Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Humanismus
Humanịsmus[nlat.] der, i. w. S. eine sich auf Humanität richtende geistige Haltung.In der europ. Geistesgeschichte ist der H. eine geistige Bewegung, die im Zeitalter der Renaissance aus der Bildung an dem neu entdeckten geistigen Gut der Antike ein neues Menschenbild und Selbstverständnis gewann und sich damit gegen die Scholastik des MA. wandte. Dieser Renaissance-H. bildete sich seit dem 14. Jh. in Italien. Zunächst griffen v. a. Bürgerliche außerhalb von Wiss. und Univ. auf lat. Schriftsteller, bes. Cicero, zurück, der v. a. von Petrarca als Muster der klass. Sprache, der hohen Rede (eloquentia), gefeiert wurde. Bei diesem Rückgriff auf die Lit. und Kultur des antiken Römertums blieb die mittelalterl. Frömmigkeit im Wesentlichen erhalten. Durch Vermittlung byzantin. Philologen nahm seit dem 15. Jh. auch die Beschäftigung mit dem grch. Schrifttum zu. Der Kreis der bekannten antiken Schriftsteller erweiterte sich bald durch systemat. Sammeln von Handschriften (Bibliotheken). Zugleich wetteiferten die Humanisten mit dem lat. Vorbild in Vers und Prosa; daraus entstand eine neulat. Literatur. Die christl. Lehre versuchte der H. in einer Weise auszulegen, die den sittl. Gehalt der Evangelien mit Platon und der Stoa versöhnen wollte. Nach Anfängen im 14. Jh. am Hof Karls IV. (Johann von Neumarkt) und einigen Univ. war er in Dtl. im 15. Jh. voll entwickelt (R. Agricola, C. Celtis, G. Heimburg, J. Reuchlin u. a.). Die Hochstimmung der Blütezeit des H. in Dtl. zeigen die »Epistolae obscurorum virorum« (Dunkelmännerbriefe) mit ihrer Satire auf das Mönchslatein der Scholastik. Der H. wirkte außer auf Literatur und Philologie auch auf die naturwiss. Forschung (Regiomontanus) und v. a. auf das Schulwesen (J. Wimpfeling u. a.); bes. im 16. Jh. trug er nationale Züge (U. von Hutten). Luthers Reformation erwies sich als stark humanistisch beeinflusst. Zu einem eigentl. Bündnis zw. H. und Reformation ist es jedoch nicht gekommen. Bed. Anhänger fand der H. auch in den Niederlanden (Erasmus von Rotterdam, J. Lipsius, Gerardus J. Vossius [* 1577, ✝ 1649], D. Heinsius, H. Grotius u. a.), in England (T. Morus) und Frankreich (G. Budaeus). Dieser H. wirkte bis in das 20. Jh. fort (Neuhumanismus), löste sich andererseits aber seit dem 19. Jh. von seiner ursprüngl. Intention der individuellen Bildung und wurde im Zusammenhang eines die Welt verändernden philosoph. Systems eher zum gesellschaftl. Postulat (philosophisch-polit. H.). In Anknüpfung an Hegels Dialektik von »Herr und Knecht« sah Marx als realen H. die Aufhebung der Selbstentfremdung des Menschen durch den Kommunismus an.
▣ Literatur:
Buck, A.: H. Seine europ. Entwicklung in Dokumenten u. Darstellungen. Freiburg im Breisgau 1987.
⃟ Heistermann, W.: Um einen zeitgemäßen H. Rheinfelden 1990.
Humanịsmus[nlat.] der, i. w. S. eine sich auf Humanität richtende geistige Haltung.In der europ. Geistesgeschichte ist der H. eine geistige Bewegung, die im Zeitalter der Renaissance aus der Bildung an dem neu entdeckten geistigen Gut der Antike ein neues Menschenbild und Selbstverständnis gewann und sich damit gegen die Scholastik des MA. wandte. Dieser Renaissance-H. bildete sich seit dem 14. Jh. in Italien. Zunächst griffen v. a. Bürgerliche außerhalb von Wiss. und Univ. auf lat. Schriftsteller, bes. Cicero, zurück, der v. a. von Petrarca als Muster der klass. Sprache, der hohen Rede (eloquentia), gefeiert wurde. Bei diesem Rückgriff auf die Lit. und Kultur des antiken Römertums blieb die mittelalterl. Frömmigkeit im Wesentlichen erhalten. Durch Vermittlung byzantin. Philologen nahm seit dem 15. Jh. auch die Beschäftigung mit dem grch. Schrifttum zu. Der Kreis der bekannten antiken Schriftsteller erweiterte sich bald durch systemat. Sammeln von Handschriften (Bibliotheken). Zugleich wetteiferten die Humanisten mit dem lat. Vorbild in Vers und Prosa; daraus entstand eine neulat. Literatur. Die christl. Lehre versuchte der H. in einer Weise auszulegen, die den sittl. Gehalt der Evangelien mit Platon und der Stoa versöhnen wollte. Nach Anfängen im 14. Jh. am Hof Karls IV. (Johann von Neumarkt) und einigen Univ. war er in Dtl. im 15. Jh. voll entwickelt (R. Agricola, C. Celtis, G. Heimburg, J. Reuchlin u. a.). Die Hochstimmung der Blütezeit des H. in Dtl. zeigen die »Epistolae obscurorum virorum« (Dunkelmännerbriefe) mit ihrer Satire auf das Mönchslatein der Scholastik. Der H. wirkte außer auf Literatur und Philologie auch auf die naturwiss. Forschung (Regiomontanus) und v. a. auf das Schulwesen (J. Wimpfeling u. a.); bes. im 16. Jh. trug er nationale Züge (U. von Hutten). Luthers Reformation erwies sich als stark humanistisch beeinflusst. Zu einem eigentl. Bündnis zw. H. und Reformation ist es jedoch nicht gekommen. Bed. Anhänger fand der H. auch in den Niederlanden (Erasmus von Rotterdam, J. Lipsius, Gerardus J. Vossius [* 1577, ✝ 1649], D. Heinsius, H. Grotius u. a.), in England (T. Morus) und Frankreich (G. Budaeus). Dieser H. wirkte bis in das 20. Jh. fort (Neuhumanismus), löste sich andererseits aber seit dem 19. Jh. von seiner ursprüngl. Intention der individuellen Bildung und wurde im Zusammenhang eines die Welt verändernden philosoph. Systems eher zum gesellschaftl. Postulat (philosophisch-polit. H.). In Anknüpfung an Hegels Dialektik von »Herr und Knecht« sah Marx als realen H. die Aufhebung der Selbstentfremdung des Menschen durch den Kommunismus an.
▣ Literatur:
Buck, A.: H. Seine europ. Entwicklung in Dokumenten u. Darstellungen. Freiburg im Breisgau 1987.
⃟ Heistermann, W.: Um einen zeitgemäßen H. Rheinfelden 1990.