Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kasachstan
Kasachstạn Fläche: 2 717 300 km2
Einwohner: (1997) 16,86 Mio.
Hauptstadt: Astana
Verwaltungsgliederung: 19 Gebiete
Amtssprache: Kasachisch
Nationalfeiertag: 25. 10. und 16. 12.
Währung: 1 Tenge (T) = 100 Tiin
Zeitzone: MEZ + 3 Std.
(Kasachien, kasach. Qazaqstan, amtlich Qazaqstan Respublikasy), Staat in Mittelasien, grenzt im NW, N und NO an Russland, im SO an China, im S an Kirgistan, Usbekistan und Turkmenistan und im W an das Kasp. Meer.
Staat und Recht: Seit In-Kraft-Treten der neuen Verf. am 5. 9. 1995 ist K. eine souveräne, demokrat. Präsidialrep. mit Mehrparteiensystem. Staatsoberhaupt ist der auf fünf Jahre direkt gewählte Präs. Er bestimmt die Richtlinien der Politik und ernennt den MinPräs. sowie auf dessen Vorschlag die übrigen Mitgl. des Kabinetts. Das Zweikammerparlament besteht aus dem Măžilis, dessen 67 Abg. nach dem System der absoluten Mehrheitswahl mit eventuell folgender Stichwahl in Einzelwahlkreisen gewählt werden, und dem Senat, in den die 19 regionalen Gebietseinheiten je zwei mittelbar gewählte Senatoren und der Präs. sieben Senatoren entsenden. Wichtigste Parteien sind die Partei der Volkseintracht, Sozialist. Partei (Nachfolgeorganisation der Kommunist. Partei), der Volkskongress und die Republikan. Partei - Azat.
Landesnatur: K. vermittelt zw. Europa und Asien: Es erstreckt sich vom Tiefland der unteren Wolga und dem Kasp. Meer im W über 3 000 km bis zum Altai im O und vom Westsibir. Tiefland im N über 1 700 km bis zum Aralsee, zur Kysylkum und zum Tienschan im S. Es besteht überwiegend aus Ebenen (im W die Kasp. Senke [bis 132 m u. M.], im SW das Tiefland von Turan) und niedrigen Plateaus (im SW das Ust-Urt-Plateau, im N das Tafelland von Turgai mit der Turgaisenke); größere Höhen erreichen im NW die Mugodscharberge (657 m ü. M.), im zentralen Teil die Kasach. Schwelle (1 566 m ü. M.) und die Nördl. Hungersteppe. Im O und SO erstrecken sich bis 4 973 m ü. M. aufragende Hochgebirgsketten (Tienschan u. a.). Neben Kasp. Meer und Aralsee sind im S Balchasch- und Saissansee wichtige Binnengewässer. Das Klima ist extrem kontinental und trocken. Auf kalte schneearme Winter (Januarmittel im N —18 ºC, im S —3 ºC) folgen nach kurzem Frühjahr lange, heiße und trockene Sommer (Julimittel im N 19 ºC, im S 28-30 ºC). Die jährl. Niederschlagsmengen nehmen von N nach S von 400 mm auf weniger als 100 mm ab, in den Hochgebirgen steigen sie bis über 1 000 mm an. Starke Winde in den Steppen und Wüsten führen zu beträchtl. Bodenerosion. An die Waldsteppe im äußersten N schließt sich südlich die echte Steppenzone an, die etwa ein Drittel der Fläche bedeckt. Sie geht im S in Halbwüste und in die Wüstenzone über, die die größte Fläche von K. einnimmt.
Bevölkerung: Die Bev. setzte sich 1995 aus Kasachen (48 %), Russen (33 %), Ukrainern (5,1 %), Deutschen (3,6 %), Usbeken (2,2 %), Tataren (2,0 %) u. a. Nationalitäten zusammen. Die Zahl der Deutschen nahm, nachdem viele Spätaussiedler nach Dtl. gezogen sind, stark ab. Am dichtesten besiedelt sind die landwirtsch. genutzten Steppengebiete im N, die industriell geprägten Gebiete Tschimkent, Karaganda, Atyrau (Erdöl) und die Bewässerungsgebiete in der südl. Vorgebirgszone. 60 % der Bewohner leben in Städten. Die Kasachen, Tataren, Uiguren u. a. turksprachige Völker gehören dem Islam, die Russen der russisch-orth., die Deutschen der evang.-luth. und die Ukrainer der orth.-ukrain. oder römisch-kath. Kirche an. Es besteht eine zehnjährige Grundschulpflicht. K. verfügt über 32 Hochschulen (einschl. der Univ. in Almaty und Karaganda). Die Kasach. Akademie der Wiss. wurde 1946 gegründet.
Wirtschaft, Verkehr: Nach der polit. und ökonom. Unabhängigkeit von der zentralistisch geleiteten Planwirtschaft in Moskau, die K. überwiegend zum Rohstofflieferanten gemacht hatte, begann 1991 die Entwicklung einer marktwirtsch. orientierten Planwirtschaft; jedoch schreitet die Privatisierung nur langsam voran. Knapp ein Viertel der Beschäftigten ist in der Landwirtschaft tätig. Da über die Hälfte der Gesamtfläche Wüsten und Halbwüsten sind, beträgt die landwirtsch. Nutzfläche auch nur ein Viertel der Landesfläche. Die Viehhaltung erbringt 60 % der landwirtsch. Bruttoproduktion. Im gesamten Wüstensteppenbereich dominiert die Zucht von Schafen, Kamelen und Ziegen, im N werden außerdem Rinder, Schweine, Pferde und Geflügel gehalten. Der Schwerpunkt des Ackerbaus liegt beim Weizenanbau (1954-60 extensive Erweiterung der Anbaufläche durch Neulanderschließung). Daneben ist der Anbau von Futterpflanzen, Sonnenblumen, Zuckerrüben, Baumwolle, Tabak, Gemüse und Flachs bedeutsam. Durch ungeeignete Landbewässerung entstanden große Umweltschäden (Aralsee), die Kernwaffentests bei Semipalatinsk führten zur Verseuchung weiter Landstriche. Knapp ein Drittel der Beschäftigten ist in der Ind. tätig. K. ist reich an Bodenschätzen (Abbau von Kohle, Erdöl, Erdgas, Kupfer-, Zinn-, Blei-, Zink-, Eisenerzen, Bauxit, Gold, Silber, Phosphoriten u. a.), auf ihrer Grundlage entwickelte sich nach 1940 eine umfangreiche Schwerind. (Eisen- und Buntmetallerzverhüttung, Aluminiumwerk, Land-, Schwermaschinenbau, Rüstungsind., Erdölverarbeitung, chem. Ind.). Etwa vier Fünftel der Elektroenergie werden in Wärmekraftwerken erzeugt; am Irtysch, Syrdarja und Ili entstanden Wasserkraftwerke. Traditionelle Branchen sind die Nahrungssmittel-, Textil- und Lederind., jedoch ist die Konsumgüterind. noch unzureichend entwickelt. - Ausgeführt werden v. a. Buntmetalle, Eisen, Düngemittel, Getreide, Fleisch, Wolle und Häute; wichtigste Handelspartner sind Russland und die mittelasiat. Republiken. - Das Eisenbahnnetz hat eine Länge von 14 400 km; von den rd. 115 000 km Straßen haben 87 900 km eine feste Decke. Schifffahrt wird v. a. auf dem Kasp. Meer, Balchaschsee, Ural und Irtysch betrieben. Wichtigster Hafen ist der von Atyrau am Kasp. Meer, bedeutendster internat. Flughafen der von Almaty, im Aufschwung Astana.
Geschichte: Das seit dem Paläolithikum besiedelte Land geriet im 6. Jh. unter die Herrschaft eines Turkvolkes, war im 10. Jh. Bestandteil des Karachanidenreiches und wurde 1219-21 von den Mongolen unter Dschingis Khan erobert. Im 15. Jh. trennten sich die Kasachen von dem nach Zerfall der Goldenen Horde entstandenen usbek. Khanat und bildeten ein eigenes Khanat, das sich in drei Horden gliederte (Kleine Horde im W, Große Horde im O, Mittlere Horde in den dazwischenliegenden Steppengebieten). In der 1. Hälfte des 18. Jh. wurde K. durch Einfälle der Dsungaren (Oiraten) verwüstet; zw. 1731 und Mitte des 19. Jh. unterstellten sich die einzelnen kasach. Gebiete der Oberhoheit Russlands. Ende 1917 proklamierte die von der Stammeselite (Beis, Mullahs) und bürgerl. Nationalisten getragene »Alasch Orda« die Autonomie von K. und kämpfte gegen die Bolschewiki; 1920 wurde die Kirgis. ASSR innerhalb der RSFSR gebildet. Nach den 1924 in Mittelasien vorgenommenen Grenzfestlegungen kamen die Gebiete Syrdarja und Siebenstromland (bis dahin Turkestan. ASSR) zur Kirgis. ASSR, die 1925 in Kasach. ASSR umbenannt wurde. Die 1929 in K. eingeleitete Kollektivierung der Landwirtschaft, die mit der zwangsweisen Sesshaftmachung des nomadisierenden kasach. Volkes verbunden war, stieß auf harten Widerstand und löste (nach Flucht vieler Kasachen mit ihren Herden nach China sowie Viehabschlachtungen) jahrelange schwere Hungersnöte aus. 1936 erhielt K. den Status einer Unionsrep. 1941 kam es zur Zwangsansiedlung von Russlanddeutschen. Unter N. S. Chruschtschow begann 1954 eine groß angelegte Erschließung landwirtsch. Neulandes. Am 25. 10. 1990 erklärte K. seine Souveränität innerhalb der UdSSR. Im Aug. 1991 wurde das Atomtestgelände bei Semipalatinsk geschlossen (ab 1949 mehr als 500 ober- und unterird. Kerntests). Unter Staatspräs. N. Nasarbajew (seit 1990 im Amt, 1995 durch ein Plebiszit und 1999 durch Wahl bestätigt) proklamierte K. am 16. 12. 1991 seine Unabhängigkeit.
Am 21. 12. 1991 schloss sich K. der GUS an und unterstellte die auf seinem Territorium befindl. Atomwaffen einem gemeinschaftl. Oberkommando. In einem Freundschafts- und Sicherheitsvertrag erkannten Russland und K. 1992 gegenseitig ihre Souveränität und territoriale Integrität an. K. ratifizierte 1992 den START-Vertrag und 1993 den Kernwaffensperrvertrag. 1994 schloss es sich der NATO-Initiative »Partnerschaft für den Frieden« an. Grenzprobleme mit China konnten durch einen Vertrag (1994) bereinigt werden; die Situation der v. a. in Sinkiang lebenden Kasachen blieb jedoch ungeklärt. Territoriale Spannungen mit Kirgistan wurden spätestens mit der zw. diesem, Russland, Weißrussland und K. am 29. 3. 1996 vereinbarten »Gemeinschaft Integrierter Staaten« entschärft. Im Dez. 1997 zogen Staatspräs., Reg. und Parlament von Almaty nach Akmola um, das als neue Hauptstadt 1998 in Astana (kasach. »Hauptstadt«) umbenannt wurde.
Literatur:
Statist. Bundesamt. Länderbericht K. hg. v. Stuttgart 1995.
Benner, K.: Der Vielvölkerstaat K. Ethn. Heterogenität in friedl. Koexistenz? Hamburg 1996.
Götz, R. u. Halbach, U.: Polit. Lexikon GUS. München 31996.
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