Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Israel
I Ịsrael (hebr. Jisrael) [»er streitet mit Gott«], dem Stammvater Jakob von Gott verliehener Name (1. Mose 32, 29; 35, 10), der auf das Volk I. als seine Nachkommenschaft übergeht, die in 5. Mose 4, 44 als »Kinder I.s« bezeichnet wird; die älteste außerbibl. Erwähnung findet sich auf der Siegesstele des Pharao Merenptah (letztes Drittel des 12. Jh. v. Chr.); nach dem Tod Salomos und der ihm folgenden Reichsteilung (926 v. Chr.) Bez. für das N-Reich im Unterschied zum S-Reich Juda. Die israelit. Stämme sind in mehreren Wellen vom 15. bis 13. Jh. v. Chr. von S und O allmählich in das von den Kanaanäern besiedelte Kulturland Palästina vorgedrungen und dort ansässig geworden. Nach der Überlieferung hat Moses die religiöse Einheit im Glauben an Jahwe geschaffen.
Die Anfänge einer polit. Einheit des Volks zeigten sich in einem religiös-polit. Schutzverband der 12 Stämme (Richter). Die erste Staatenbildung erfolgte um 1050-1000 v. Chr. durch Saul, der die israelit. Stämme Galiläas, Mittelpalästinas und des Ostjordanlands im Kampf gegen ihre westl. und östl. Nachbarn (Philister und Ammoniter) vereinigte. Sein Nachfolger, König David (etwa 1004-965 v. Chr.), gründete dann von dem im S wohnenden Stamm Juda aus das Großreich I. und machte Jerusalem zum polit. Mittelpunkt. Unter seinem Sohn Salomo (965-926 v. Chr.) erlebte das Reich seine Glanzzeit (Tempelbau in Jerusalem). Nach seinem Tod kam es zur Teilung des Reichs (926 v. Chr.) in das S-Reich Juda mit Jerusalem als Hptst. und das N-Reich I. mit der Hptst. Samaria. Nach dauernder Feindschaft dieser beiden Reiche und Reibungen mit den umliegenden Staaten vernichtete das erstarkte Assyrerreich 722 v. Chr. das N-Reich I. und machte es zur assyr. Prov.; die Bevölkerung wurde deportiert bzw. ging in neu angesiedelten Völkerschaften auf (Juden). - In der israelit. Königszeit wirkten die großen alttestamentl. Propheten; ihre Verkündigung bewahrte die Jahwe-Religion vor völliger Vermischung mit dem alteingesessenen kanaanäischen Baalsdienst (Talmud, Pentateuch).
▣ Literatur:
Noth, M.: Geschichte I.s. Göttingen 101986.
⃟ Dietrich, W.: David, Saul u. die Propheten. Stuttgart 21992.
⃟ Lemche, N. P.: Die Vorgeschichte I.s von den Anfängen bis zum Ausgang des 13. Jh. v. Chr. Stuttgart 1996.
II Ịsrael
⃟ Fläche: 20 770 km2
Einwohner: (1995) 5,629 Mio.
Hauptstadt: Jerusalem
Verwaltungsgliederung: 6 Distrikte
Amtssprachen: Hebräisch und Arabisch
Nationalfeiertag: 5. Ijjär (zw. Mitte April und Mitte Mai)
Währung: 1 Neuer Schekel (NIS) = 100 Agorot
Zeitzone: MEZ + 1 Std.
(amtlich hebr. Medinat Jisrael; dt. Staat I.), Staat in Vorderasien, grenzt im W an das Mittelmeer, im N an Libanon, im äußersten NO an Syrien, im O an Jordanien und im SW an Ägypten; die Südspitze reicht bis an den Golf von Akaba des Roten Meeres. I. hält Teile des Westjordanlands und der Golanhöhen besetzt.
Staat und Recht: I. ist eine parlamentar. Rep.; es besitzt keine geschriebene Verf., sondern nur eine Reihe verabschiedeter Grundgesetze. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf fünf Jahre gewählte Präs., der im Wesentlichen repräsentative Funktionen erfüllt. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (Knesset; 120 für vier Jahre gewählte Abg.). Exekutivorgan ist die dem Parlament verantwortl. Reg. unter Vorsitz des Premiermin., der nach der Wahlrechtsreform vom 18. 3. 1992 direkt gewählt wird. Ein von der Knesset für fünf Jahre gewählter Ombudsmann kontrolliert die Arbeit der Reg. u. a. Behörden und Institutionen. Einflussreichste Parteien des breit gefächerten Parteienspektrums sind die Israel. Arbeitspartei (seit 1992 »Avoda«), der aus mehreren Parteien bestehende Likud-Block, der Meretz-Block sowie die religiösen Parteien (Schas, Nationalreligiöse Partei u. a.).
Landesnatur: Das Land erstreckt sich von N nach S über 400 km; der S wird von der Wüste Negev eingenommen. Der N gliedert sich in drei Zonen: die Küstenebene mit Dünenrand zum Mittelmeer, das judäische, samaritan. und galiläische Bergland (im Hare Meron 1 208 m ü. M.) und der Jordangraben. 75 % der Bev. leben in der Küstenebene, die im Bewässerungsfeldbau genutzt wird. I. liegt im Übergangsgebiet von Mittelmeer- (Winterregen) zu Wüstenklima; der Sommer ist warm und trocken, der Winter ist im Bergland kühl bis kalt, in den Niederungen mild. Niederschlagsmengen: im N 500-700 mm, im S (Aravasenke) 50 mm jährlich. Die Vegetation reicht von mediterranen Pflanzengemeinschaften zu Wüstenflora; natürl. Wald steht nur auf dem Karmel; durch Aufforstungen wurden 116 000 ha bepflanzt.
Bevölkerung: Staatstragendes Volk sind die Juden, die sich in Vatiqim (vor der Staatsgründung eingewandert), Olim (nach der Staatsgründung eingewandert) und Sabra (im Lande Geborene) gliedern. In I. leben etwa 0,65 Mio. Araber (»Palästinenser«); von den 40 000 Beduinen sind nur noch wenige reine Nomaden. Die jüd. Einwanderer (seit 1882) kamen zunächst v. a. aus Mittel- und O-Europa (Aschkenasim), später aus islam. Ländern von N-Afrika bis Irak (Sephardim), gegen Ende der 1950er-Jahre aus O-Europa; seit 1970 bes. hoher Einwandereranteil aus der UdSSR, der sich seit 1989/90 noch sprunghaft verstärkt hat. Bis zum Ersten Weltkrieg kamen etwa 50 000-70 000 Juden, 1919-48 weitere 500 000, 1949 240 000, 1980-88 jährlich 15 000, 1989-93 754 000. Für die Neueinwanderer wurden Entwicklungsstädte gegründet. Großstädte: Jerusalem, Tel Aviv-Jaffa, Haifa, Bat Yam, Holon u. a. - Allg. Schulpflicht vom 5. bis 14. Lebensjahr; Unterrichtssprache ist Hebräisch, in arab. Schulen Arabisch. Neben den öffentl. Pflichtschulen bestehen staatlich anerkannte religiöse Schulen; fünf Univ., u. a. in Jerusalem (gegr. 1918), Ramat Gan (1953), Haifa (1963); Weizmann-Institut in Rehovot (1949), TH in Haifa (1912). - In I. bekennen sich 81 % der Bev. zur jüd. Religion, 14,4 % der Ew. sind Muslime, 2,9 % Christen und 1,7 % Drusen. In I. befinden sich das internat. Zentrum (Haifa) und die wichtigsten Heiligtümer (Haifa, Akko) der Bahai-Religion.
Wirtschaft, Verkehr: I. hat unter ungünstigen Bedingungen (Wüsten, Wassermangel, Rohstoffknappheit, Kriege) einen modernen Ind.staat mit leistungsfähiger Landwirtschaft aufgebaut. Das größte wirtsch. Problem ist die Eindämmung der Inflation, die zu hohen Leistungsbilanzdefiziten und Auslandsschulden führte. I. hat mit rd. 40 Mrd. US-$ Auslandsschulden die weltweit höchste Pro-Kopf-Verschuldung, erhält aber auch die höchste öffentl. Entwicklungshilfe. 1990 wurden 24 % des Staatshaushalts für militär. Zwecke verwendet. - Die Landwirtschaft ist hochintensiv, marktorientiert und stark mechanisiert; sie erbringt über 20 % der Exporterlöse. Der Anbau ist v. a. auf die schmale, klimabegünstigte Küstenebene und auf die feuchteren nördl. Landesteile konzentriert. Auch im N der Wüste Negev wurden weite Teile durch Bewässerung für die Landwirtschaft nutzbar gemacht. Als Ackerland und für Dauerkulturen können etwa 25 % der Gesamtfläche genutzt werden, davon wird fast die Hälfte bewässert (die Landwirtschaft verbraucht bis zu 85 % des verfügbaren Wassers). Hauptwasserlieferant ist der See Genezareth. 40 % der Fläche sind Naturweiden. Die ertragreichsten Zweige sind Milchwirtschaft und Geflügelzucht. Wichtigste Exportprodukte sind Frühgemüse, Obst und Blumen. Die bedeutendsten Erzeugnisse des Ackerbaus sind Weizen und Baumwolle, der Obstplantagen Zitrusfrüchte. Der von den jüd. Landwirten bewirtschaftete Boden ist zu rd. 90 % Staatsbesitz, er wird an die Siedler in Erbpacht abgegeben. 90 % der jüd. Landwirte sind entweder in Kollektivsiedlungen (Kibbuzim) oder »kooperativen« Dörfern (Moshavim) organisiert.
An Bodenschätzen werden v. a. Phosphate (im nördl. Negev; Region Arad), Kupfererze, Gips und Mineralsalze des Toten Meeres (Brom-, Magnesium-, Kalisalze) ausgebeutet. - Die verarbeitende Ind. erzeugt aus heim. sowie importierten Rohstoffen (2/3 der Importe) und Halbfabrikaten fast alle Güter des Inlandverbrauchs sowie Ausfuhrgüter. Bed. Zweige sind neben der Baustoff- und chem. Ind. die Metallverarbeitung (importierter Stahl), die feinmechan., Elektro- und Elektronikindustrie. Herausragende Bedeutung haben die rd. 650 Diamantenschleifereien, in denen 52 % aller Rohdiamanten der Welt geschliffen werden; Diamantenbörse Ramat Gan. Ziele des Fremdenverkehrs sind antike Kulturdenkmäler, Stätten der Bibel, Kreuzfahrerburgen und Badeorte. - Wichtigste Handelspartner sind die EG-Länder, die USA, die Schweiz, Japan u. a. - Auf Straßen (13 350 km) entfällt der größte Teil der Warentransporte und des Personenverkehrs. Die Eisenbahn (526 km) befördert v. a. Massengüter. Bed. Häfen sind Haifa und Ashdod am Mittelmeer, Elat am Roten Meer. Internat. Flughafen »Ben Gurion« südöstlich von Tel Aviv-Jaffa; nat. Flugges. EL AL.
Geschichte: Am 15. 5. 1948 erlosch das brit. Mandat über Palästina. Am 14. 5. 1948 (5. Ijjar) rief der Jüd. Nationalrat den unabhängigen Staat I. aus, der 77 % Palästinas umfasste (Jom Haazmaut); O-Palästina wurde am 24. 4. 1950 Jordanien angegliedert (»Westjordanland«). Es kam am 15. 5. 1948 zum 1. Israelisch-Arab. Krieg (»Palästina-Krieg«, in dem sich I. behauptete (Waffenstillstandsabkommen 1949). Durch die Flucht bzw. Vertreibung von 600 000 bis 850 000 Arabern (Palästinensern) aus I. 1947/48 entstanden in den arab. Nachbarstaaten große Flüchtlingslager. - Nach den ersten Wahlen (1949) wurde die sozialdemokrat. Mapai (Israel. Arbeiterpartei) führende Reg.partei (MinPräs. bis 1977: D. Ben Gurion, M. Scharrett, L. Eschkol, G. Meir, I. Rabin) und stellte bisher alle Staatspräs.: C. Weizmann, I. Ben Zwi, S. Schasar, I. Navon, E. Katzir, C. Herzog, E. Weizman (seit 1993).
Das Spannungsverhältnis zu den arab. Staaten, die I.s staatl. Existenz infrage stellen, und das Palästinenserproblem steigerten sich mit starken internat. Aspekten zum Nahostkonflikt, der sich zunächst im Sueskrieg (1956), dann im Sechstagekrieg (1967) militärisch entlud. 1967 besetzte I. das Westjordanland, die Sinaihalbinsel, den Gazastreifen und die syr. Golanhöhen. Im Okt. 1973 brachte der ägyptisch-syr. Angriff (»Jom-Kippur-Krieg«) I. in Bedrängnis. Unter Vermittlung des amerikan. Außenmin. H. A. Kissinger gab I. 1974 in einem Vertrag mit Ägypten einen Streifen am Sueskanal, in einem Abkommen mit Syrien das Gebiet um Kuneitra auf den Golanhöhen zurück. Guerillaaktionen der palästinens. Araber (Palästinensische Befreiungsorganisation) suchte I. durch militär. Kommandounternehmen gegen palästinens. Basen (bes. im Libanon) entgegenzuwirken. Nach den Wahlen 1977 übernahm der Likud-Block die Regierung (MinPräs. bis 1983 M. Begin, dann Y. Schamir); er setzte eine intensive Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten in Gang. Mit seiner Reise nach Jerusalem leitete der ägypt. Präs. A. as-Sadat 1977 eine Friedensinitiative gegenüber I. ein; sie führte über die Verträge von Camp David zum ägyptisch-israel. Friedensvertrag von 1979. Beide Staaten leiteten Verhandlungen über die Autonomie der palästinens. Araber ein. Ende Juli 1980 erklärte die Knesset ganz Jerusalem zur Hauptstadt Israels. Bis April 1982 gab I. die Sinaihalbinsel an Ägypten zurück (Taba erst Febr. 1989). Mit dem Einmarsch seiner Truppen in den S-Libanon (Juni 1982) suchte I. den Libanon als palästinens. Angriffsbasis auszuschalten (Abzug der PLO).
Die vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. 7. 1984 führten zur großen Koalition von Likud-Block und Arbeiterpartei; nach dem Rotationsprinzip amtierte zunächst S. Peres (Sept. 1984 bis Okt. 1986), danach Y. Schamir als MinPräs. Die nach den Wahlen am 1. 11. 1988 fortgesetzte Koalition zerbrach im März 1990 an der Frage der Beteiligung der PLO an Friedensgesprächen (nach einem von USA-Außenmin. J. Baker im Herbst 1989 vorgelegten Friedensplan). Die im Juni 1990 v. a. vom Likud-Block gebildete Regierung unter Schamir betonte ihre Ablehnung von Verhandlungen mit der PLO ebenso wie des von dieser 1988 proklamierten Staates Palästina. Der im Dez. 1987 ausgebrochene Palästinenseraufstand (»Intifada«) wurde im Jan. 1991 durch den 2. Golfkrieg überdeckt. Im Okt. 1991 begannen die ersten israelisch-arab. Friedensverhandlungen (Nahostfriedenskonferenz); dennoch setzte I. zunächst seine z. T. stark kritisierte Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten fort. Nach den Parlamentswahlen vom 23. 6. 1992 übernahm die in »Avoda« umbenannte Israel. Arbeitspartei (Mapai) die Regierungsverantwortung. Premiermin. an der Spitze einer Mitte-Links-Koalition wurde im Juli 1992 I. Rabin (Avoda). Im März 1993 wählte die Knesset E. Weizman zum Staatspräs. (Wiederwahl 1998). Unter dem Leitwort »Land für Frieden« brachte diese Regierung einen Friedensprozess im Nahostkonflikt in Gang (u. a. im Juli 1992 Einschränkung der israel. Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten; Jan. 1993 Aufhebung des Verbots von Kontakten mit der PLO). Mit der gegenseitigen Anerkennung sowie dem Gaza-Jericho-Abkommen (Sept. 1993) erreichten I. und die PLO eine neue Stufe ihrer Beziehungen, die sie in den folgenden Jahren zu konkretisieren suchten. Am 26. 10. 1994 schlossen I. und Jordanien einen Friedensvertrag. Radikale Gegner des Friedensprozesses auf israel. und arab. Seite suchen den Friedensprozess zu stören. Nach der Ermordung Rabins (Nov. 1995, durch einen israel. Extremisten) setzte der bisherige Außenmin. S. Peres, nunmehr im Amt des MinPräs., dessen Politik fort.
Bei der ersten Direktwahl eines MinPräs. am 19. 5. 1996 siegte der Vors. des Likud-Blocks, B. Netanjahu. An der Spitze einer Koalition des Likud mit religiösen und rechtsgerichteten Parteien suchte dieser die israelisch-palästinens. Vereinbarungen zu modifizieren, brachte jedoch den Friedensprozess auf einen Tiefpunkt, der erst Ende 1998 durch das Wye-Abkommen überwunden werden konnte. Nach den (vorgezogenen) Wahlen vom 17. 5. 1999 übernahm E. Barak (Israel. Arbeitspartei, zur Wahl umbenannt in »Ein Israel«) die Reg. Diese steht vor der Aufgabe, den Friedensprozess im Sinn von I. Rabin fortzusetzen (u. a. Endstatus-Verhandlungen mit den Palästinensern, Friedensvertrag mit Syrien). In der Jerusalem-Frage will sie allerdings keine Konzessionen machen.
▣ Literatur:
Gunneweg, A. H. J.: Geschichte I.s von den Anfängen bis Bar Kochba u. von Theodor Herzl bis zur Gegenwart. Stuttgart u. a. 61989.
⃟ Glasneck, J. u. Timm, A.: I. Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung. Bonn 21994.
⃟ Karmon, Y.: I. Eine geograph. Landeskunde. Darmstadt 21994.
⃟ Wolffsohn, M. u. Bokovoy, D.: I. Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft (1882-1996). Opladen 51996.
Die Anfänge einer polit. Einheit des Volks zeigten sich in einem religiös-polit. Schutzverband der 12 Stämme (Richter). Die erste Staatenbildung erfolgte um 1050-1000 v. Chr. durch Saul, der die israelit. Stämme Galiläas, Mittelpalästinas und des Ostjordanlands im Kampf gegen ihre westl. und östl. Nachbarn (Philister und Ammoniter) vereinigte. Sein Nachfolger, König David (etwa 1004-965 v. Chr.), gründete dann von dem im S wohnenden Stamm Juda aus das Großreich I. und machte Jerusalem zum polit. Mittelpunkt. Unter seinem Sohn Salomo (965-926 v. Chr.) erlebte das Reich seine Glanzzeit (Tempelbau in Jerusalem). Nach seinem Tod kam es zur Teilung des Reichs (926 v. Chr.) in das S-Reich Juda mit Jerusalem als Hptst. und das N-Reich I. mit der Hptst. Samaria. Nach dauernder Feindschaft dieser beiden Reiche und Reibungen mit den umliegenden Staaten vernichtete das erstarkte Assyrerreich 722 v. Chr. das N-Reich I. und machte es zur assyr. Prov.; die Bevölkerung wurde deportiert bzw. ging in neu angesiedelten Völkerschaften auf (Juden). - In der israelit. Königszeit wirkten die großen alttestamentl. Propheten; ihre Verkündigung bewahrte die Jahwe-Religion vor völliger Vermischung mit dem alteingesessenen kanaanäischen Baalsdienst (Talmud, Pentateuch).
▣ Literatur:
Noth, M.: Geschichte I.s. Göttingen 101986.
⃟ Dietrich, W.: David, Saul u. die Propheten. Stuttgart 21992.
⃟ Lemche, N. P.: Die Vorgeschichte I.s von den Anfängen bis zum Ausgang des 13. Jh. v. Chr. Stuttgart 1996.
II Ịsrael
⃟ Fläche: 20 770 km2
Einwohner: (1995) 5,629 Mio.
Hauptstadt: Jerusalem
Verwaltungsgliederung: 6 Distrikte
Amtssprachen: Hebräisch und Arabisch
Nationalfeiertag: 5. Ijjär (zw. Mitte April und Mitte Mai)
Währung: 1 Neuer Schekel (NIS) = 100 Agorot
Zeitzone: MEZ + 1 Std.
(amtlich hebr. Medinat Jisrael; dt. Staat I.), Staat in Vorderasien, grenzt im W an das Mittelmeer, im N an Libanon, im äußersten NO an Syrien, im O an Jordanien und im SW an Ägypten; die Südspitze reicht bis an den Golf von Akaba des Roten Meeres. I. hält Teile des Westjordanlands und der Golanhöhen besetzt.
Staat und Recht: I. ist eine parlamentar. Rep.; es besitzt keine geschriebene Verf., sondern nur eine Reihe verabschiedeter Grundgesetze. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament auf fünf Jahre gewählte Präs., der im Wesentlichen repräsentative Funktionen erfüllt. Die Legislative liegt beim Einkammerparlament (Knesset; 120 für vier Jahre gewählte Abg.). Exekutivorgan ist die dem Parlament verantwortl. Reg. unter Vorsitz des Premiermin., der nach der Wahlrechtsreform vom 18. 3. 1992 direkt gewählt wird. Ein von der Knesset für fünf Jahre gewählter Ombudsmann kontrolliert die Arbeit der Reg. u. a. Behörden und Institutionen. Einflussreichste Parteien des breit gefächerten Parteienspektrums sind die Israel. Arbeitspartei (seit 1992 »Avoda«), der aus mehreren Parteien bestehende Likud-Block, der Meretz-Block sowie die religiösen Parteien (Schas, Nationalreligiöse Partei u. a.).
Landesnatur: Das Land erstreckt sich von N nach S über 400 km; der S wird von der Wüste Negev eingenommen. Der N gliedert sich in drei Zonen: die Küstenebene mit Dünenrand zum Mittelmeer, das judäische, samaritan. und galiläische Bergland (im Hare Meron 1 208 m ü. M.) und der Jordangraben. 75 % der Bev. leben in der Küstenebene, die im Bewässerungsfeldbau genutzt wird. I. liegt im Übergangsgebiet von Mittelmeer- (Winterregen) zu Wüstenklima; der Sommer ist warm und trocken, der Winter ist im Bergland kühl bis kalt, in den Niederungen mild. Niederschlagsmengen: im N 500-700 mm, im S (Aravasenke) 50 mm jährlich. Die Vegetation reicht von mediterranen Pflanzengemeinschaften zu Wüstenflora; natürl. Wald steht nur auf dem Karmel; durch Aufforstungen wurden 116 000 ha bepflanzt.
Bevölkerung: Staatstragendes Volk sind die Juden, die sich in Vatiqim (vor der Staatsgründung eingewandert), Olim (nach der Staatsgründung eingewandert) und Sabra (im Lande Geborene) gliedern. In I. leben etwa 0,65 Mio. Araber (»Palästinenser«); von den 40 000 Beduinen sind nur noch wenige reine Nomaden. Die jüd. Einwanderer (seit 1882) kamen zunächst v. a. aus Mittel- und O-Europa (Aschkenasim), später aus islam. Ländern von N-Afrika bis Irak (Sephardim), gegen Ende der 1950er-Jahre aus O-Europa; seit 1970 bes. hoher Einwandereranteil aus der UdSSR, der sich seit 1989/90 noch sprunghaft verstärkt hat. Bis zum Ersten Weltkrieg kamen etwa 50 000-70 000 Juden, 1919-48 weitere 500 000, 1949 240 000, 1980-88 jährlich 15 000, 1989-93 754 000. Für die Neueinwanderer wurden Entwicklungsstädte gegründet. Großstädte: Jerusalem, Tel Aviv-Jaffa, Haifa, Bat Yam, Holon u. a. - Allg. Schulpflicht vom 5. bis 14. Lebensjahr; Unterrichtssprache ist Hebräisch, in arab. Schulen Arabisch. Neben den öffentl. Pflichtschulen bestehen staatlich anerkannte religiöse Schulen; fünf Univ., u. a. in Jerusalem (gegr. 1918), Ramat Gan (1953), Haifa (1963); Weizmann-Institut in Rehovot (1949), TH in Haifa (1912). - In I. bekennen sich 81 % der Bev. zur jüd. Religion, 14,4 % der Ew. sind Muslime, 2,9 % Christen und 1,7 % Drusen. In I. befinden sich das internat. Zentrum (Haifa) und die wichtigsten Heiligtümer (Haifa, Akko) der Bahai-Religion.
Wirtschaft, Verkehr: I. hat unter ungünstigen Bedingungen (Wüsten, Wassermangel, Rohstoffknappheit, Kriege) einen modernen Ind.staat mit leistungsfähiger Landwirtschaft aufgebaut. Das größte wirtsch. Problem ist die Eindämmung der Inflation, die zu hohen Leistungsbilanzdefiziten und Auslandsschulden führte. I. hat mit rd. 40 Mrd. US-$ Auslandsschulden die weltweit höchste Pro-Kopf-Verschuldung, erhält aber auch die höchste öffentl. Entwicklungshilfe. 1990 wurden 24 % des Staatshaushalts für militär. Zwecke verwendet. - Die Landwirtschaft ist hochintensiv, marktorientiert und stark mechanisiert; sie erbringt über 20 % der Exporterlöse. Der Anbau ist v. a. auf die schmale, klimabegünstigte Küstenebene und auf die feuchteren nördl. Landesteile konzentriert. Auch im N der Wüste Negev wurden weite Teile durch Bewässerung für die Landwirtschaft nutzbar gemacht. Als Ackerland und für Dauerkulturen können etwa 25 % der Gesamtfläche genutzt werden, davon wird fast die Hälfte bewässert (die Landwirtschaft verbraucht bis zu 85 % des verfügbaren Wassers). Hauptwasserlieferant ist der See Genezareth. 40 % der Fläche sind Naturweiden. Die ertragreichsten Zweige sind Milchwirtschaft und Geflügelzucht. Wichtigste Exportprodukte sind Frühgemüse, Obst und Blumen. Die bedeutendsten Erzeugnisse des Ackerbaus sind Weizen und Baumwolle, der Obstplantagen Zitrusfrüchte. Der von den jüd. Landwirten bewirtschaftete Boden ist zu rd. 90 % Staatsbesitz, er wird an die Siedler in Erbpacht abgegeben. 90 % der jüd. Landwirte sind entweder in Kollektivsiedlungen (Kibbuzim) oder »kooperativen« Dörfern (Moshavim) organisiert.
An Bodenschätzen werden v. a. Phosphate (im nördl. Negev; Region Arad), Kupfererze, Gips und Mineralsalze des Toten Meeres (Brom-, Magnesium-, Kalisalze) ausgebeutet. - Die verarbeitende Ind. erzeugt aus heim. sowie importierten Rohstoffen (2/3 der Importe) und Halbfabrikaten fast alle Güter des Inlandverbrauchs sowie Ausfuhrgüter. Bed. Zweige sind neben der Baustoff- und chem. Ind. die Metallverarbeitung (importierter Stahl), die feinmechan., Elektro- und Elektronikindustrie. Herausragende Bedeutung haben die rd. 650 Diamantenschleifereien, in denen 52 % aller Rohdiamanten der Welt geschliffen werden; Diamantenbörse Ramat Gan. Ziele des Fremdenverkehrs sind antike Kulturdenkmäler, Stätten der Bibel, Kreuzfahrerburgen und Badeorte. - Wichtigste Handelspartner sind die EG-Länder, die USA, die Schweiz, Japan u. a. - Auf Straßen (13 350 km) entfällt der größte Teil der Warentransporte und des Personenverkehrs. Die Eisenbahn (526 km) befördert v. a. Massengüter. Bed. Häfen sind Haifa und Ashdod am Mittelmeer, Elat am Roten Meer. Internat. Flughafen »Ben Gurion« südöstlich von Tel Aviv-Jaffa; nat. Flugges. EL AL.
Geschichte: Am 15. 5. 1948 erlosch das brit. Mandat über Palästina. Am 14. 5. 1948 (5. Ijjar) rief der Jüd. Nationalrat den unabhängigen Staat I. aus, der 77 % Palästinas umfasste (Jom Haazmaut); O-Palästina wurde am 24. 4. 1950 Jordanien angegliedert (»Westjordanland«). Es kam am 15. 5. 1948 zum 1. Israelisch-Arab. Krieg (»Palästina-Krieg«, in dem sich I. behauptete (Waffenstillstandsabkommen 1949). Durch die Flucht bzw. Vertreibung von 600 000 bis 850 000 Arabern (Palästinensern) aus I. 1947/48 entstanden in den arab. Nachbarstaaten große Flüchtlingslager. - Nach den ersten Wahlen (1949) wurde die sozialdemokrat. Mapai (Israel. Arbeiterpartei) führende Reg.partei (MinPräs. bis 1977: D. Ben Gurion, M. Scharrett, L. Eschkol, G. Meir, I. Rabin) und stellte bisher alle Staatspräs.: C. Weizmann, I. Ben Zwi, S. Schasar, I. Navon, E. Katzir, C. Herzog, E. Weizman (seit 1993).
Das Spannungsverhältnis zu den arab. Staaten, die I.s staatl. Existenz infrage stellen, und das Palästinenserproblem steigerten sich mit starken internat. Aspekten zum Nahostkonflikt, der sich zunächst im Sueskrieg (1956), dann im Sechstagekrieg (1967) militärisch entlud. 1967 besetzte I. das Westjordanland, die Sinaihalbinsel, den Gazastreifen und die syr. Golanhöhen. Im Okt. 1973 brachte der ägyptisch-syr. Angriff (»Jom-Kippur-Krieg«) I. in Bedrängnis. Unter Vermittlung des amerikan. Außenmin. H. A. Kissinger gab I. 1974 in einem Vertrag mit Ägypten einen Streifen am Sueskanal, in einem Abkommen mit Syrien das Gebiet um Kuneitra auf den Golanhöhen zurück. Guerillaaktionen der palästinens. Araber (Palästinensische Befreiungsorganisation) suchte I. durch militär. Kommandounternehmen gegen palästinens. Basen (bes. im Libanon) entgegenzuwirken. Nach den Wahlen 1977 übernahm der Likud-Block die Regierung (MinPräs. bis 1983 M. Begin, dann Y. Schamir); er setzte eine intensive Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten in Gang. Mit seiner Reise nach Jerusalem leitete der ägypt. Präs. A. as-Sadat 1977 eine Friedensinitiative gegenüber I. ein; sie führte über die Verträge von Camp David zum ägyptisch-israel. Friedensvertrag von 1979. Beide Staaten leiteten Verhandlungen über die Autonomie der palästinens. Araber ein. Ende Juli 1980 erklärte die Knesset ganz Jerusalem zur Hauptstadt Israels. Bis April 1982 gab I. die Sinaihalbinsel an Ägypten zurück (Taba erst Febr. 1989). Mit dem Einmarsch seiner Truppen in den S-Libanon (Juni 1982) suchte I. den Libanon als palästinens. Angriffsbasis auszuschalten (Abzug der PLO).
Die vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. 7. 1984 führten zur großen Koalition von Likud-Block und Arbeiterpartei; nach dem Rotationsprinzip amtierte zunächst S. Peres (Sept. 1984 bis Okt. 1986), danach Y. Schamir als MinPräs. Die nach den Wahlen am 1. 11. 1988 fortgesetzte Koalition zerbrach im März 1990 an der Frage der Beteiligung der PLO an Friedensgesprächen (nach einem von USA-Außenmin. J. Baker im Herbst 1989 vorgelegten Friedensplan). Die im Juni 1990 v. a. vom Likud-Block gebildete Regierung unter Schamir betonte ihre Ablehnung von Verhandlungen mit der PLO ebenso wie des von dieser 1988 proklamierten Staates Palästina. Der im Dez. 1987 ausgebrochene Palästinenseraufstand (»Intifada«) wurde im Jan. 1991 durch den 2. Golfkrieg überdeckt. Im Okt. 1991 begannen die ersten israelisch-arab. Friedensverhandlungen (Nahostfriedenskonferenz); dennoch setzte I. zunächst seine z. T. stark kritisierte Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten fort. Nach den Parlamentswahlen vom 23. 6. 1992 übernahm die in »Avoda« umbenannte Israel. Arbeitspartei (Mapai) die Regierungsverantwortung. Premiermin. an der Spitze einer Mitte-Links-Koalition wurde im Juli 1992 I. Rabin (Avoda). Im März 1993 wählte die Knesset E. Weizman zum Staatspräs. (Wiederwahl 1998). Unter dem Leitwort »Land für Frieden« brachte diese Regierung einen Friedensprozess im Nahostkonflikt in Gang (u. a. im Juli 1992 Einschränkung der israel. Siedlungstätigkeit in den besetzten Gebieten; Jan. 1993 Aufhebung des Verbots von Kontakten mit der PLO). Mit der gegenseitigen Anerkennung sowie dem Gaza-Jericho-Abkommen (Sept. 1993) erreichten I. und die PLO eine neue Stufe ihrer Beziehungen, die sie in den folgenden Jahren zu konkretisieren suchten. Am 26. 10. 1994 schlossen I. und Jordanien einen Friedensvertrag. Radikale Gegner des Friedensprozesses auf israel. und arab. Seite suchen den Friedensprozess zu stören. Nach der Ermordung Rabins (Nov. 1995, durch einen israel. Extremisten) setzte der bisherige Außenmin. S. Peres, nunmehr im Amt des MinPräs., dessen Politik fort.
Bei der ersten Direktwahl eines MinPräs. am 19. 5. 1996 siegte der Vors. des Likud-Blocks, B. Netanjahu. An der Spitze einer Koalition des Likud mit religiösen und rechtsgerichteten Parteien suchte dieser die israelisch-palästinens. Vereinbarungen zu modifizieren, brachte jedoch den Friedensprozess auf einen Tiefpunkt, der erst Ende 1998 durch das Wye-Abkommen überwunden werden konnte. Nach den (vorgezogenen) Wahlen vom 17. 5. 1999 übernahm E. Barak (Israel. Arbeitspartei, zur Wahl umbenannt in »Ein Israel«) die Reg. Diese steht vor der Aufgabe, den Friedensprozess im Sinn von I. Rabin fortzusetzen (u. a. Endstatus-Verhandlungen mit den Palästinensern, Friedensvertrag mit Syrien). In der Jerusalem-Frage will sie allerdings keine Konzessionen machen.
▣ Literatur:
Gunneweg, A. H. J.: Geschichte I.s von den Anfängen bis Bar Kochba u. von Theodor Herzl bis zur Gegenwart. Stuttgart u. a. 61989.
⃟ Glasneck, J. u. Timm, A.: I. Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung. Bonn 21994.
⃟ Karmon, Y.: I. Eine geograph. Landeskunde. Darmstadt 21994.
⃟ Wolffsohn, M. u. Bokovoy, D.: I. Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft (1882-1996). Opladen 51996.