Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Hugenotten
Hugenọtten[frz. entstellt aus »Eidgenossen«], seit etwa 1560 Bez. für die frz. kalvinist. Protestanten. Trotz Verfolgung gewann der Kalvinismus immer mehr Anhänger; 1559 hielt die ref. Kirche Frankreichs ihre erste Generalsynode in Paris ab. Das Januaredikt von 1562 gewährte den H. freie Religionsausübung außerhalb der Städte. An ihre Spitze traten Admiral G. de Coligny und Prinz Louis I. von Condé. Die kath. Partei sammelte sich unter der Führung der Guise. Mit dem Blutbad von Wassy (Haute-Marne) am 1. 3. 1562 begannen die Hugenottenkriege. Trotz Niederlagen behaupteten die H. aber eine polit. Sonderstellung, da ihnen Sicherheitsplätze (Edikt von Amboise, 1563) zugestanden wurden; auch gelang es Coligny, Einfluss auf den jungen König Karl IX. zu gewinnen. Der angestrebte Ausgleich wurde durch das Massaker der Bartholomäusnacht von 1572, dem auch Coligny zum Opfer fiel, unmöglich gemacht. Als Führer der H. folgte ihm Heinrich von Navarra. Seine Gegner waren die Königinmutter Katharina von Medici und - nach dem Tod Karls IX. (1574) - König Heinrich III., v. a. aber die kath. Liga unter der Führung Heinrichs von Guise. Die weiteren Kriege brachten keine Entscheidung. 1585 widerrief der König alle Rechte der H. und löste damit den 8. H.-Krieg aus. Um sich dem Druck der Liga zu entziehen, ließ Heinrich III. 1588 ihre Führer ermorden und verbündete sich mit Heinrich von Navarra, der nach der Ermordung dieses letzten Valois (1589) als Heinrich IV. König von Frankreich wurde. Um die nat. Einheit und die Integrität Frankreichs zu wahren, trat er 1593 zum Katholizismus über und erließ 1598 das Edikt von Nantes, das den H. freie Religionsausübung und polit. Sonderrechte garantierte. Als die H. sich in den Kriegen von 1621/22 und 1625-29 erneut der Krone entgegenstellten, verloren sie durch Richelieu ihre Sicherheitsplätze.
Die offizielle Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. (Edikt von Fontainebleau, 1685) nahm den H. die letzten Rechte. Ihre Auswanderung (Réfugiés) war eine der Ursachen des wirtsch. Niedergangs Frankreichs Ende des 17. Jh. Gegen die Restgemeinde in Frankreich wurde 1702-04 der Cevennenkrieg geführt (Kamisarden). Eine Anzahl Reformierter behauptete sich aber als »Kirche der Wüste«, bis ihnen 1787 die staatl. Duldung gewährt wurde. Durch die Frz. Revolution erhielten sie die volle Gleichberechtigung. In den Gastländern waren die H. bes. für die wirtsch. Entwicklung von Bedeutung. In Dtl. entstanden H.-Siedlungen v. a. in den ref. Gebieten. In Brandenburg-Preußen förderte der Große Kurfürst ihre Aufnahme durch das Edikt von Potsdam (1685); um 1700 war jeder dritte Einwohner Berlins ein Hugenotte.
Literatur:
Schreiber, H.: Auf den Spuren der H. München 1983.
Steffe, A. M.: Die H. Die Macht des Geistes gegen den Geist der Macht. Gernsbach 1989.
Cassan, M.: Le temps des guerres de religion. Paris 1996.
Brandenburg, I. u. Brandenburg, K. H. Geschichte eines Martyriums. Lizenzausg. Wiesbaden 1998.
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