Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Hexe
Hexe[ahd. hagzissa, eigtl. »Zaunreiterin«] die, dem Volksglauben nach eine zauberkundige Frau mit magisch-schädigenden (»okkulten«) Kräften. Sie erscheint in Märchen und Sagen als Schreckgestalt von abstoßendem Äußeren; der Hexenbegriff des MA. entstand aus urspr. nicht zusammengehörenden Elementen des Aberglaubens (z. B. Luftflug, Schadenzauber), der christl. Dämonologie (Lehre vom Dämonenpakt) und Straftatbeständen der Inquisition. Der ausgesprochene Hexenwahn vom 14. bis zum 17. Jh. ist ein sozialpsych. Phänomen des Spät-MA. Der Umbruch der geistigen, religiösen und polit. Verhältnisse brachte Unsicherheiten aller Art mit sich, und die Menschen, bes. Mitteleuropas, sahen die Teufelsherrschaft der erwarteten Endzeit anbrechen. Für die Ausbreitung und die Exzesse der Hexenverfolgungen, bes. von sozial unangepassten Frauen, hatte die Schrift »Der Hexenhammer« (lat. Malleus maleficarum, Straßburg 1487) der beiden Dominikaner H. Institoris und J. Sprenger entscheidende Wirkung; sie wurde zum Strafkodex der Gerichtspraxis in Mitteleuropa bis ins 17. Jh. und führte die Denunziation anstelle der Anklage und die Anwendung der Folter und Hexenprobe ein. Die Hexenprozesse (Höhepunkt zw. 1590 und 1630) wurden zu Strafverfahren »gemischter« Zuständigkeit kirchl. und weltl. Gewalten. Die letzten Hinrichtungen von H. (meist Verbrennung bei lebendigem Leib) fanden in Glarus (1782) und Posen (1793) statt. Seit Mitte des 16. Jh. nahmen Männer versch. Glaubensrichtungen den Kampf gegen Hexenwahn und Hexenverfolgungen auf, insbesondere F. von Spee und C. Thomasius. Der Hexenglaube ist jedoch bis in die Gegenwart nicht ausgestorben. - Eine moderne, magisch-okkultist. Hexenbewegung ist seit Mitte der 1930er-Jahre in England und später auch in Kalifornien stark verbreitet (so genannter Wiccakult). - Seit den 1980er-Jahren Wiederbelebung okkulter Praktiken als Modephänomen; in der »Neuen Frauenbewegung« bewusster Bezug auf H. als Symbole für Unterdrückung und Widerstand von Frauen.
Literatur:
Hansen, J.: Zauberwahn, Inquisition u. Hexenprozeß im Mittelalter. Neudr. Aalen 1983.
Heinsohn, G. u. Steiger, O.: Die Vernichtung der Weisen Frauen. München 1987.
H.n u. Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. W. Behringer. München 1988.
Dinzelbacher, P.: Heilige oder Hexen? München u. a. 1995.
Levack, B. P.: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa. München 1995.
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