Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Jordanien
Jordani|en Fläche: 88 946 km2 (ohne das Westjordanland, auf das J. verzichtet hat)
Einwohner: (1995) 5,44 Mio.
Hauptstadt: Amman
Verwaltungsgliederung: 5 Provinzen
Amtssprache: Arabisch
Nationalfeiertag: 25. 5. und 14. 11.
Währung: 1 Jordan-Dinar (JD.) = 1 000 Fils (FLS)
Zeitzone: OEZ
(arab. Al-Urdunn, amtlich Al-Mamlaka al-Urdunnijja al-Haschimjja; dt. Haschimitisches Königreich J.), Staat in Vorderasien, grenzt im W an Israel, im N an Syrien, im äußersten NO an Irak, im O und S an Saudi-Arabien. Die SW-Spitze grenzt an den Golf von Akaba des Roten Meeres.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1952 ist J. eine konstitutionelle Erbmonarchie. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der König. Er ist zugleich oberster Inhaber der Exekutive, ernennt den MinPräs. und auf dessen Vorschlag die übrigen Mitgl. des Kabinetts sowie die Mitgl. des Senats und die Richter. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, bestehend aus Senat (40 für acht Jahre vom König ernannte Mitgl.) und Abg.haus (80 Abg., für vier Jahre gewählt; zwölf der Mandate sind den christl., tscherkess. und beduin. Minderheiten vorbehalten). Das 1957 verhängte Parteienverbot wurde offiziell erst 1992 durch das Parteien-Ges. aufgehoben, seitdem entstanden über 20 Parteien.
Landesnatur: Etwa neun Zehntel des Landes sind Wüste oder Wüstensteppe. J. hat Anteil an der O-Flanke des Jordangrabens; östlich davon erhebt sich mit einem Steilanstieg das Ostjordan. Bergland bis zu einer Höhe von 1 745 m ü. M. (Djebel Ram). Im N überwiegen leicht gefaltete Kalk- und Dolomittafeln, im S bizarr geschnittene Sandsteinplateaus. Nach O geht das Bergland in die eintönigen Tafelländer der Syr. Wüste über, deren Oberflächenformen im N durch junge Basaltergüsse gestaltet werden. Nur der Randsaum im nördl. Abschnitt des Ostjordan. Berglandes empfängt so viel Niederschlag, dass Feldbau ohne Bewässerung möglich ist. Die Sommer sind in ganz J. trocken und heiß, die Winter mild; in den höheren Lagen des Berglandes sind Schneefälle und Frost möglich. Die verkarsteten, wasserarmen Kalkplateaus der Bergländer sind magere Weidetriften oder tragen Gehölz- und Gestrüppformationen. Nur die Beckenlandschaften und Täler werden nachhaltig genutzt.
Bevölkerung: Die Bevölkerung besteht überwiegend aus Arabern, daneben gibt es tscherkess., armen., kurd. und turkmen. Minderheiten. Als traditionsverbundener staatstragender Schicht kommt den Beduinen in J. noch heute große Bedeutung zu. Die meisten Stämme sind allerdings sesshaft oder halbsesshaft geworden, rd. 5 % sind noch Nomaden. 1994 lebten in J. 1,2 Mio. Palästinaflüchtlinge. Die Geburtenziffer gehört trotz leichter Rückläufigkeit zu den höchsten der Erde (3,7 %). Großstädte sind Amman, Zerka und Irbid. - Allg. Schulpflicht besteht vom 6. bis 15. Lebensjahr, der Unterrricht ist unentgeltlich. Es gibt vier Univ. sowie weitere Studieneinrichtungen. Die Analphabetenquote beträgt etwa 20 %. - Rd. 93 % der Bev. gehören dem Islam an (v. a. Sunniten), über 4 % sind Christen (v. a. Orthodoxe), außerdem Bahai, Drusen u. a.
Wirtschaft, Verkehr: Gemessen am Bruttosozialprodukt zählt J. zu den Entwicklungsländern mit mittleren Einkommen. Die Wirtschaft hat infolge der israel. Besetzung der Landesteile westlich des Jordan 1967 bes. gelitten, denn diese waren landwirtschaftlich intensiv genutzt, dicht besiedelt und wirtschaftlich viel höher entwickelt als das Ostjordanland. Dennoch hat sich die Wirtschaft weitgehend wieder erholen können. Landwirtschaft ist meist nur mittels künstl. Bewässerung möglich. Angebaut werden im Jordangraben Gemüse, Weizen, Melonen, Bananen, Zitrusfrüchte, im mittleren Teil des Ostjordan. Berglands mit ausreichenden Niederschlägen v. a. Getreide, Linsen, Wicken, Tabak, Oliven, Feigen, Granatäpfel u. a. Lebensgrundlage der Halb- und Vollnomaden ist die Viehhaltung (Schafe, Ziegen, Rinder, Esel und Maultiere, Kamele, Pferde, Geflügel), doch deckt sie nicht den Fleischbedarf des Landes. Fischerei wird im Golf von Akaba betrieben. Wichtigster Wirtschaftszweig ist der Phosphatabbau, 15 km nordöstlich und 160 km südlich von Amman. J. ist nach Marokko und den USA drittgrößter Phosphatexporteur der Welt. Wichtigste Ind.betriebe sind eine Superphosphatfabrik, ein Zementwerk und eine Erdölraffinerie, gefolgt von Nahrungsmittel-, Bekleidungs- und Schuhindustrie. Im Fremdenverkehr zählen u. a. Petra, Akaba, die Römerstadt Gerasa und die Wüstenschlösser der Omaijadenkalifen zu den Touristenzielen. - Haupthandelspartner sind die EU-Länder, Saudi-Arabien, die USA, Irak und Indien. Ausgeführt werden u. a. Naturphosphat, Pottasche, Obst und Gemüse, Zement, Tabak und -waren, Gewebe aus Wolle u. a. Tierhaaren, eingeführt Nahrungsmittel, Garne und Textilwaren, nicht elektr. und elektr. Maschinen und Geräte, Eisen und Stahl, Kfz, Erdöl, Arzneimittel u. a. - Das Eisenbahnnetz (nur noch für den Phosphattransport zur Hafenstadt Akaba von Bedeutung) ist 618 km lang, das v. a. im NW gut ausgebaute Straßennetz 6 900 km. Die nat. Flugges. Alia versieht den In- und Auslandsdienst. Internat. Flughäfen sind in Amman und Akaba.
Geschichte: Das Gebiet östlich des Jordans war schon in der Frühzeit eng mit der Geschichte Israels (Palästina) verbunden; in röm. Zeit (seit 64/63 v. Chr.) bildete es die Provinz Arabia Petraea und wurde unter byzantin. Oberhoheit von den arab. (christl.) Ghassaniden beherrscht; nach der Eroberung durch die muslim. Araber im 7. Jh. teilte es das Schicksal Syriens, 1516-1918 unter den osman. Sultanen gehörte es zur Provinz Damaskus. Mit Palästina wurde das Gebiet 1920 unter brit. Mandat gestellt (bis 1948). 1921 setzte Großbritannien den Haschimiten Abd Allah Ibn al-Husain als Emir von Trans-J. (Ostjordanland) ein, das 1923 formell von Palästina getrennt wurde und 1925 im Abkommen mit Saudi-Arabien durch Akaba Zugang zum Meer erhielt; im Febr. 1928 wurde ein brit. Hochkommissar (u. a. für Außenpolitik) eingesetzt, zuständig für den Aufbau der Armee (Arab. Legion) war J. B. Glubb (Glubb Pascha). Am 22. 3. 1946 erhielt das Land die nominelle Unabhängigkeit, der Emir nahm den Königstitel an (25. 5.). Im 1. Israelisch-Arab. Krieg (1948/49) Besetzung der östl. arab. Teile Palästinas (so genanntes West-J. oder Westjordanland, auch Cis-J.) und der Altstadt von Jerusalem (O-Jerusalem). Der Ausrufung des Haschemit. Königreichs J. am 12. 12. 1949 folgte 1950 die offizielle Eingliederung West-J. (zunehmende Gegnerschaft der Bev. zur Monarchie). König Abd Allah Ibn al-Husain fiel 1951 einem Attentat zum Opfer, Nachfolger wurde sein Sohn Talal (1952 zugunsten seines Sohnes Husain II. zurückgetreten). Wachsende antibrit. Opposition erzwang die Entlassung Glubbs (März 1956) und die Aufkündigung des Bündnisses mit Großbritannien (März 1957). Febr.-Juli 1958 bestand die »Arab. Föderation« mit Irak. Die Armee wurde im Mai 1967 ägypt. Oberbefehl unterstellt. Im 3. Israelisch-Arab. Krieg (Juni 1967) kam West-J. und O-Jerusalem an Israel (starke Einwanderung palästinens. Flüchtlinge). 1970/71 (Höhepunkt: »Schwarzer Sept.« 1970) Zerschlagung und Vertreibung der palästinens. Organisationen aus Jemen. Auf der arab. Gipfelkonferenz in Rabat (Okt. 1974) Verzicht auf West-J. zugunsten der Palästinenser (endgültig Aug. 1988 an die PLO abgegeben). Im Apr. 1978 wurde ein Nat. Konsultativrat zur Beratung des Königs gebildet, nachdem 1974 das Parlament aufgelöst worden war. In der 2. Hälfte der 1980er-Jahre leitete König Husain II. einen Demokratisierungsprozess ein. Bei den Parlamentswahlen vom 8. 11. 1989 erwies sich die Muslimbruderschaft als stärkste polit. Gruppe. Nach der Aufhebung des seit 1967 geltenden Kriegsrechtes und der Verabschiedung einer »Nat. Charta« 1991 fanden 1993 erstmals seit 1956 Wahlen statt, bei denen mehrere konkurrierende Parteien zugelassen waren. Die im Aug. 1996 verkündete Kürzung der seit mehr als zwei Jahrzehnten bestehenden Subventionen für Brot führte 1996 zu Unruhen.
Im 1. Golfkrieg 1980-88 stand J. auf der Seite des Irak. Nach dem Einmarsch irak. Truppen in Kuwait (1990 ), bei dem die Bev., bes. die in J. lebenden Palästinenser, starke Sympathien für die irak. Seite zeigte, nahm der König unter dem Eindruck dieser Stimmung eine bedingt proirak. Haltung ein. Im Herbst 1991 nahm eine jordanisch-palästinens. Delegation an der Madrider Nahostkonferenz teil. Nach der gegenseitigen Anerkennung Israels und der PLO und dem Abschluss des Gaza-Jericho-Abkommens (Sept. 1993) schloss J. mit Israel am 26. 10. 1994 einen Friedensvertrag. Nach dem Tod von König Husain II. im Febr. 1999 übernahm sein Sohn Abdullah II. die Amtsgeschäfte.
Literatur:
Bender, F.: Geologie von J. Berlin u. a. 1968.
J. Auf den Spuren alter Kulturen, hg. v. F. Dexinger u. a. Innsbruck 1985.
Scheck, F. R.: J. Völker u. Kulturen zw. Jordan u. Rotem Meer. Köln 21987.
Der Königsweg. 9 000 Jahre Kunst u. Kultur in J. Mainz 1987.
Czichowski, F.: J. Internat. Migration, wirtschaftl. Entwicklung u. soziale Stabilität. Hamburg 1990.
Ṣalībī, K. S.: The modern history of Jordan. London 1993.
Lavergne, M.: La Jordanie. Paris 1996.
Winckler, O.: Population growth and migration in Jordan. 1950 - 1994. Brighton 1997.
Piro, T. J.: The political economy of market reform in Jordan. Lanham 1998.
The prehistoric archaeology of Jordan, hg. v. D. O. Henry. Oxford 1998.
Dieterich, R.: Transformation oder Stagnation? Die jordanische Demokratisierungspolitik seit 1989. Hamburg 1999.
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