Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
indische Literaturen.
ịndische Literaturen.Sie umfassen das literar. Schrifttum auf dem ind. Subkontinent von den Anfängen einer noch immer unentzifferten Schrift der Harappakultur (etwa 2000 v. Chr.) bis zu den gegenwärtigen Literaturen von Bangladesh, Indien, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. Seit etwa 1500 v. Chr. entwickelten sich die Hauptströmungen des Schrifttums organisch aus den Veden (Veda). An die ved. Brahmanas schlossen sich die Upanishaden an. Während Buddhisten und Dschainas (Jainas) zweckgebunden zunächst Volkssprachen bevorzugten (Pali, Prakrit), pflegte die Hindukaste der Brahmanen das Sanskrit (seit dem 5. Jh. v. Chr., Kunstsprache), schuf die bis heute verbindl. Grammatik (Panini, 5./4. Jh. v. Chr.) und schuf zus. mit dem Kriegeradel die Nationalepen »Ramayana« und »Mahabharata«. Das Drama erreichte seinen Höhepunkt in Kalidasas »Shakuntala« (um 400). Als zweite große klass. Literaturgattung gilt das Kunstepos, das Episoden aus den ind. Götterlegenden behandelt (Epen von Kalidasa; Jayadeva: »Gitagovinda«). Die volkstüml. Erzählliteratur ist in großen Sammelwerken überliefert, die z. T. auch didakt. Zwecke verfolgen (»Pancatantra«). Ein Teil der Veden ist in Hymnenform gefasst; das kurze lyr. Gedicht in Sanskrit und Prakrit scheint auf eine südindisch-dravid. Tradition zurückzugehen. Der dravid. Süden ist auch reich an Spruchdichtung; die Anfänge der gefühlsträchtigen religiösen Lyrik der Hingabe (Bhakti) sind im Tamil (seit dem 6. Jh.) zu suchen. - Die enzyklopäd. Sammelwerke der Hindureligion (Puranas und Agamas) liefern ein reiches Legendenmaterial. - Die Übersetzung der großen Epen in die neuind. Sprachen begann mit der Mahabharata-Übersetzung ins Tamil (8. Jh.). Ein Meisterwerk schuf Tulsidas (* um 1532, ✝ 1623) mit seiner Neuschöpfung der Ramalegende im Geiste der Bhakti-Frömmigkeit (»Ramcaritmanas«). Die Dschainas, die Kunstpoesie hauptsächlich in Prakrit verfassten, führten die gelehrte Dichtung auch in die neuind. Literaturen ein.Die Muslime Indiens besitzen eine eigene Literatur, die sich nur langsam von den auch in Indien lebendigen arab. und pers. Traditionen befreien konnte. Wali, Rafi Sauda, Mir Dard, Mir Taqi Mir und bes. Ghalib schufen im 18. und 19. Jh. bed. Dichtungen in klass. pers. Formen (Ghasel, Kasside und Mesnewi waren die beliebtesten Strophenformen).
Während die Entwicklung der islam. Literatur kaum Einfluss auf die Hindus nahm, brachte die brit. Herrschaft über Indien tief greifende Veränderungen mit sich. So entstand in Bengalen eine neue Epik, die europ. und ind. Vorbilder vereinigte. Angeregt von W. Scott schrieb Bankimchandra Chatterjee (* 1838, ✝ 1894) die ersten beispielhaften ind. Romane. 1913 erhielt R. Tagore den Nobelpreis für seine myst. Dichtung »Gitanjali« (1910); seine symbol. Lyrik wurde zum Vorbild für Dichter in fast allen ind. Sprachen. - Im 20. Jh. meldeten sich auch realist. Erzähler zu Wort: Saratchandra Chatterjee (* 1876, ✝ 1938) und Tarashankar Bannerjee (* 1894, ✝ 1950) (in Bengali), ferner Premcand (* 1880, ✝ 1936; in Hindi), M. R. Anand, S. Rushdie in Englisch u. a. Der Bengale Vibhutibhushan Bannerjee (* 1894, ✝ 1950) und Upendranath Ashk (* 1910) gestalteten individuelle Schicksale; die moderne Lyrik in Bengalen vertritt u. a. Bishnu De (* 1909, ✝ 1982).Die Literatur von Sri Lanka steht von den Anfängen im 3. Jh. v. Chr. bis heute im Zeichen des Buddhismus. Seit dem 11. Jh. ist Singhalesisch Literatursprache.
Literatur:
Winternitz, M.: Geschichte der i. L., 3 Bde. Leipzig 1908-20, Nachdr. Stuttgart 1968.
Glasenapp, H. von: Die Literaturen Indiens. Stuttgart 1961.
A history of Indian literature, hg. v. J. Gonda, 10 Bde. in 30 Tlen. Wiesbaden 1973-87.
Garg, G. R.: International encyclopaedia of Indian literature, 9 Bde. Delhi 1987-95.
Mylius, K.: Geschichte der altind. Literatur. Neuausg. Bern u. a. 1988.
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