Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Jazz
Jazz [jats, engl. dʒæz; engl.-amerikan., Herkunft ungeklärt] der, Ende des 19. Jh. von den Nachfahren der als Sklaven in die Südstaaten der USA gebrachten Afrikaner entwickelte Musik. Der J. bildete sich in einem Verschmelzungsprozess aus Elementen der afroamerikan. Volksmusik (Blues, Worksong, Spiritual) und der europ.-amerikan. Marsch-, Tanz- und Populärmusik. - Der urspr. volkstümliche J. entwickelte sich in drei sich oft überkreuzenden Grundlinien als Musik zu Unterhaltung und Tanz, als Kunstmusik und als Ausdruck sozialen Protests. - Charakteristisch ist die Improvisation, d. h., die Musiker haben die Möglichkeit, innerhalb einer vorgegebenen Form, die sie an Tonart, Grundrhythmus und Harmonienablauf bindet, gemeinsam oder solistisch Melodie und Rhythmus frei zu gestalten. Die innere Spannung des J.-Rhythmus entsteht durch die Überlagerung versch. improvisierter Rhythmen über einem festliegenden Grundrhythmus. Die J.-Melodik ist durch die Verwendung von kleinen Terzen, verminderten Quinten und kleinen Septimen (Bluenotes) und vorzugsweise der Durtonarten charakterisiert. J. wird in kleinen Ensembles (Combos) oder in Orchestern (Bands) gespielt. Innerhalb der J.-Band werden die Melodiegruppe und die Rhythmusgruppe unterschieden. In der Intonation besitzt der J.-Musiker weitgehende Freiheit. Daher setzten sich im J. solche Instrumente durch, die eine persönl. Phrasierungsweise zulassen: Trompete, Posaune, Klarinette, Vibraphon, Saxophon in der Melodiegruppe; Kontrabass, Klavier, Gitarre, Tuba, Banjo und Schlagzeug in der Rhythmusgruppe. In der originellen, nicht übertragbaren Spielleistung des J.-Musikers überwindet der J. weitgehend den Ggs. zw. vorgegebener Komposition und bloßer Ausführung.Der erste ausgeprägte J.-Stil war der New-Orleans-J., in den bereits der gesungene Blues einging. Nach der 1917 verfügten Schließung des Vergnügungsviertels (»Storyville«) in New Orleans wurde Chicago das Zentrum des J., der hier zur vollen Entwicklung kam (Chicago-Stil). Die 20er-Jahre brachten den Höhepunkt des Vocal Blues, zugleich entwickelten weiße Musiker den Dixieland-J., in den 30er-Jahren kam der Swing auf. Es folgte in den 40er-Jahren der Modern-J. oder Bebop mit schnelleren, aggressiveren Improvisationen der J.-Themen und in den 50er-Jahren der Cool-J. Ein Seitenzweig des Modern-J. war der sich mit anderen modernen Musikrichtungen verbindende Progressive-J. Aus dem Hardbop, einer stilist. Rückkehr zum Bebop, entstand in den 60er-Jahren der frei experimentierende Free-J. In den 70er-Jahren entwickelte sich der Electric-J., der viele Elemente der Rockmusik aufnahm. Ende der 70er-Jahre setzte, ausgehend von den USA, eine Wiederbelebung des J. der 50er-Jahre ein, das Bebop-Revival. In den 80er- und 90er-Jahren herrscht ein weit gehender stilist. Pluralismus (mit neoklassizist. und klassizist. Tendenzen), verbunden mit einer verstärkten Kommerzialisierung.
Literatur:
Jacobs, M.: All that J. Die Gesch. einer Musik. Stuttgart 1996.
Lange, H. H.: J. in Deutschland. Die dt. J.-Chronik bis 1960. Hildesheim 21996.
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