Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Jungsteinzeit
Jungsteinzeit(Neolithikum), letzte Epoche der vorgeschichtl. Steinzeit; folgte der Mittelsteinzeit und wurde von der Kupfer- oder Bronzezeit abgelöst. Die »archäolog.« Definition der J. durch geschliffene Steinwerkzeuge (bes. Beil, Axt, Keule), Keramik, den Bogen, größere dörfl. Siedlungen mit mehrjährig bewohnten Häusern wurde durch die »ökonom.« Definition überlagert, nach der die J. durch die »produzierende« Wirtschaftsform (Anbau von Kulturpflanzen, Domestikation von Tieren zu Haustieren) gekennzeichnet ist. Die Anfänge der J. gehen bis in das 9. Jt. v. Chr. zurück, in Mitteleuropa beginnt sie im 6. Jt. und endet etwa 1800 v. Chr. In Afrika südlich der Sahara und in großen Teilen S-Asiens wird statt von J. meistens von »später Steinzeit« (»Later Stone Age«) gesprochen, die dort direkt in die Eisenzeit übergeht.
Auch in Amerika wird der Begriff nur selten verwendet. Untergliederungen (Alt-, Mittel-, Jung-, End-Neolithikum) gelten nur für einzelne Regionen (z. B. Mitteleuropa, Nord-Dtl., Südskandinavien). Hoch entwickelte, befestigte Siedlungen des präkeram. Neolithikums wurden v. a. in Vorderasien ausgegraben (Jericho in Palästina, Jarmo in Irak). Die mit der J. einsetzende wirtsch. Umwälzung, die »neolith. Revolution«, beruht auf der Haustierhaltung (Schaf, Ziege, Schwein, Rind, Pferd) und dem Anbau von Kulturpflanzen (Gerste, Weizen, Hirse) als Hackbau oder Ackerbau mit dem vom Rind gezogenen Pflug. Die bodengebundene, produzierende Wirtschaftsweise führte zur Anlage dörfl. und städt. Siedlungen.
Pflanzenbau und Tierzucht lenkten die Aufmerksamkeit des Menschen auf die Fruchtbarkeit, den zykl. Ablauf der Jahreszeiten und die Beobachtung der Gestirne. Die entstehende Fruchtbarkeitsreligion führte zur Verehrung menschen-, tier- und mischgestaltiger Wesen (Idole). Die Totenbeisetzung im Haus und in Großsteingräbern (Megalithgräber) zeugt von der Ausübung des Ahnenkults.Die wichtigsten Formen- und Kulturgruppen Europas sind: 1) die Sesklokultur auf dem Gebiet des heutigen Griechenland; 2) das mediterrane Neolithikum, das in den Küstenländern des Mittelmeers verbreitet war; sein Hauptmerkmal ist Keramik mit Abdrücken von Muschelrändern (Impressokeramik); 3) die Starčevokultur als älteste J.-Kultur Südosteuropas und von Anfang an bäuerlich; sie erschloss nahezu die ganze Balkanhalbinsel der jungsteinzeitl. Kultur; 4) die auf diese folgenden Kulturen in demselben Gebiet; gekennzeichnet durch unbemalte dunkle Gefäße, große, langlebige Siedlungen und in der Spätstufe Metallschmuck und -geräte; darunter die Vinčakultur, die auch rote verzierte Keramik und Idolfiguren kennt; 5) die bandkeram. Kultur, die älteste J.-Kultur in Mitteleuropa. In ihr verbanden sich Elemente der Starčevo- und der Vinčakultur. Die vollneolith. Kulturen (Bandkeramik u. a.) gaben in W-Europa den Anstoß zur Entstehung eigener J.-Kulturen (z. B. Michelsberger Kultur), ebenso in Nord-Dtl. und Jütland (Ertebölle-, frühe Trichterbecherkultur); 6) die Hirtenkulturen (Grubengrab-, Katakombenkultur) in den südruss. Steppen; 7) die kamm- und grübchenkeram. Kulturen (Jäger, Fischer und Sammler, doch mit Kenntnis von Keramik und geschliffenen Steinwerkzeugen) in NW-Russland, im Baltikum und in Finnland; 8) die jungneolith. bemaltkeram. Kulturen, u. a. auf der Balkanhalbinsel und in Vorderasien. - Das Ende der J. in Europa (etwa 2400-1800 v. Chr.) stand im Zeichen tief greifender Wandlungen, die stärker als zuvor durch Wanderungen größerer Menschengruppen ausgelöst wurden. Von der Iber. Halbinsel aus schob sich die Glockenbecherkultur bis Nord-Dtl. und Ungarn vor. Gleichzeitig drängten, wohl unter dem Zwang einer Klimaänderung, die Hirtennomaden der schnurkeram. Kulturen (Streitaxtkulturen) nach N-Europa, auf die Balkanhalbinsel und nach Kleinasien. Ihre Träger scheinen kriegerisch gewesen zu sein. Die Ausbreitung der Megalithbauten (Megalithkultur) von der Iber. Halbinsel aus nach W- und NW-Europa, die bereits früher erfolgt war, scheint dagegen auf die Ausbreitung religiöser Strömungen zurückzugehen.
Literatur:
Müller-Karpe, H.: Handbuch der Vorgeschichte, Bd. 2: J. München 21989.
Parzinger, H.: Studien zur Chronologie u. Kulturgeschichte der Jungstein-, Kupfer- u. Frühbronzezeit zw. Karpaten u. Mittlerem Taunus, 2 Tle. Mainz 1993.
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