Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Kanada
Kạnada⃟ Fläche: 9 970 610 km2
Einwohner: (1996) 30,283 Mio.
Hauptstadt: Ottawa
Verwaltungsgliederung: 10 Provinzen und 3 Territorien
Amtssprachen: Englisch und Französisch
Nationalfeiertag: 1. 7.
Währung: 1 Kanadischer Dollar (kan$) = 100 Cents (c)
Zeitzone: MEZ (von O nach W) — 4,5 bis — 9 Std.
(amtlich engl. und frz. Canada), Bundesstaat in Nordamerika, grenzt im O an den Atlantik, im S und NW (Alaska) an die USA, im W an den Pazifik, der Kanadisch-Arkt. Archipel liegt im Nordpolarmeer.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1982 ist K. eine bundesstaatlich geordnete parlamentar. Monarchie im Commonwealth. Staatsoberhaupt ist der brit. Monarch, vertreten durch den auf Vorschlag der kanad. Reg. ernannten Generalgouverneur. Die Exekutive wird von der Reg. unter Vorsitz des Premiermin. wahrgenommen, die dem Unterhaus verantwortlich ist. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus Senat (104 ernannte Vertreter der Provinzen) und Unterhaus (301 Abg., für fünf Jahre gewählt). Die Prov. verfügen über eigene Verf. sowie Legislativ- und Exekutivorgane. - Wichtigste Parteien sind Liberale Partei (LP), Reformpartei (RP), Fortschrittl. Konservative Partei (PCP), Quebec-Block (BQ) und Neue Demokrat. Partei (NDP).
Landesnatur: K. umfasst den N des nordamerikan. Kontinents (außer Alaska). Fast die Hälfte des Landes wird vom Kanadischen Schild eingenommen, der SO von den hügeligen Ausläufern der Appalachen. Die Ebenen am Sankt-Lorenz-Strom und im Gebiet der Großen Seen sind Teil der Inneren Ebenen (Interior Plains) Nordamerikas. Westlich des Kanad. Schilds erstreckt sich das Prärietafelland der Great Plains, das in weiträumigen Stufen von 300 m ü. M. im O bis zur Vorgebirgszone der Rocky Mountains im W auf 1 500 m ü. M. ansteigt. Der W des Landes wird vom kanad. Teil der Kordilleren (Rocky Mountains, innere Plateaus, Coast Mountains) eingenommen. Die Ketten erreichen 3 000-4 000 m ü. M., im Mount Logan 5 951 m ü. M.; die Plateaus liegen meist in einer Höhe von 1 000-2 000 m ü. M. Nördlich des kanad. Festlands erstreckt sich der Kanadisch-Arkt. Archipel; im S flach bis 400 m ü. M., im N bis 2 900 m ü. M. aufragend und stark vergletschert. Da 97 % des Landes von Eis bedeckt waren, sind die Oberflächenformen weitgehend eiszeitlich geprägt. Die Großen Seen, an denen K. einen Anteil von 36 % hat, gehören wie der Große Bärensee, der Große Sklavensee und der Winnipegsee zu den größten Seen der Erde. Wichtigste Flüsse sind Nelson River, Churchill River (zur Hudsonbai) und Mackenzie River (zum Nordpolarmeer); überragende Verkehrsbedeutung hat allein der Sankt-Lorenz-Strom. - K. hat überwiegend kontinentales Klima mit langen, kalten Wintern und warmen, im Inneren heißen Sommern. Der Kanadisch-Arkt. Archipel und das nordöstl. Festland liegen in der arkt., der zentrale und westl. N des Landes in der subarkt. Klimaregion. Im SO ist das Klima gemäßigt, im W schützen die Kordilleren die Küstengebiete vor arkt. Kaltlufteinbrüchen. Westwinde bringen hier hohe Niederschläge, im Windschatten der Gebirge herrscht dagegen große Trockenheit. - An die Moos- und Flechtentundra im hohen N schließt sich südlich ein breiter Waldgürtel an (Fichten, Tannen, Lärchen, im Lorenzstromgebiet auch Ulmen, Ahorn u. a.). Östlich der Rocky Mountains grenzt an den Waldgürtel ein breiter Steppengürtel (Prärie), der etwa bis 100º w. L. reicht. An der W-Küste gibt es Wälder mit Zedern, Douglasfichten und Hemlocktannen.
Bevölkerung: Von der zum größten Teil auf Einwanderungen zurückgehenden Bev. entfielen 1991 die höchsten Anteile auf Anglokanadier (rd. 42 %) und Frankokanadier (rd. 25 %). Zunehmend vermischen sich die Anglokanadier mit anderen europ. Gruppen, sodass Letztere relativ abnehmen, z. B. sank der Anteil der Deutschen von (1981) 4,7 % auf rd. (1991) 3 %. Der Anteil der Ethnien aus außereurop. Ländern ist 1991 auf fast 10 % angestiegen. Die 365 400 Indianer leben über ganz Kanada verstreut, die Eskimo (rd. 30 000) bes. im N des Landes. Große Teile des polaren N sind fast unbesiedelt. Die meisten Ew. leben in einem Streifen entlang der Grenze zu den USA, fast 65 % davon im S der Prov. Quebec und Ontario. Ziele der Einwanderer sind v. a. die Großstädte Toronto, Vancouver und Montreal. - Das von amerikan. Vorbildern beeinflusste Bildungswesen untersteht den Provinzen; allg. Schulpflicht besteht meist vom 6. oder 7. bis 15. oder 16. Lebensjahr; es gibt rd. 80 Hochschulen, Colleges und Institute. Zu den größten Univ. zählen die Université de Montréal und die University of Toronto. - Rd. 45 % der Bev. sind Katholiken, 29 % Protestanten, 8 % Anglikaner, 1,5 % Orthodoxe und über 1 % Juden.
Wirtschaft, Verkehr: K. wird durch seine natürl. Reichtümer (Bodenschätze, Energiequellen, fruchtbare Böden im Präriegebiet, Wälder) zwar begünstigt. Erschwernisse stellen aber die Erschließung der nördl. Gebiete, ferner die zu geringe Bev.dichte dar. Die Ballungsräume im S des Landes haben untereinander nur wenige Verbindungen, sind dagegen stark mit den benachbarten Wirtschaftsräumen der USA verflochten. Ungeachtet dieser Probleme ist der Lebensstandard in K. einer der höchsten der Erde.Die Landwirtschaft nutzt nur 7,4 % der Gesamtfläche (davon etwa 62 % als Ackerland) und beschäftigt nur noch 3 % aller Erwerbstätigen. Obwohl sie nur zw. 10 und 15 % des Exportwerts erbringt, gehört K. zu den fünf größten Exporteuren landwirtsch. Erzeugnisse. Wichtigste Ackerbaugebiete mit weitgehend mechanisiertem Anbau sind die Prärieprovinzen Manitoba, Saskatchewan und Alberta, auf die 96 % des Weizen-, 84 % des Hafer- und 73 % des Gersteanbaus sowie fast der gesamte Anbau an Ölsaaten (Raps, Leinsaat, Sonnenblumen u. a.) entfallen. Die Erträge liegen unter denen westeurop. Länder. Obst und Gemüse werden v. a. in den atlant. Provinzen angebaut, Tabak bes. in Ontario. Rd. 50 % der landwirtsch. Erträge erbringen Vieh- und Milchwirtschaft. - Die Forstwirtschaft steht, zus. mit den Aufbereitungsind. (Sägewerke, Zellstoff-, Papierfabriken), im Produktionswert der Landwirtschaft nicht viel nach; sie erbringt rd. 15 % des Exportwerts. Etwa 36 % der Landfläche ist mit Wald bedeckt, aber nur die Hälfte davon ist wirtschaftlich nutzbar. In der Produktion von Holzschliff, Zellstoff, Papier und Pappe steht K. an erster Stelle der Welterzeugung. - Wichtiger als der auch heute noch ausgeübte Pelztierfang ist die Pelztierzucht (bes. Nerze und Füchse). Die Jagd auf Sattelrobben wird hauptsächlich vor den Küsten von Neufundland und Labrador betrieben. - Die Küsten K. gehören zu den fischreichsten der Erde. 1977 errichtete die Reg. die 200-Seemeilen-Zone mit drast. Einschränkung der Fangerlaubnis für ausländ. Schiffe. Der größte Teil der Fänge (Schellfisch, Hering, Makrele, Dorsch im Atlantik, Lachs im Pazifik; Fische der Binnengewässer) wird exportiert. K. zählt zu den führenden Bergbauländern der Erde. Der Bergbau erbringt rd. 25 % des Exportwerts. Von der gesamten Förderung entfällt wertmäßig etwa die Hälfte auf Erdöl und Erdgas. Den größten Anteil an der Bergbauproduktion haben Alberta (bes. Erdöl, Erdgas, Kohle), Ontario (bes. Nickel, Kupfer, Eisen, Gold), British Columbia (bes. Kupfer, Zink, Molybdän) und Quebec (bes. Eisen, Kupfer, Asbest). Die Bodenschätze im N des Landes können wegen des Dauerfrostbodens und der Transportprobleme nur schwer erschlossen werden. Die großen Vorkommen von Ölsanden in Alberta werden seit 1978 genutzt (bei Fort McMurray). Weitere große Erdöl- und Erdgasvorkommen gibt es in der kanad. Arktis.Die Industrie (einschließlich Baugewerbe) beschäftigt rd. ein Viertel aller Erwerbstätigen; Schwerpunkte sind Ontario und Quebec. Eine schnelle Entwicklung nahm der W mit British Columbia und Alberta. Bedeutendster Zweig ist die Zellstoff- und Papierherstellung. Als Wachstumsind. gelten die chem. Ind. (v. a. Petrochemie), Kfz- und Flugzeugbau, Kunststoffverarbeitung sowie die elektron. Ind., zunehmend auch Industrien des Hightechbereiches. Wichtig sind weiter Nahrungsmittel- sowie Eisen- und Stahlindustrie. Neben der Verkehrslage ist die Energieerzeugung ein wichtiger Standortfaktor, bes. bei der bed. Aluminiumproduktion, die v. a. in Quebec und British Columbia angesiedelt ist. - K. gehört zu den größten Energieproduzenten der Erde. Neben den reichen Erdöl-, Erdgas- und Kohlevorkommen verfügt K. über ein riesiges Wasserkraftpotenzial. Von der installierten Energiekapazität werden knapp zwei Drittel von Wasserkraftwerken und über 17 % in Kernkraftwerken erzeugt.Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr (zu 80 % Touristen aus den USA) liegen noch unter den Ausgaben kanad. Touristen im Ausland, sind aber im Steigen. - Die Handelsbilanz war in den letzten Jahren positiv. Das amerikanisch-kanad. Freihandelsabkommen von 1988 wurde 1994 durch die Nordamerikan. Freihandelszone (NAFTA) zw. K., den USA und Mexiko erweitert. Haupthandelspartner sind die USA (über zwei Drittel des Außenhandelsumsatzes); es folgen die EU-Länder (v. a. Großbritannien, Dtl.) und Japan.Eisenbahn und Autostraßen konzentrieren sich auf den dichter besiedelten S; neben den beiden großen transkontinentalen Eisenbahnlinien, den staatl. »Canadian National Railways« und den privaten »Canadian Pacific Ltd.«, gibt es nur einzelne Querverbindungen sowie Stichbahnen nach N (Gesamtlänge der Eisenbahnstrecken rd. 71 100 km). Das Straßennetz umfasst 826 000 km, davon sind 35 % asphaltiert. Eine Autobahn (Transcanada Highway) verbindet seit 1962 O- und W-Küste (7 871 km lang). Große Bedeutung hat die Schifffahrt, bes. auf den Großen Seen und dem Sankt-Lorenz-Seeweg, sowie die Küstenschifffahrt. Die größten Häfen sind Vancouver, Sept-Îles, Port Cartier, Halifax, Saint John und Montreal. Ein dichtes Flugnetz überzieht das ganze Land und ist lebenswichtig für den unerschlossenen N. Die größten Flughäfen haben Montreal, Vancouver, Toronto, Calgary und Edmonton.
Geschichte: Die O-Küste von K. war norweg. Seefahrern (Leif Eriksson) schon um 1000 bekannt und wurde 1497 von G. und S. Caboto neu entdeckt. Zwischen 1534 und 1541 nahm J. Cartier das Gebiet des Sankt-Lorenz-Stromes für Frankreich in Besitz (»Neufrankreich«). 1608 gründete S. de Champlain die Stadt Quebec. Es entwickelte sich ein ausgedehnter Pelzhandel, der die sog. »Voyageurs« (Waldläufer) hervorbrachte. 1663 übernahm die frz. Krone die Verw. der Kolonie. Vom Sankt-Lorenz-Strom aus errichteten die Franzosen eine Kette von Forts bis an die Großen Seen und in das Mississippigebiet. Die frz. Siedler gerieten in heftige Kämpfe mit den engl. Kolonien, in die auch ansässige Indianerstämme hineingezogen wurden (u. a. Irokesen als Bundesgenossen der Engländer). Im Ergebnis des Siebenjährigen Krieges (1756-63) verlor Frankreich das östl. K. an Großbritannien. Die engl. Quebec-Akte von 1774 sicherte den kath. Frankokanadiern volle Religionsfreiheit zu und trug viel dazu bei, dass diese sich nicht am nordamerikan. Unabhängigkeitskampf beteiligten. Königstreue angelsächs. Siedler (rd. 40 000 »Loyalisten«) wanderten aus den USA in das Gebiet nördlich der Seen ein. Die Politik der freien Landnahme zog auch später viele amerikan. Siedler an. So entstanden zwei nach Bevölkerung, Kultur und Religion verschiedene Siedlungskerne: das vorwiegend engl. Ober-K. und das frz. Unter-K. (1791 Bildung entsprechender Provinzen durch den »Constitutional Act«). 1812-14 scheiterte der Versuch der USA, die brit. Besitzungen in Nordamerika zu erobern. 1840 vereinigte die brit. Reg. Ober- und Unter-K. zu einer Provinz (mit parlamentar. Regierung). Aufgrund des »British North America Act« schlossen sich 1867 Ontario (Ober-K.), Quebec (Unter-K.), Nova Scotia und New Brunswick zu einem Bundesstaat (Dominion of Canada) zusammen, an den 1869 die Hudson's Bay Company ihr Gebiet (die späteren Provinzen Manitoba, Alberta und Saskatchewan) abtrat. 1871 schloss sich British Columbia, 1873 Prince Edward Island an. Der Bau von Eisenbahnen (1885 Fertigstellung der ersten kanad. Transkontinentalbahn) ermöglichte die Besiedlung des Westens. K. unterstützte Großbritannien im Burenkrieg (1899-1902) und im Ersten Weltkrieg (1914-18). Durch das Statut von Westminster (1931) erhielt K. die Unabhängigkeit. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erklärte K. am 10. 9. 1939 Dtl. den Krieg und beteiligte sich 1943-45 an den militär. Operationen in Europa.1945 war K. Gründungsmitgl. der UNO und 1949 der NATO. 1949 schloss sich Newfoundland K. als 10. Provinz an. 1957 wurden die seit Mitte der 1930er-Jahre regierenden Liberalen von den Konservativen unter J. G. Diefenbaker abgelöst. 1963 kamen die Liberalen erneut an die Macht und stellten mit L. B. Pearson (1963-68) und P. E. Trudeau (1968-79, 1980-84) die Premiermin. In der mehrheitlich von Frankokanadiern bewohnten Provinz Quebec entwickelte sich eine starke Autonomiebewegung. Versuche des 1976-85 in Quebec regierenden radikalautonomist. »Parti Québécois«, die Provinz politisch aus dem Staatsverband K. zu lösen, lehnte die Bev. jedoch 1980 ab. 1982 ersetzte ein neues Verfassungsgesetz für ganz K. den »British North America Act« von 1867. Nach dem Wahlsieg der Konservativen 1984 wurde B. Mulroney Premiermin. (bis 1993). Eine im Aug. 1992 zw. Mulroney und den Reg.chefs der Provinzen ausgehandelte Verf.reform, die die Einheit des Landes sichern sollte und die Anerkennung Quebecs als »besondere Gesellschaft«, die Erweiterung der Verwaltungskompetenzen der Provinz sowie Autonomierechte der Ureinwohner vorsah, wurde in einem Referendum am 26. 10. 1992 abgelehnt. Im Mai 1993 unterzeichneten die Regierung und Vertreter der Eskimo (Inuit) einen Vertrag über die (bis 1999 geplante) Schaffung eines eigenen, selbst verwalteten Territoriums (»Nunavut«) in den Northwest Territories (Übertragung von rund 350 000 km2 als Eigentum an die Ureinwohner). Vor dem Hintergrund einer anhaltenden wirtsch. Rezession unterlagen die Konservativen unter Premierministerin K. Campbell (Amtsantritt Juni 1993) bei den Parlamentswahlen im Okt. 1993 der Liberalen Partei; Premiermin. wurde J. Chrétien. Seine Regierung leitete eine Neugestaltung des Finanzausgleichs zw. den Provinzen ein. Nachdem am 30. 10. 1995 ein zweites Referendum zur Loslösung Quebecs gescheitert war, räumte 1996 ein Gesetz dieser Prov. einen Sonderstatus als »eigenständige Gesellschaft« ein und gab allen Provinzen ein Vetorecht in Fragen der Verfassung.
▣ Literatur:
Pletsch, A.: K. Kunst- u. Reiseführer. Stuttgart 1986.
⃟ Lenz, K.: K. Eine geograph. Landeskunde. Darmstadt 1988.
⃟ Vogelsang, R.: K. Gotha 1993.
⃟ The illustrated history of Canada, hg. v. C. Brown. Toronto 21996.
⃟ Norrie, K. H. u. Owram, D.: A history of the Canadian economy. Toronto 21996.
⃟ Morton, D.: A short history of Canada. Toronto 31997.
⃟ Sautter, U.: Geschichte K.s. Von der europ. Entdeckung bis zur Gegenwart. Neuausg. München 1997.
⃟ Understanding Canada. Building on the new Canadian political economy, hg. v. W. Clement. Montreal 1997.
⃟ Canada and the new world economic order, hg. v. T. Wesson. North York 1998.
⃟ Gobbett, B. u. Irwin, R.: Introducing Canada. An annotated bibliography of Canadian history in English. Lanham, Md., 1998.
⃟ Iversen, A. u. Iversen-Sioltsidis, S.: K.München 1998.
Einwohner: (1996) 30,283 Mio.
Hauptstadt: Ottawa
Verwaltungsgliederung: 10 Provinzen und 3 Territorien
Amtssprachen: Englisch und Französisch
Nationalfeiertag: 1. 7.
Währung: 1 Kanadischer Dollar (kan$) = 100 Cents (c)
Zeitzone: MEZ (von O nach W) — 4,5 bis — 9 Std.
(amtlich engl. und frz. Canada), Bundesstaat in Nordamerika, grenzt im O an den Atlantik, im S und NW (Alaska) an die USA, im W an den Pazifik, der Kanadisch-Arkt. Archipel liegt im Nordpolarmeer.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1982 ist K. eine bundesstaatlich geordnete parlamentar. Monarchie im Commonwealth. Staatsoberhaupt ist der brit. Monarch, vertreten durch den auf Vorschlag der kanad. Reg. ernannten Generalgouverneur. Die Exekutive wird von der Reg. unter Vorsitz des Premiermin. wahrgenommen, die dem Unterhaus verantwortlich ist. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus Senat (104 ernannte Vertreter der Provinzen) und Unterhaus (301 Abg., für fünf Jahre gewählt). Die Prov. verfügen über eigene Verf. sowie Legislativ- und Exekutivorgane. - Wichtigste Parteien sind Liberale Partei (LP), Reformpartei (RP), Fortschrittl. Konservative Partei (PCP), Quebec-Block (BQ) und Neue Demokrat. Partei (NDP).
Landesnatur: K. umfasst den N des nordamerikan. Kontinents (außer Alaska). Fast die Hälfte des Landes wird vom Kanadischen Schild eingenommen, der SO von den hügeligen Ausläufern der Appalachen. Die Ebenen am Sankt-Lorenz-Strom und im Gebiet der Großen Seen sind Teil der Inneren Ebenen (Interior Plains) Nordamerikas. Westlich des Kanad. Schilds erstreckt sich das Prärietafelland der Great Plains, das in weiträumigen Stufen von 300 m ü. M. im O bis zur Vorgebirgszone der Rocky Mountains im W auf 1 500 m ü. M. ansteigt. Der W des Landes wird vom kanad. Teil der Kordilleren (Rocky Mountains, innere Plateaus, Coast Mountains) eingenommen. Die Ketten erreichen 3 000-4 000 m ü. M., im Mount Logan 5 951 m ü. M.; die Plateaus liegen meist in einer Höhe von 1 000-2 000 m ü. M. Nördlich des kanad. Festlands erstreckt sich der Kanadisch-Arkt. Archipel; im S flach bis 400 m ü. M., im N bis 2 900 m ü. M. aufragend und stark vergletschert. Da 97 % des Landes von Eis bedeckt waren, sind die Oberflächenformen weitgehend eiszeitlich geprägt. Die Großen Seen, an denen K. einen Anteil von 36 % hat, gehören wie der Große Bärensee, der Große Sklavensee und der Winnipegsee zu den größten Seen der Erde. Wichtigste Flüsse sind Nelson River, Churchill River (zur Hudsonbai) und Mackenzie River (zum Nordpolarmeer); überragende Verkehrsbedeutung hat allein der Sankt-Lorenz-Strom. - K. hat überwiegend kontinentales Klima mit langen, kalten Wintern und warmen, im Inneren heißen Sommern. Der Kanadisch-Arkt. Archipel und das nordöstl. Festland liegen in der arkt., der zentrale und westl. N des Landes in der subarkt. Klimaregion. Im SO ist das Klima gemäßigt, im W schützen die Kordilleren die Küstengebiete vor arkt. Kaltlufteinbrüchen. Westwinde bringen hier hohe Niederschläge, im Windschatten der Gebirge herrscht dagegen große Trockenheit. - An die Moos- und Flechtentundra im hohen N schließt sich südlich ein breiter Waldgürtel an (Fichten, Tannen, Lärchen, im Lorenzstromgebiet auch Ulmen, Ahorn u. a.). Östlich der Rocky Mountains grenzt an den Waldgürtel ein breiter Steppengürtel (Prärie), der etwa bis 100º w. L. reicht. An der W-Küste gibt es Wälder mit Zedern, Douglasfichten und Hemlocktannen.
Bevölkerung: Von der zum größten Teil auf Einwanderungen zurückgehenden Bev. entfielen 1991 die höchsten Anteile auf Anglokanadier (rd. 42 %) und Frankokanadier (rd. 25 %). Zunehmend vermischen sich die Anglokanadier mit anderen europ. Gruppen, sodass Letztere relativ abnehmen, z. B. sank der Anteil der Deutschen von (1981) 4,7 % auf rd. (1991) 3 %. Der Anteil der Ethnien aus außereurop. Ländern ist 1991 auf fast 10 % angestiegen. Die 365 400 Indianer leben über ganz Kanada verstreut, die Eskimo (rd. 30 000) bes. im N des Landes. Große Teile des polaren N sind fast unbesiedelt. Die meisten Ew. leben in einem Streifen entlang der Grenze zu den USA, fast 65 % davon im S der Prov. Quebec und Ontario. Ziele der Einwanderer sind v. a. die Großstädte Toronto, Vancouver und Montreal. - Das von amerikan. Vorbildern beeinflusste Bildungswesen untersteht den Provinzen; allg. Schulpflicht besteht meist vom 6. oder 7. bis 15. oder 16. Lebensjahr; es gibt rd. 80 Hochschulen, Colleges und Institute. Zu den größten Univ. zählen die Université de Montréal und die University of Toronto. - Rd. 45 % der Bev. sind Katholiken, 29 % Protestanten, 8 % Anglikaner, 1,5 % Orthodoxe und über 1 % Juden.
Wirtschaft, Verkehr: K. wird durch seine natürl. Reichtümer (Bodenschätze, Energiequellen, fruchtbare Böden im Präriegebiet, Wälder) zwar begünstigt. Erschwernisse stellen aber die Erschließung der nördl. Gebiete, ferner die zu geringe Bev.dichte dar. Die Ballungsräume im S des Landes haben untereinander nur wenige Verbindungen, sind dagegen stark mit den benachbarten Wirtschaftsräumen der USA verflochten. Ungeachtet dieser Probleme ist der Lebensstandard in K. einer der höchsten der Erde.Die Landwirtschaft nutzt nur 7,4 % der Gesamtfläche (davon etwa 62 % als Ackerland) und beschäftigt nur noch 3 % aller Erwerbstätigen. Obwohl sie nur zw. 10 und 15 % des Exportwerts erbringt, gehört K. zu den fünf größten Exporteuren landwirtsch. Erzeugnisse. Wichtigste Ackerbaugebiete mit weitgehend mechanisiertem Anbau sind die Prärieprovinzen Manitoba, Saskatchewan und Alberta, auf die 96 % des Weizen-, 84 % des Hafer- und 73 % des Gersteanbaus sowie fast der gesamte Anbau an Ölsaaten (Raps, Leinsaat, Sonnenblumen u. a.) entfallen. Die Erträge liegen unter denen westeurop. Länder. Obst und Gemüse werden v. a. in den atlant. Provinzen angebaut, Tabak bes. in Ontario. Rd. 50 % der landwirtsch. Erträge erbringen Vieh- und Milchwirtschaft. - Die Forstwirtschaft steht, zus. mit den Aufbereitungsind. (Sägewerke, Zellstoff-, Papierfabriken), im Produktionswert der Landwirtschaft nicht viel nach; sie erbringt rd. 15 % des Exportwerts. Etwa 36 % der Landfläche ist mit Wald bedeckt, aber nur die Hälfte davon ist wirtschaftlich nutzbar. In der Produktion von Holzschliff, Zellstoff, Papier und Pappe steht K. an erster Stelle der Welterzeugung. - Wichtiger als der auch heute noch ausgeübte Pelztierfang ist die Pelztierzucht (bes. Nerze und Füchse). Die Jagd auf Sattelrobben wird hauptsächlich vor den Küsten von Neufundland und Labrador betrieben. - Die Küsten K. gehören zu den fischreichsten der Erde. 1977 errichtete die Reg. die 200-Seemeilen-Zone mit drast. Einschränkung der Fangerlaubnis für ausländ. Schiffe. Der größte Teil der Fänge (Schellfisch, Hering, Makrele, Dorsch im Atlantik, Lachs im Pazifik; Fische der Binnengewässer) wird exportiert. K. zählt zu den führenden Bergbauländern der Erde. Der Bergbau erbringt rd. 25 % des Exportwerts. Von der gesamten Förderung entfällt wertmäßig etwa die Hälfte auf Erdöl und Erdgas. Den größten Anteil an der Bergbauproduktion haben Alberta (bes. Erdöl, Erdgas, Kohle), Ontario (bes. Nickel, Kupfer, Eisen, Gold), British Columbia (bes. Kupfer, Zink, Molybdän) und Quebec (bes. Eisen, Kupfer, Asbest). Die Bodenschätze im N des Landes können wegen des Dauerfrostbodens und der Transportprobleme nur schwer erschlossen werden. Die großen Vorkommen von Ölsanden in Alberta werden seit 1978 genutzt (bei Fort McMurray). Weitere große Erdöl- und Erdgasvorkommen gibt es in der kanad. Arktis.Die Industrie (einschließlich Baugewerbe) beschäftigt rd. ein Viertel aller Erwerbstätigen; Schwerpunkte sind Ontario und Quebec. Eine schnelle Entwicklung nahm der W mit British Columbia und Alberta. Bedeutendster Zweig ist die Zellstoff- und Papierherstellung. Als Wachstumsind. gelten die chem. Ind. (v. a. Petrochemie), Kfz- und Flugzeugbau, Kunststoffverarbeitung sowie die elektron. Ind., zunehmend auch Industrien des Hightechbereiches. Wichtig sind weiter Nahrungsmittel- sowie Eisen- und Stahlindustrie. Neben der Verkehrslage ist die Energieerzeugung ein wichtiger Standortfaktor, bes. bei der bed. Aluminiumproduktion, die v. a. in Quebec und British Columbia angesiedelt ist. - K. gehört zu den größten Energieproduzenten der Erde. Neben den reichen Erdöl-, Erdgas- und Kohlevorkommen verfügt K. über ein riesiges Wasserkraftpotenzial. Von der installierten Energiekapazität werden knapp zwei Drittel von Wasserkraftwerken und über 17 % in Kernkraftwerken erzeugt.Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr (zu 80 % Touristen aus den USA) liegen noch unter den Ausgaben kanad. Touristen im Ausland, sind aber im Steigen. - Die Handelsbilanz war in den letzten Jahren positiv. Das amerikanisch-kanad. Freihandelsabkommen von 1988 wurde 1994 durch die Nordamerikan. Freihandelszone (NAFTA) zw. K., den USA und Mexiko erweitert. Haupthandelspartner sind die USA (über zwei Drittel des Außenhandelsumsatzes); es folgen die EU-Länder (v. a. Großbritannien, Dtl.) und Japan.Eisenbahn und Autostraßen konzentrieren sich auf den dichter besiedelten S; neben den beiden großen transkontinentalen Eisenbahnlinien, den staatl. »Canadian National Railways« und den privaten »Canadian Pacific Ltd.«, gibt es nur einzelne Querverbindungen sowie Stichbahnen nach N (Gesamtlänge der Eisenbahnstrecken rd. 71 100 km). Das Straßennetz umfasst 826 000 km, davon sind 35 % asphaltiert. Eine Autobahn (Transcanada Highway) verbindet seit 1962 O- und W-Küste (7 871 km lang). Große Bedeutung hat die Schifffahrt, bes. auf den Großen Seen und dem Sankt-Lorenz-Seeweg, sowie die Küstenschifffahrt. Die größten Häfen sind Vancouver, Sept-Îles, Port Cartier, Halifax, Saint John und Montreal. Ein dichtes Flugnetz überzieht das ganze Land und ist lebenswichtig für den unerschlossenen N. Die größten Flughäfen haben Montreal, Vancouver, Toronto, Calgary und Edmonton.
Geschichte: Die O-Küste von K. war norweg. Seefahrern (Leif Eriksson) schon um 1000 bekannt und wurde 1497 von G. und S. Caboto neu entdeckt. Zwischen 1534 und 1541 nahm J. Cartier das Gebiet des Sankt-Lorenz-Stromes für Frankreich in Besitz (»Neufrankreich«). 1608 gründete S. de Champlain die Stadt Quebec. Es entwickelte sich ein ausgedehnter Pelzhandel, der die sog. »Voyageurs« (Waldläufer) hervorbrachte. 1663 übernahm die frz. Krone die Verw. der Kolonie. Vom Sankt-Lorenz-Strom aus errichteten die Franzosen eine Kette von Forts bis an die Großen Seen und in das Mississippigebiet. Die frz. Siedler gerieten in heftige Kämpfe mit den engl. Kolonien, in die auch ansässige Indianerstämme hineingezogen wurden (u. a. Irokesen als Bundesgenossen der Engländer). Im Ergebnis des Siebenjährigen Krieges (1756-63) verlor Frankreich das östl. K. an Großbritannien. Die engl. Quebec-Akte von 1774 sicherte den kath. Frankokanadiern volle Religionsfreiheit zu und trug viel dazu bei, dass diese sich nicht am nordamerikan. Unabhängigkeitskampf beteiligten. Königstreue angelsächs. Siedler (rd. 40 000 »Loyalisten«) wanderten aus den USA in das Gebiet nördlich der Seen ein. Die Politik der freien Landnahme zog auch später viele amerikan. Siedler an. So entstanden zwei nach Bevölkerung, Kultur und Religion verschiedene Siedlungskerne: das vorwiegend engl. Ober-K. und das frz. Unter-K. (1791 Bildung entsprechender Provinzen durch den »Constitutional Act«). 1812-14 scheiterte der Versuch der USA, die brit. Besitzungen in Nordamerika zu erobern. 1840 vereinigte die brit. Reg. Ober- und Unter-K. zu einer Provinz (mit parlamentar. Regierung). Aufgrund des »British North America Act« schlossen sich 1867 Ontario (Ober-K.), Quebec (Unter-K.), Nova Scotia und New Brunswick zu einem Bundesstaat (Dominion of Canada) zusammen, an den 1869 die Hudson's Bay Company ihr Gebiet (die späteren Provinzen Manitoba, Alberta und Saskatchewan) abtrat. 1871 schloss sich British Columbia, 1873 Prince Edward Island an. Der Bau von Eisenbahnen (1885 Fertigstellung der ersten kanad. Transkontinentalbahn) ermöglichte die Besiedlung des Westens. K. unterstützte Großbritannien im Burenkrieg (1899-1902) und im Ersten Weltkrieg (1914-18). Durch das Statut von Westminster (1931) erhielt K. die Unabhängigkeit. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erklärte K. am 10. 9. 1939 Dtl. den Krieg und beteiligte sich 1943-45 an den militär. Operationen in Europa.1945 war K. Gründungsmitgl. der UNO und 1949 der NATO. 1949 schloss sich Newfoundland K. als 10. Provinz an. 1957 wurden die seit Mitte der 1930er-Jahre regierenden Liberalen von den Konservativen unter J. G. Diefenbaker abgelöst. 1963 kamen die Liberalen erneut an die Macht und stellten mit L. B. Pearson (1963-68) und P. E. Trudeau (1968-79, 1980-84) die Premiermin. In der mehrheitlich von Frankokanadiern bewohnten Provinz Quebec entwickelte sich eine starke Autonomiebewegung. Versuche des 1976-85 in Quebec regierenden radikalautonomist. »Parti Québécois«, die Provinz politisch aus dem Staatsverband K. zu lösen, lehnte die Bev. jedoch 1980 ab. 1982 ersetzte ein neues Verfassungsgesetz für ganz K. den »British North America Act« von 1867. Nach dem Wahlsieg der Konservativen 1984 wurde B. Mulroney Premiermin. (bis 1993). Eine im Aug. 1992 zw. Mulroney und den Reg.chefs der Provinzen ausgehandelte Verf.reform, die die Einheit des Landes sichern sollte und die Anerkennung Quebecs als »besondere Gesellschaft«, die Erweiterung der Verwaltungskompetenzen der Provinz sowie Autonomierechte der Ureinwohner vorsah, wurde in einem Referendum am 26. 10. 1992 abgelehnt. Im Mai 1993 unterzeichneten die Regierung und Vertreter der Eskimo (Inuit) einen Vertrag über die (bis 1999 geplante) Schaffung eines eigenen, selbst verwalteten Territoriums (»Nunavut«) in den Northwest Territories (Übertragung von rund 350 000 km2 als Eigentum an die Ureinwohner). Vor dem Hintergrund einer anhaltenden wirtsch. Rezession unterlagen die Konservativen unter Premierministerin K. Campbell (Amtsantritt Juni 1993) bei den Parlamentswahlen im Okt. 1993 der Liberalen Partei; Premiermin. wurde J. Chrétien. Seine Regierung leitete eine Neugestaltung des Finanzausgleichs zw. den Provinzen ein. Nachdem am 30. 10. 1995 ein zweites Referendum zur Loslösung Quebecs gescheitert war, räumte 1996 ein Gesetz dieser Prov. einen Sonderstatus als »eigenständige Gesellschaft« ein und gab allen Provinzen ein Vetorecht in Fragen der Verfassung.
▣ Literatur:
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