Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
indische Philosophie und Religion.
ịndische Philosophie und Religion.Das philosoph. Denken Indiens entwickelte sich und steht bis in die Gegenwart in engem Zusammenhang mit religiösen Vorstellungen (Hinduismus, Buddhismus); es hat seine Grundlagen in den Veden (Veda), auf denen seit ca. 800 v. Chr. Lit. und Philosophie der Brahmanas und der Upanishaden aufbauen. Zentrales Thema ist das Problem der Erlösung aus dem auf Seelenwanderung und Reinkarnation beruhenden Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara), d. h. das endgültige Aufgehen des Einzelnen in dem einen Ganzen; Ethik, Kosmologie, Metaphysik und rituelle (Opfer-)Vorschriften werden dieser Frage zugeordnet. Ist die vedische Religion klass. Volksreligion mit einer Vielzahl von Göttern, geprägt durch zahlr. Opfer und Opfervorschriften, interpretiert der ihr folgende Brahmanismus die Veden im Sinne eines philosoph. Monismus. Der dualist. Konzeption der ved. Kosmologie von dem am Anfang stehenden Einen (Weltei), das sich in ein männl. und ein weibl. Prinzip spalte, aus dem die Welt in ihrer Vielheit hervorgehe, stellt das brahman. Denken das Modell des grundsätzl., durch nichts bedingten Einen (Brahman) als des Seins schlechthin entgegen. Dieses stehe jenseits der durch Vielfalt, Veränderlichkeit und Vergänglichkeit charakterisierten Welt der Erscheinungen (Maya). Das individuelle Selbst des Menschen wird als Atman bezeichnet. In den auf der Grundlage der Upanishaden seit dem 1. Jh. n. Chr. entstandenen Schulen des Vedanta, deren Hauptvertreter Shankara (8. Jh. n. Chr.) ist, erreichte das brahman. Denken seinen Höhepunkt: Brahman und Atman werden als völlig wesensgleich gedacht, und in dem Wissen um diese Identität liegt die Erlösung. - Neben dem Vedanta bildeten sich zw. 500 v. Chr. und 1000 n. Chr. noch fünf weitere religionsphilosoph. Systeme heraus, unterschieden nach den Methoden der Erkenntnis der Wirklichkeit: die vornehmlich praxisorientierten Systeme der Mimamsa, des Samkhya und Nyaya und die metaphys. Systeme des Yoga und Vaisheshika; in der neueren ind. Philosophie als orthodox (die Autorität der Veden anerkennend) vom Buddhismus, Dschainismus und Materialismus unterschieden. Etwa ab 1000 n. Chr. beherrschte der Brahmanismus in seiner Spätform als Hinduismus das ind. Denken. Erlösung wird auf den Wegen des Yoga (Askese), des Karma (den Kastenpflichten, d. h. Dharma, gemäßes Handeln) oder der Bhakti (Gottesliebe) erlangt. Das moderne ind. philosophisch-religiöse Denken setzte im 19. Jh. mit der von Rammohan Roy (* 1772, ✝ 1833) 1828 in Kalkutta gegr. Gottesges. (Brahma-Samay) ein und ist mit Philosophen wie Vivekananda (* 1863, ✝ 1902), R. Tagore, S. Radhakrishnan, M. K. Gandhi und Sri Aurobindo verbunden. Neben Versuchen des Vergleichs und der Synthese mit Elementen westlich-christl. Denkens versteht sich der Neohinduismus - als in der Tradition des universalen »Geistes Asiens« stehend - als dem westl. Denken überlegen.
▣ Literatur:
Frauwallner, E.: Geschichte der ind. Philosophie, 2 Bde. Salzburg 1953-56.
⃟ Glasenapp, H. von: Die Philosophie der Inder. Stuttgart 41985.
⃟ Klaus, K.: Die altind. Kosmologie nach den Brahmanas dargestellt. Bonn 1986.
⃟ Zimmer, H.: Philosophie u. Religion Indiens. A. d. Engl. Frankfurt am Main 71992.
ịndische Philosophie und Religion.Das philosoph. Denken Indiens entwickelte sich und steht bis in die Gegenwart in engem Zusammenhang mit religiösen Vorstellungen (Hinduismus, Buddhismus); es hat seine Grundlagen in den Veden (Veda), auf denen seit ca. 800 v. Chr. Lit. und Philosophie der Brahmanas und der Upanishaden aufbauen. Zentrales Thema ist das Problem der Erlösung aus dem auf Seelenwanderung und Reinkarnation beruhenden Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara), d. h. das endgültige Aufgehen des Einzelnen in dem einen Ganzen; Ethik, Kosmologie, Metaphysik und rituelle (Opfer-)Vorschriften werden dieser Frage zugeordnet. Ist die vedische Religion klass. Volksreligion mit einer Vielzahl von Göttern, geprägt durch zahlr. Opfer und Opfervorschriften, interpretiert der ihr folgende Brahmanismus die Veden im Sinne eines philosoph. Monismus. Der dualist. Konzeption der ved. Kosmologie von dem am Anfang stehenden Einen (Weltei), das sich in ein männl. und ein weibl. Prinzip spalte, aus dem die Welt in ihrer Vielheit hervorgehe, stellt das brahman. Denken das Modell des grundsätzl., durch nichts bedingten Einen (Brahman) als des Seins schlechthin entgegen. Dieses stehe jenseits der durch Vielfalt, Veränderlichkeit und Vergänglichkeit charakterisierten Welt der Erscheinungen (Maya). Das individuelle Selbst des Menschen wird als Atman bezeichnet. In den auf der Grundlage der Upanishaden seit dem 1. Jh. n. Chr. entstandenen Schulen des Vedanta, deren Hauptvertreter Shankara (8. Jh. n. Chr.) ist, erreichte das brahman. Denken seinen Höhepunkt: Brahman und Atman werden als völlig wesensgleich gedacht, und in dem Wissen um diese Identität liegt die Erlösung. - Neben dem Vedanta bildeten sich zw. 500 v. Chr. und 1000 n. Chr. noch fünf weitere religionsphilosoph. Systeme heraus, unterschieden nach den Methoden der Erkenntnis der Wirklichkeit: die vornehmlich praxisorientierten Systeme der Mimamsa, des Samkhya und Nyaya und die metaphys. Systeme des Yoga und Vaisheshika; in der neueren ind. Philosophie als orthodox (die Autorität der Veden anerkennend) vom Buddhismus, Dschainismus und Materialismus unterschieden. Etwa ab 1000 n. Chr. beherrschte der Brahmanismus in seiner Spätform als Hinduismus das ind. Denken. Erlösung wird auf den Wegen des Yoga (Askese), des Karma (den Kastenpflichten, d. h. Dharma, gemäßes Handeln) oder der Bhakti (Gottesliebe) erlangt. Das moderne ind. philosophisch-religiöse Denken setzte im 19. Jh. mit der von Rammohan Roy (* 1772, ✝ 1833) 1828 in Kalkutta gegr. Gottesges. (Brahma-Samay) ein und ist mit Philosophen wie Vivekananda (* 1863, ✝ 1902), R. Tagore, S. Radhakrishnan, M. K. Gandhi und Sri Aurobindo verbunden. Neben Versuchen des Vergleichs und der Synthese mit Elementen westlich-christl. Denkens versteht sich der Neohinduismus - als in der Tradition des universalen »Geistes Asiens« stehend - als dem westl. Denken überlegen.
▣ Literatur:
Frauwallner, E.: Geschichte der ind. Philosophie, 2 Bde. Salzburg 1953-56.
⃟ Glasenapp, H. von: Die Philosophie der Inder. Stuttgart 41985.
⃟ Klaus, K.: Die altind. Kosmologie nach den Brahmanas dargestellt. Bonn 1986.
⃟ Zimmer, H.: Philosophie u. Religion Indiens. A. d. Engl. Frankfurt am Main 71992.