Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Imperialismus
Imperialịsmusder, Bez. für das Herrschaftsstreben mit dem Ziel, die Bev. eines fremden Landes mit polit., ökonom., kulturellen und ideolog. Mitteln zu beeinflussen, auszubeuten, abhängig zu machen und direkt oder indirekt zu beherrschen. Historisch wurde die Bez. zuerst auf die Beherrschung von Absatz- und Kapitalmärkten angewandt, nach 1870 stand der Begriff I. in enger Verbindung mit dem Nationalismus für eine Politik der territorialen Expansion eines Staates.Geschichte: Schon in der Antike und im MA. zeigten Reichsgründungen imperiale Züge, die sich mit dem Entstehen der großen Kolonialreiche europ. Staaten (z. B. Portugal, Spanien, England) vom 15. bis 19. Jh. verstärkten. Während der Zeit des klass. I. (1880-1918) entfaltete sich in Europa eine Politik des expansiven Nationalismus, die auf pseudowiss. Thesen (z. B. Sozialdarwinismus) und einem »zivilisator. Sendungsbewusstsein« gründete. Innenpolit. Schwierigkeiten und außenwirtsch. Konkurrenzdruck lösten einen Wettlauf der europ. Mächte um die Aufteilung der Welt aus, der mit dem brit. Protektorat über Ägypten 1882 begann. Hauptrivale bei der Aufteilung Afrikas war Frankreich, das sich in W- und NW-Afrika ein Kolonialreich aufgebaut hatte. Dtl., Italien und Belgien folgten wenig später. Mit dem Vorstoß Großbritanniens, Frankreichs und Dtl.s in den asiat. und pazif. Raum, der expansiven Asienpolitik Russlands und Japans sowie den Aktivitäten der USA v. a. in Lateinamerika erreichte die Politik des I. Ende des 19. Jh. einen vorläufigen Höhepunkt. Die Konflikte zw. den imperialist. Mächten beim Streben nach Rohstoffquellen, Absatzmärkten und Einflusssphären führten zunächst zu regional begrenzten Kriegen und schließlich zum Ersten Weltkrieg. Der italien. Faschismus und der japan. Militarismus (»großasiat. Wohlstandssphäre«) verfolgten eine Politik des I. auf nationalist. und militarist. Grundlage. Beim dt. Nationalsozialismus trat neben den genannten Aspekten die rassist. Ideologie (v. a. der Antisemitismus) absolut in den Vordergrund. Im Verlauf der nach dem Zweiten Weltkrieg beginnenden Entkolonialisierung sank zwar der direkte Einfluss der alten Kolonialmächte, jedoch verblieben die neuen Staaten Afrikas und Asiens gegenüber diesen Ländern in indirekter Abhängigkeit (Neokolonialismus, Nord-Süd-Konflikt).Imperialismustheorien: Eine umfassende I.-Theorie formulierte erstmals I. A. Hobson 1902, wonach die Suche nach neuen Kapitalanlagemöglichkeiten wesentl. Grundlage einer imperialist. Politik sei. Auf Hobson fußten R. Hilferding (»Das Finanzkapital«, 1910) und v. a. W. I. Lenin (»Der I. als höchstes Stadium des Kapitalismus«, 1916/17).
Literatur:
Schmidt, Gustav: Der europ. I. München 1985.
Mommsen, W. J.: Imperialismustheorien. Göttingen 31987.
Schöllgen, G.: Das Zeitalter des I. München 31994.
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