Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Indonesien
Indonesi|en Fläche: 1 919 317 km2
Einwohner: (1995) 197,59 Mio.
Hauptstadt: Jakarta
Verwaltungsgliederung: 24 Prov. und 3 Sondergebiete
Amtssprache: Bahasa Indonesia
Nationalfeiertag: 17. 8.
Währung: 1 Rupiah (Rp.) = 100 Sen (s)
Zeitzone: (von W nach O) MEZ + 6 (Jakarta), +7 bzw. +8 Std.
(amtlich Bahasa Indonesia Rep. Indonesia; dt. Rep. I.), Inselstaat in SO-Asien, beiderseits des Äquators, umfasst den Hauptteil des Malaiischen Archipels (Borneo nur zum Teil) mit insgesamt 13 677 Inseln, davon 6 044 bewohnt; Territorialgewässer: 3 272 160 km2. Landgrenzen bestehen auf Borneo zu Malaysia und auf Neuguinea zu Papua-Neuguinea.
Staat und Recht: Nach der Verf. von 1945 (1969 ergänzt) ist I. eine Rep. mit Präsidialregime. Staatsoberhaupt, Reg.chef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der mit weitgehenden Befugnissen ausgestattete Präs. (auf fünf Jahre indirekt gewählt). Formell höchstes Verf.organ ist der Beratende Volkskongress mit 1 000 Mitgl., der sich je zur Hälfte aus Abg. des Parlaments und aus gewählten bzw. vom Präs. ernannten Vertretern der Parteien, Berufsstände (funktionelle Gruppen), Streitkräfte und Provinzen zusammensetzt. In seine Kompetenz fallen: Präs.wahl, Richtlinien der Politik, Verf.änderungen. Die Legislative liegt beim Präs. und beim Repräsentantenhaus (425 auf fünf Jahre gewählte und 75 vom Präs. aus den Reihen der Militärs ernannte Abg.). Derzeit sind nur drei Parteien zugelassen, die Golkar (Funktionelle Gruppen), die Vereinigte Entwicklungspartei (PPP) und die Demokrat. Partei I. (PDI). - Gegen den Willen der internat. Staatengemeinschaft hält I. Ost-Timor (indones. Timor Timur) besetzt und beansprucht es als 24. Provinz.
Landesnatur: I. umfasst den größten Teil des Malaiischen Archipels mit den Großen Sundainseln Java, Sumatra, Borneo (Kalimantan; außer dem NW), Celebes (Sulawesi), den Kleinen Sundainseln (Bali, Lombok, Sumbawa, Flores, Sumba, Alorinseln, Roti, Timor), den Molukken (Morotai, Halmahera, Ternate, Tidore, Bacaninseln, Buru, Ambon, Ceram, Kai-, Tanimbar-, Aruinseln) sowie Irian Jaya, den W-Teil Neuguineas. Die Inseln sind aus steil aufragenden Faltengebirgen aufgebaut; über 200 Vulkane, rd. 70 tätig (u. a. Krakatau). Die höchste Erhebung wird im vergletscherten Zentralgebirge Neuguineas (in Irian Jaya), im Gunung Jaya mit 5 033 m ü. M. erreicht. Weite Schwemmlandebenen finden sich in O-Sumatra, S-Borneo und N-Java. Auf Sumatra, W-Java, Borneo, Celebes, den Molukken und in Irian Jaya herrscht trop.-immerfeuchtes Klima (Jahresniederschläge 3 000-4 000 mm, in den Gebirgen z. T. über 6 000 mm), auf dem übrigen Java, den Kleinen Sundainseln und bis zu den Aruinseln trop.-monsunales Klima (2 000-3 000 mm). Trop. Regenwald bedeckte urspr. über 60 % der Landesfläche. Infolge ungehemmten Holzeinschlages in den letzten zwei Jahrzehnten sowie z. T. durch verheerende Waldbrände sind diese regional schon ganz verdrängt (auf Java) und kaum zu nutzenden Alang-Alang-Grasfluren gewichen. In höheren Lagen gehen die Regenwälder in Nebelwälder über. In den Tiefebenen O-Sumatras, Borneos und Irian Jayas sind ausgedehnte Moor- und Sumpfwälder (mit Sagopalmen) verbreitet, an den Küsten oft Mangrove. Die Flüsse werden z. T. zur Stromerzeugung und Bewässerung genutzt. Größter Binnensee: Tobasee auf N-Sumatra.
Bevölkerung: Die Bev. besteht überwiegend aus Indonesiern, ferner Papua (in Irian Jaya), Chinesen; insgesamt rd. 360 Ethnien; mehr als 250 Regionalsprachen. Etwa 60 % der Bev. leben auf Java und Madura auf nur 7 % der Staatsfläche. Die Überbev. (jährl. Bev.-Wachstum 1,6 %) v. a. auf Java hat bereits seit 1905 zu staatlich gelenkter Umsiedlung (Transmigrasi) auf benachbarte Inseln geführt (1979-86 etwa 4,5 Mio. Personen). Die städt. Bev. hat durch Landflucht stark zugenommen (1991: 31,4 % in Städten). I. hat sechs Millionenstädte: Jakarta, Surabaya, Bandung, Medan, Palembang, Semarang. - Es besteht eine sechsjährige allg. Schulpflicht; Analphabetenquote knapp 25 %. Neben rd. 50 staatl. Univ. bestehen mehrere private Universitäten. - Der mehrheitlich sunnit. Islam ist die vorherrschende Religion (87 %), 9,6 % sind Christen (meist evang.; in Ost-Timor überwiegend kath.), rd. 1,8 % Hindus (in Bali 90 %), 0,4 % sind Buddhisten und Konfuzianer (Chinesen). Einheim. Stammesreligionen haben sich bis heute behauptet, u. a. bei den Batak.
Wirtschaft, Verkehr: Obwohl I. zu den an Bodenschätzen reichsten Ländern der Erde gehört, ist der Agrarsektor strukturbestimmend; in ihm arbeiten 50 % der Erwerbstätigen. Hauptanbauprodukt ist Reis. Von den Bergvölkern wird Brandrodungswanderfeldbau betrieben. In den Plantagen werden v. a. Kautschuk, Tee, Kaffee, Ölpalmprodukte, Kopra, Zuckerrohr und Chinarinde erzeugt. Für die einheim. Versorgung sind neben Reis auch Maniok, Mais und Gemüse bes. wichtig. Die Viehzucht ist im Ggs. zur Fischerei unbedeutend. Seit 1985 besteht ein Exportverbot für unbearbeitetes Holz, um den extensiven Kahlschlag von Edelhölzern einzudämmen. - Hauptfördergebiete von Erdöl und Erdgas sind Sumatra, Borneo und Irian Jaya. Das geförderte Erdgas wird größtenteils in Flüssiggas (weltweit größter Exporteur) umgewandelt. Steinkohlenbergbau auf Sumatra, in Irian Jaya und auf Timor Abbau von Kupfererzen, auf Bangka und Belitung von Zinnerzen (weltweit 2. Platz), auf Bintan und Borneo von Bauxit sowie auf Celebes von Nickel (4. Platz). Die Ind. (15 % der Erwerbstätigen) umfasst Tabakverarbeitung, Kautschukaufbereitung, Zuckerfabriken u. a. landwirtsch. Produkte verarbeitende Betriebe, ferner Erdölraffinerien, Papierfabriken, Textil-, Gummi- und chem. Werke. Daneben besteht ein umfangreiches tradtionelles Kleingewerbe (Weberei, Färberei, Flechterei, Gold- und Silberschmiedearbeiten u. a. Kunsthandwerk). Hauptziele des Tourismus sind Java und Bali. Hauptausfuhrgüter: Erdöl und Erdgas (40 %), Zinn, Kautschuk, Palmöl, Kaffee, Tee, Holzprodukte, Zinn, Textilien. Haupthandelspartner: Japan, die USA, die EG-Länder, Singapur, Australien. - Das Eisenbahnnetz umfasst 4 967 km (Java, Madura, Sumatra), das Straßennetz 219 000 km, davon sind 61 % asphaltiert. Für die Verbindung der weit verstreuten Inseln sind Küstenschifffahrt und Luftverkehr von großer Bedeutung. Hauptseehäfen: Tanjung Priok (Sumatra), Surabaya, Semarang, Belawan Panjang, Palembang und Ujung Pandang. 10 internat. Flughäfen, v. a. Jakarta, Medan (Sumatra), Denpasar (Bali); Fluggesellschaft: Garuda Indonesian Airways (GIA).
Geschichte: Älteste Zeugnisse menschl. Lebens in I. sind die Skelettfunde von Trinil, Sangiran und Mjokerto auf O-Java, die der Art Homo erectus zugeordnet werden, die der Entdecker E. Dubois 1890/91 als »Pithecanthropus« bezeichnete. Altsteinzeitl. Funde auf Sumatra, Borneo und Celebes lassen Zusammenhänge mit Hinterindien vermuten. Im 3./2. Jt. v. Chr. wanderten wohl aus Hinterindien palämongolide Völker auf den Archipel ein. Nachweisbar ist die hoch stehende Dongsonkultur, mit der im 1. Jt. v. Chr. die Technik der Bronze- und Eisenbearbeitung nach I. kam.In den ersten Jahrhunderten n. Chr. entstanden auf Sumatra, Java und Borneo kleine Königreiche unter dem Einfluss der ind. Kultur. Das im 7. Jh. in O-Sumatra gegründete Großreich Srividjaja mit dem Zentrum Palembang dehnte seine Macht über den gesamten Archipel und einen Teil der Malaiischen Halbinsel aus und kontrollierte die Handelswege zw. Indien und China (bes. die Straße von Malakka). Unter der seit dem 8. Jh. auf Zentraljava herrschenden Dynastie der Shailendra, die Anhänger des Mahajana-Buddhismus war, entstanden zahlr. Kultbauten (u. a. Tempel von Borobudur). 1377 wurde Srividjaja von dem auf Java gebildeten mächtigen Reich Majapahit (1293 bis um 1520) erobert, dessen Einfluss sich schließlich über den größten Teil des heutigen I.s erstreckte. Seinen Untergang verursachten v. a. der rasche Aufstieg Malakkas zum führenden Handelszentrum SO-Asiens (seit etwa 1400) und die Gründung islam. Sultanate: Demak (1518), Bantam (1552) und Mataram (1586). Die Portugiesen eroberten 1511 Malakka und errichteten Handelsniederlassungen auf N-Sumatra, Timor und den Molukken, wurden jedoch im 17. Jh. weitgehend von den Niederländern verdrängt (mit Ausnahme von Ost-Timor). Die 1602 gegründete niederländ. Vereinigte Ostind. Kompanie schuf die Grundlage für das niederländ. Kolonialreich in Indonesien. Nach Auflösung der Kompanie (1799) übernahm die niederländ. Reg. ihre Besitzungen. Im 19. Jh. festigte sich die niederländ. Herrschaft (Niederländisch-Indien), doch kam es immer wieder zu Aufständen einheim. Fürsten und zu langen Kriegen.Seit Beginn des 20. Jh. entwickelte sich eine indones. Nationalbewegung; die ersten polit. Parteien entstanden (1911: Sarekat Islam Indonesia, 1920 die Kommunist. Partei I.s, Abk. PKI). 1927 gründete A. Sukarno die Nationalpartei I.s, die 1931 in der Indones. Partei aufging. 1942-45 war Niederländisch-Indien von japan. Truppen besetzt. Während sich die nationalist. Kräfte um Sukarno und M. Hatta für eine Zusammenarbeit mit den Japanern entschieden, gingen die Kommunisten in den Untergrund. Am 17. 8. 1945 riefen Sukarno und Hatta die unabhängige Rep. I. aus. Die nach dem Krieg 1945 zurückgekehrten Niederländer versuchten, ihre Herrschaft wieder aufzurichten (zwei militär. Aktionen im Juli 1947 und Dez. 1948); auf der Konferenz von Den Haag (Aug.-Nov. 1949) traten sie jedoch mit Wirkung vom 27. 12. 1949 ihre Souveränität über alle Inseln Niederländisch-Indiens (mit Ausnahme West-Neuguineas) an die zu den »Vereinigten Staaten von I.« umgebildete Rep. ab. Sukarno, bereits seit 1945 provisor. Staatsoberhaupt, übernahm 1949 offiziell als Staatspräs. die Führung I.s, das noch bis 1954 in Personalunion mit der niederländ. Krone verbunden blieb. Ein stark ausgeprägter Regionalismus und wirtsch. Aufbauprobleme, die sich nach der Enteignung niederländ. Unternehmen (1958) noch verstärkten, stellten die Einheit des Landes infrage und führten 1957/58 zu mehreren Aufständen (u. a. auf Celebes, Sumatra). 1959 setzte Sukarno die Verf. von 1945 wieder in Kraft und ging zu der von ihm bereits 1957 verkündeten Politik der »gelenkten Demokratie« über. 1960 löste er das Parlament auf, bildete eine neue, seinen antiwestl. Kurs unterstützende Versammlung (unter Einschluss der Kommunisten) und verbot die Oppositionsparteien.Außenpolitisch entwickelte sich I. (seit 1950 Mitgl. der UN, 1965/66 zeitweiliger Austritt) auf der Grundlage der Blockfreiheit zu einem führenden Staat der Dritten Welt (Bandungkonferenz). Seit Ende der 50er-Jahre lehnte es sich stärker an China an. 1963 übertrugen die Niederlande ihre Hoheit über West-Neuguinea (heute Irian Jaya) auf Indonesien. Der 1963 gegründeten Föderation Malaysia begegnete I. bis 1966 mit einer Politik der »Konfrontation« (einschl. militär. Aktionen). 1965 wurde ein kommunist. Putschversuch in I. von der Armee unter General Suharto niedergeschlagen; eine blutige Verfolgung der Kommunisten (1966 Verbot der PKI) und der chines. Minderheit schloss sich an. Sukarno musste allmählich seine Machtbefugnisse an Suharto abtreten, den der Volkskongress 1968 zum Präs. der Rep. wählte. 1967 gehörte I. zu den Gründungsmitgl. der ASEAN. 1975 besetzten indones. Truppen den ehem. portugies. Teil von Timor (Ost-Timor), der gegen den Widerstand der dortigen Guerillabewegung (v. a. FRETILIN) 1976 I. angegliedert wurde; die Militäraktion und ihre Folgen forderten nach Schätzungen etwa 200 000 Tode. Die (international nicht anerkannte) Annexion führte immer wieder zu schweren Unruhen unter der Bev. von Ost-Timor und zu blutigen Auseinandersetzungen mit dem indones. Militär (u. a. 1991 in Dili). Innenpolit. Konfliktstoff entstand seit den 80er-Jahren durch das Wirken islamisch-fundamentalist. Gruppen. Präs. Suharto schränkte daraufhin die Tätigkeit der polit. Opposition ein; gestützt auf das Militär, das sich zu einem entscheidenden Machtfaktor entwickelt hatte, errichtete er seine persönl. Diktatur. Seine mit ausländ. Finanzhilfe betriebene Wirtschaftspolitik erbrachte zwar zunächst ökonom. Erfolge, war aber in erhebl. Maße von Korruption und Nepotismus geprägt. Seit den Parlamentswahlen von 1971 erlangte die Regierungspartei Golkar (erneut 1997) die deutl. Mehrheit der Mandate. In der »Erklärung vom 1. Juli« (1996) kritisierten Militärs, Politiker und Intellektuelle aller Religionen die Amtsführung Suhartos, der dennoch 1998 wieder gewählt wurde. Vor dem Hintergrund der wirtsch. Rezession in Asien traten die inneren Konflikte offen zutage: in z. T. gewalttätigen Demonstrationen protestierten seit 1996 viele Indonesier gegen zunehmende Armut, soziale Benachteiligung und polit. Entrechtung. Die sich 1998 v. a. unter der Beteiligung von Studenten verstärkenden Proteste, die von schweren Ausschreitungen begleitet waren, zwangen Präs. Suharto am 21. 5. 1998 zum Rücktritt. Nachfolger wurde sein Vertrauter und vorheriger Vizepräs. B. J. Habibie, der trotz anhaltender Unruhen eine vorsichtige Reformpolitik einleitete und für 1999 Neuwahlen anberaumte. Im Jan. 1999 brachen auf der Molukkeninsel Ambon wochenlange blutige Auseinandersetzungen zw. Christen und Moslems aus.
Für Ost-Timor vereinbarten I. und Portugal (als ehem. Kolonialmacht des Gebiets) unter UN-Vermittlung nach langjährigen Verhandlungen im Mai 1999 die Durchführung eines Referendums unter der osttimor. Bev. über die Zukunft ihres Territoriums.
Literatur:
Magnis-Suseno, F.: Neue Schwingen für Garuda. I. zw. Tradition u. Moderne. München 1989.
Ramage, D. E.: Politics in Indonesia. London 1995, Nachdr. ebd. 1996.
Kingsbury, D.: The politics of Indonesia. Melbourne u. a. 1998.
Siebert, R.: I. Inselreich in Turbulenzen. Unkel u. a. 1998.
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