Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
jüdische Kunst
jüdische Kunst,im strengen Sinn jüdisch-religiöse Kunst jüd. und nichtjüd. Künstler (die Juden waren seit Entwicklung des Zunftwesens in Mitteleuropa bis 1812 vom Handwerk ausgeschlossen), im weitesten Sinne Kunst der Juden. - Das bibl. Bilderverbot (2. Mos. 20, 4; 5. Mos. 5, 8), oft fälschlich als generelles Verbot der Menschendarstellung aufgefasst, diente laut Mischna der Abgrenzung vom Götzenkult. Illustrative figürl. Darstellung war erlaubt. - Neben dem unter Salomo erbauten und im 6. und 1. Jh. v. Chr. wieder errichteten Tempel in Jerusalem entstanden wohl seit dem 3. Jh. v. Chr. Synagogen im Röm. Reich, die meisten in Palästina nach der Zerstörung des Tempels 70 n. Chr., Saalbauten auch mit Querhäusern oder dreischiffige Synagogen im römisch-hellenist. Stil. Im 5.-7. Jh. überwog der dreischiffige Typus mit Apsis (Thoranische). Bodenmosaike zeigen oft figürl. Szenen, die vorher nur in Fresken in Dura-Europos (3. Jh. n. Chr.) bezeugt sind. Erhalten sind ferner Grabsteine, Sarkophage, Siegel, Münzen, Öllampen und Gläser mit jüd. Motiven wie dem siebenarmigen Leuchter (Menora) oder Palmzweig und Etrog (aromat. Zitronenart) vom Feststrauß des Laubhüttenfests. Im 12. Jh. nahm die j. K. einen neuen Aufschwung, v. a. Buchmalerei und Baukunst. Im Synagogenbau Betonung der Mitte durch die Almemor (Podium für die Thoralesung in Synagogen) und Anordnung der Sitze für die Männer; Frauensitze in Anbauten, später auf Emporen. Als Baumeister werden vielfach nichtjüd. Baumeister angenommen. Seit dem 12. Jh. erhielt neben Saalbauten der zweischiffige Bau Vorrang, in Dtl. im roman. und got. Stil, in Spanien (12.-14. Jh.) im Mudéjarstil. Einen Sondertypus repräsentieren seit dem 16. Jh. die Festungs- und Holzsynagoge mit reichen Malereien und Schnitzereien. In Italien, den Niederlanden und S-Frankreich wurden im 17. und 18. Jh. die Stilelemente des Barock auch auf Synagogen übertragen. - Neben der Synagoge ist das rituelle Tauchbad (Mikwe) Hauptthema der jüd. Baukunst. Die teilweise aufwendig dekorierten Bäder wurden im MA. als Schachtanlagen angelegt (u. a. Friedberg/Hessen, Worms, Speyer). — Die seit dem 13. Jh. erhaltene reiche Buchmalerei aus Spanien, Italien, Frankreich und Dtl. (bes. Bibeln, Gebetbücher [Machsorim] und Ausgaben von Texten der jüd. Tradition [Haggadot]) wich seit dem 16. Jh. Buchdruck und Buchillustration (bes. Estherrollen) und den künstlerisch gestalteten Eheverträgen (Ketubba). - Die Zeremonialkunst der Synagoge umfasst holzgeschnitzte, auch steinerne Ausstattungsstücke wie den Almemor, den Thoraschrein (Aron ha-Kodesch); zu Meisterwerken der Goldschmiedekunst gehören oft der silbergetriebene Thoraschmuck (Thorakronen; »Rimmonim«, die Aufsätze für die Rollstäbe; Thorazeiger; Thoraschilder) sowie Lampen (»Ewiges Licht«) aus Silber, Messing oder Gelbguss, v. a. die siebenarmige Menora. Zur häusl. Kleinkunst gehören Mesusa (Kapseln mit hebräischen Segenssprüchen am Türpfosten des jüd. Hauses), Sabbat- und Chanukkalampen, zinnerne Sederschüsseln und oft selbst bemalte Purimteller. — Seit dem 19. Jh. entstanden Synagogen in allen größeren Städten, meist in historisierenden Stilen. In Dtl. wurden in den 1980/90er-Jahren mehrere Synagogen errichtet, z. B. wurde 1987 die neue Synagoge in Mannheim eingeweiht, 1988 folgte die Synagoge in Darmstadt, 1994 die in Heidelberg. Die Neue Synagoge in Berlin (1857 ff., 1943 schwer beschädigt) wurde 1988-95 im alten orientalisierenden Stil wieder aufgebaut. - Seit der Emanzipation der Juden im 18. und bes. im 19. Jh. fanden jüd. Künstler weltweit Anerkennung und beeinflussten z. T. wesentlich internat. Schulen und Tendenzen (u. a. C. Pissarro, M. Liebermann, A. Modigliani), wobei einige, z. B. der Grafiker L. Pasternak, die Maler M. Chagall und A. Kaplan, jüd. Thematik oder Tradition in ihre Werke einbezogen. — Zionist. Tendenzen führten 1906 zur Gründung der Bezalel-Kunstschule in Jerusalem. Neu eingewanderte Juden bildeten im modernen Israel Kunstzentren, die z. T. auch die religiöse Kunst pflegen.
▣ Literatur:
G. Sed-Rajna Die j. K, Beiträge V. u. a. A. d. Frz. Freiburg im Breisgau 1997.
▣ Literatur:
G. Sed-Rajna Die j. K, Beiträge V. u. a. A. d. Frz. Freiburg im Breisgau 1997.