Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kapitalismus
Kapitalịsmusder, Wirtschaftsform, die durch Privateigentum an Produktionsmitteln und Steuerung des Wirtschaftsgeschehens über den Markt bei Maximierung des Gewinns gekennzeichnet ist.Für K. Marx, der den Begriff K. in seiner Bedeutung prägte, ist der K. in gesetzmäßiger histor. Abfolge die Produktionsweise zw. Feudalismus und Sozialismus/Kommunismus. Der von feudalen Fesseln (Leibeigenschaft) und vom Eigentum an Produktionsmitteln »freie« Lohnarbeiter ist in der Lage und gezwungen, dem Eigentümer der Produktionsmittel, dem Kapitalisten, seine Arbeitskraft zu verkaufen. Der Tauschwert der Ware Arbeitskraft liegt dabei niedriger als die im Produktionsprozess erzeugten Werte. Den so erzeugten Mehrwert eignen sich die einzelnen Kapitalisten als Profit (bzw. als Zins oder Rente) an. Gemäß dem Gesetz der Konkurrenz muss der größte Teil davon akkumuliert, also zur Erweiterung der Produktion eingesetzt werden. Daraus erklärt Marx sowohl die Entfesselung der Produktivkräfte in der industriellen Revolution als auch die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft in die Klassen der Kapitalisten und der Lohnarbeiter. Nach Marx verschärft sich der den K. kennzeichnende Grundwiderspruch zw. gesellschaftl. Produktion und privater Aneignung der Ergebnisse der Produktion bis zu seiner revolutionären Aufhebung im Sozialismus/Kommunismus, in dem dann auch die Entfremdung aufgehoben sei, die sich im K. dadurch ergebe, dass das Verhältnis zw. den Menschen durch Sachen bestimmt sei. Das Ausbleiben der sozialist. Revolution wurde in der marxist. Theorie v. a. mit dem Wirken des Staates erklärt, der durch sein Handeln die ökonom. Gesetze des K. modifiziere.Außerhalb des Marxismus wird der K. unterschiedlich definiert: Nach W. Sombart wird er durch Erwerbsprinzip, Rationalität und Individualismus bestimmt, nach M. Weber durch rationale Arbeitsorganisation zur Gewinnerzielung auf Basis eines formalisierten Rechnungskalküls, nach J. A. Schumpeter durch die Dominanz des freien Unternehmertums. - Verbreitung fand Sombarts Periodisierung: Früh-K. (im Wesentlichen die Zeit des Merkantilismus), Hoch-K. (klass. Konkurrenz-K., entstanden im 18. Jh. im Zuge der industriellen Revolution) und Spät-K. (entstanden v. a. nach dem Ersten Weltkrieg und gekennzeichnet durch wachsende Kapitalkonzentration sowie zunehmende Eingriffe des Staates in das wirtsch. Geschehen). Die Vertreter der v. a. von W. Eucken entwickelten Ordnungstheorie halten den Begriff K. für entbehrlich und bestehen auf dem Begriff der Marktwirtschaft zur Charakterisierung einer dezentral geplanten Wirtschaft im Ggs. zur Planwirtschaft bzw. Zentralverwaltungswirtschaft.Die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen in den Industriestaaten Nordamerikas und des westl. Europa knüpfen an die Elemente des K. an, bemühen sich jedoch, die Funktionsprobleme des K. und ihre negativen Auswirkungen zu beheben, ohne die Vorteile des kapitalist. Modells (z. B. mit Massenwohlstand verbundenes wirtschaftl. Wachstum) grundsätzlich in Frage zu stellen (»sozial gebändigter K.«, soziale Marktwirtschaft). Eine staatl. Sozialpolitik (z. B. soziale Sicherungssysteme) sowie Konzepte zur Überwindung des Gegensatzes von Kapital und Arbeit (z. B. Tarifautonomie, Mitbestimmung, Sozialpflichtigkeit des Eigentums), zur Bekämpfung von Konjunkturschwankungen mit Arbeitslosigkeit und Inflation (Stabilitätspolitik) und zur Überwindung ungerechter Einkommens- und Vermögensverteilung (Steuerpolitik, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand) förderten den Prozess einer weitgehenden Integration der Lohnabhängigen in den von der Marktwirtschaft bestimmten Gesellschaften der entwickelten Industriestaaten der westl. Welt.
▣ Literatur:
Sombart, W.: Der moderne K., 3 Bde. in 6 Tlen. München u. a. 1-21916-27, Nachdr. München 1987.
⃟ Weber, M.: Wirtschaft u. Gesellschaft. Neuausg. Tübingen 1990.
⃟ Martin, P. C.: Der K. Neuausg. Frankfurt am Main u. a. 1990.
⃟ Kromphardt, J.: Konzeptionen u. Analysen des K. von seiner Entstehung bis zur Gegenwart. Göttingen 31991.
⃟ Schumpeter, J. A.: K., Sozialismus u. Demokratie. A. d. Engl. Tübingen u. a. 71993.
⃟ Heilbroner, R.: K. im 21. Jh. A. d. Amerikan. München u. a. 1994.
▣ Literatur:
Sombart, W.: Der moderne K., 3 Bde. in 6 Tlen. München u. a. 1-21916-27, Nachdr. München 1987.
⃟ Weber, M.: Wirtschaft u. Gesellschaft. Neuausg. Tübingen 1990.
⃟ Martin, P. C.: Der K. Neuausg. Frankfurt am Main u. a. 1990.
⃟ Kromphardt, J.: Konzeptionen u. Analysen des K. von seiner Entstehung bis zur Gegenwart. Göttingen 31991.
⃟ Schumpeter, J. A.: K., Sozialismus u. Demokratie. A. d. Engl. Tübingen u. a. 71993.
⃟ Heilbroner, R.: K. im 21. Jh. A. d. Amerikan. München u. a. 1994.