Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Islam
Islam[arab. »Ergebung«] der, von Mohammed zw. 622 und 632 in Medina (erste Gemeindeordnung) gestiftete monotheist. Weltreligion; ihre Anhänger bezeichnen sich als Muslime. Seinem Wesen nach ist der I. eine Offenbarungsreligion, gekennzeichnet durch die unbedingte Ergebung in den Willen Gottes (Islam), wie er im Koran, dem hl. Buch des I., niedergelegt ist. Als Urkunde der göttl. Offenbarung, Quelle des Glaubens und Norm des Handelns in der islam. Gemeinde (Umma) kommt ihm höchste und absolute Autorität zu. Er ist religiöses und weltl. Gesetzbuch zugleich, die Umma (theologisch) religiöse und polit. Gemeinde. Als Mitgl. der Umma ist der Muslim Angehöriger des universalen »Haus des I.« (»Dar al-Islam«). Jedem Muslim sind die fünf Hauptpflichten des I. (»Säulen des I.«) vorgeschrieben: das Glaubensbekenntnis zu dem einen Gott (Allah) und Mohammed als seinem Propheten (Schahada); das tägl. fünfmalige Gebet (Salat); das Fasten während des Fastenmonats Ramadan (Saum); das Almosengeben für soziale, karitative und missionar. Zwecke (Zakat) und die Wallfahrt nach Mekka einmal im Leben (Hadjdj). Der Genuss von Schweinefleisch und Wein ist verboten, da das Gebet im Zustand der kult. Reinheit zu verrichten ist. Die enge Verbindung von Staat und Religion (das erste islam. Gemeinwesen war Glaubensgemeinschaft und Staat zugleich) wirkt in der islam. Welt bis heute fort.Weltweit bekennen sich heute (1999) über 1 Mrd. Menschen zum I., der durch zwei Hauptrichtungen repräsentiert wird: die Sunniten (rd. 90 % aller Muslime) und die Schiiten (rd. 10 %). Letztere leben v. a. in Iran, wo der schiit. I. seit dem 16. Jh. Staatsreligion ist, sowie in Irak, in Syrien und Pakistan. Die Sunniten verstehen sich als die islam. Orthodoxie; ihre unterschiedl. Auslegungstraditionen führten zur Herausbildung von vier Rechtsschulen (Hanbaliten, Hanefiten, Malikiten, Schafiten); die Schiiten (zu Shia »Partei Alis«) sehen allein in Ali, dem Schwiegersohn Mohammeds, und seinen Nachkommen den rechtmäßigen Nachfolger des Propheten und Leiter der islam. Gesamtgemeinde (Kalif). Geistiges Zentrum des sunnit. I. ist die Ashar-Moschee (Ashar-Univ.) in Kairo, geistiges Zentrum des schiit. I. die theolog. Hochschule in Kum.Der I. verbreitete sich noch im 7. Jh. über Arabien und N-Afrika; im 8. Jh. eroberten die Mauren Spanien, im 10. Jh. erfolgte die Islamisierung der Türken Zentralasiens; im 11. Jh. errichtete der I. die muslim. Herrschaft in Indien; das Osman. Reich trug den I. weit nach Europa (Balkanhalbinsel, Ungarn, 1683 Belagerung Wiens); in der Gegenwart gewinnt der I. bes. in Afrika an Einfluss; seit 1991 gibt es starke Tendenzen der Reislamisierung in den mittelasiat. GUS-Staaten.Mit dem Zusammenbruch des Osman. Reiches und der Gründung des modernen türk. Nationalstaates nach dem Ersten Weltkrieg und der Abschaffung des Kalifats (1924) geriet der I. in eine Krise; seine Renaissance setzte nach dem Zweiten Weltkrieg im Zusammenhang mit verstärkten panislam. und panarab. Bestrebungen ein. Seit den 60er-/70er-Jahren gewann in der gesamten islam. Welt der Fundamentalismus an Einfluss, zuletzt in Indonesien nach dem Rücktritt von Präs. Suharto (1998). Ziel der fundamentalist. wie auch von radikalislam. Bewegungen (z. B. der Taliban in Afghanistan) ist es, die Einheit von Politik und Religion auf dem Fundament des islam. Rechts (Scharia) herzustellen; in Iran 1979 mit der Ausrufung der Islam. Republik durch Ayatollah Khomeini verwirklicht. In den arab. Ländern wird die Forderung nach einer an Koran und Hadith orientierten islam. Staats- und Gesellschaftsordnung bes. von der Muslimbruderschaft vertreten. In Konkurrenz zum islam. Fundamentalismus stehen heute Vertreter eines aufgeklärten, in erster Linie ethisch orientierten I., die den Säkularisierungsprozess bejahen und eine vor der Vernunft verantwortete Synthese von islam. Tradition und moderner Intellektualität westl. Prägung erstreben. Der stark mystisch orientierte Volksislam steht der Intoleranz und dem Rigorismus der islam. Fundamentalisten weitgehend ablehnend gegenüber. Das Land mit der zahlenmäßig größten muslim. Bevölkerung (über 170 Mio.) ist Indonesien, gefolgt von Pakistan (rd. 128 Mio.), Indien (rd. 110 Mio.) und Bangladesh (rd. 102 Mio.). Die größte islam. Gemeinschaft in Europa besteht in Russland (rd. 12 Mio.). Die europ. Länder mit den größten muslim. Bev.anteilen sind Albanien (rd. 65 %), Bosnien und Herzegowina (rd. 44 %) und Makedonien (25-30 %). In W-Europa bestehen große islam. Gemeinschaften in Frankreich und Großbritannien. In Dtl. leben gegenwärtig mindestens 2 Mio. Muslime.
Literatur:
Hartmann, R.: Die Religion des I. Neuausg. Darmstadt 1992.
Lexikon der islam. Welt, hg. v.K. Kreiser u. R. Wielandt. Neuausg. Stuttgart u. a. 1992.
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Schimmel, A.: Der I. Stuttgart 1995.
Der I. in der Gegenwart, hg. v. W. Ende u. U. Steinbach. München 41996.
Khoury, A. T.: Der I. Freiburg im Breisgau u. a. 41996.
Endreß, G.: Der I. München 31997.
Spuler-Stegemann, U.: Muslime in Deutschland. Freiburg im Breisgau u. a. 1998.
Tibi, B.: Der wahre Imam. Der I. von Mohammed bis zur Gegenwart. Erw. Tb.-Ausg. München u. a. 1998.
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