt, ist die reine Erwerbstätigkeit Jugendlicher grundsätzlich verboten. Nach einer Studie der Univ. Münster (1993) leisten in Dtl. etwa 40 % der Jugendlichen zw. 13 und 15 Jahren K., die Hälfte arbeitet länger als zulässig bzw. übt verbotene Tätigkeiten aus.Geschichte: Im MA hatten Kinder, soweit sie als arbeitsfähig galten, Hand- und Frondienste wie ihre Eltern zu leisten. In den Manufakturen, nunmehr getrennt von ihren Familien, wurden K. in großem Umfang eingesetzt. In der Industrie nutzte man die große Fingerfertigkeit von K. (z. B. in Spinnereien) oder setzte sie bedenkenlos schwerster Arbeit aus. Mit Blick auf die Volksgesundheit und die Rekrutierbarkeit für die Armeen setzte sich im 19. Jh. das Verbot der K. durch, in Preußen 1839 erstmals zur Beseitigung ihrer gravierendsten Auswirkungen (Verbot der K. für Kinder bis zum 9. Lebensjahr, 10-Stunden-Tag für Kinder ab dem 9. Lebensjahr). Da K. für den Lebensunterhalt vieler Familien notwendig war, wurden Verbote oft umgangen. Erst 1903 wurde im Kinderschutz-Ges. der Arbeitsschutz auf alle gewerbl. Betriebe ausgedehnt.Entwicklungsländer: Gravierend ist das Problem der K. in armen und ärmsten Ländern. Nach Schätzungen der IAO verrichten jährlich weltweit 200 Mio. heranwachsende K., davon etwa 20 Mio. als »Kindersklaven«, die von Unternehmen gezwungen werden, ohne Lohn zu arbeiten, um die Schulden ihrer Eltern zu tilgen. Einen Schwerpunkt der K. bildet die Teppichknüpferei; zur Bekämpfung illegaler K. in diesem Bereich sind Gütesiegel geschaffen worden, die das Produkt als frei von illegaler K. ausweisen sollen. In letzter Zeit wächst auch die Einsicht in die Notwendigkeit der Bekämpfung der Kinderprostitution.
Literatur:
Große-Oetringhaus, H.-M.u. Nuscheler, F.: Kinderhände. K. in der Dritten Welt. Baden-Baden 1988.
Trube-Becker, E.: Mißbrauchte Kinder. Sexuelle Gewalt u. wirtschaftl. Ausbeutung. Heidelberg 1992.
K. Probleme, polit. Ansätze, Projekte, hg. v. R. Bruning u. B. Sommer. Neuausg. Unkel 1993.
Verkaufte Kindheit. K. für den Weltmarkt, hg. v. H.-M. Große-Oetringhaus u. P. Strack. Münster 1995.
Zum Beispiel K., Redaktion: U. Pollmann. Göttingen 21995.
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