Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Hermeneutik
Hermeneutik[zu grch. hermēneúein »aussagen«, »auslegen«, »erklären«] die, i. e. S. die Kunst und Theorie der Auslegung von Texten, i. w. S. das Verstehen von Sinnzusammenhängen in menschl. Lebensäußerungen aller Art. - Bis zum 18. Jh. war die hermeneutica sacra als Deutung hl. Texte unterschieden von der hermeneutica profana, die sich mit der klass. Literatur der Antike beschäftigte. F. D. E. Schleiermacher bestimmte dann die H. als »Kunstlehre des Verstehens«, die von W. Dilthey als methodolog. Grundlegung der Geisteswiss. verstanden und ausgebaut wurde. - Die hermeneut. (»verstehende«) Methode, die in Ggs. zur erklärenden der Naturwiss. gesetzt wird, will Bedeutung und Sinn von Äußerungen und Werken des menschl. Geistes aus sich und in ihrem Zusammenhang verstehen. - Dass »Verstehen« nicht allein Methode einer Wissenschaft, sondern der Geisteswissenschaft vorgeordnet ist, entwickeln M. Heidegger und H. G. Gadamer in der philosoph. H.: »Verstehen« wird als Weise des menschl. Existierens selbst begriffen. Der Verstehende muss immer schon ein Vorverständnis von dem haben, was Gegenstand des Verstehens ist (hermeneut. Zirkel). - Zentrum der theolog. H. und Ziel ihrer (exeget.) Bemühungen ist die immer neue Übersetzung der bibl. (Sprach-)Wirklichkeit in die jeweilige (Sprach-)Wirklichkeit der Gegenwart unter Wahrung des unverkürzten Kerygmas, vollzogen in der christl. Predigt. Traditions-, Schrift- und Vernunftprinzip bilden die grundlegenden hermeneut. Denkansätze, unterschieden nach den die Bibelauslegung normierenden »Instanzen« Lehramt, (göttlich inspirierte) Hl. Schrift und (historisch-krit.) Vernunft. Wesentl. hermeneut. Ansätze des 20. Jh. begreifen die bibl. Botschaft als Ausdruck von Existenzerfahrungen (R. Bultmann, Heideggers »Hermeneutik des Daseins« aufgreifend), Sprachereignis, in dem sich Heil ereignet (Gerhard Ebeling, * 1912), archetypisch zur Sprache gebrachte, den Menschen in seiner Zerrissenheit heilende Urwünsche, -erfahrungen und -zusagen (E. Drewermann).
▣ Literatur:
H.-G. Gadamer Seminar: Philosoph. H., hg. v. u. a. Frankfurt am Main 31982.
⃟ H. in der Kontroverse, Beiträge v. F. J. Wetz u. a. Frankfurt am Main 1996.
⃟ Morasch, G.: Hermetik u. H. Verstehen bei Heinrich Rombach u. Hans-Georg Gadamer. Heidelberg 1996.
Hermeneutik[zu grch. hermēneúein »aussagen«, »auslegen«, »erklären«] die, i. e. S. die Kunst und Theorie der Auslegung von Texten, i. w. S. das Verstehen von Sinnzusammenhängen in menschl. Lebensäußerungen aller Art. - Bis zum 18. Jh. war die hermeneutica sacra als Deutung hl. Texte unterschieden von der hermeneutica profana, die sich mit der klass. Literatur der Antike beschäftigte. F. D. E. Schleiermacher bestimmte dann die H. als »Kunstlehre des Verstehens«, die von W. Dilthey als methodolog. Grundlegung der Geisteswiss. verstanden und ausgebaut wurde. - Die hermeneut. (»verstehende«) Methode, die in Ggs. zur erklärenden der Naturwiss. gesetzt wird, will Bedeutung und Sinn von Äußerungen und Werken des menschl. Geistes aus sich und in ihrem Zusammenhang verstehen. - Dass »Verstehen« nicht allein Methode einer Wissenschaft, sondern der Geisteswissenschaft vorgeordnet ist, entwickeln M. Heidegger und H. G. Gadamer in der philosoph. H.: »Verstehen« wird als Weise des menschl. Existierens selbst begriffen. Der Verstehende muss immer schon ein Vorverständnis von dem haben, was Gegenstand des Verstehens ist (hermeneut. Zirkel). - Zentrum der theolog. H. und Ziel ihrer (exeget.) Bemühungen ist die immer neue Übersetzung der bibl. (Sprach-)Wirklichkeit in die jeweilige (Sprach-)Wirklichkeit der Gegenwart unter Wahrung des unverkürzten Kerygmas, vollzogen in der christl. Predigt. Traditions-, Schrift- und Vernunftprinzip bilden die grundlegenden hermeneut. Denkansätze, unterschieden nach den die Bibelauslegung normierenden »Instanzen« Lehramt, (göttlich inspirierte) Hl. Schrift und (historisch-krit.) Vernunft. Wesentl. hermeneut. Ansätze des 20. Jh. begreifen die bibl. Botschaft als Ausdruck von Existenzerfahrungen (R. Bultmann, Heideggers »Hermeneutik des Daseins« aufgreifend), Sprachereignis, in dem sich Heil ereignet (Gerhard Ebeling, * 1912), archetypisch zur Sprache gebrachte, den Menschen in seiner Zerrissenheit heilende Urwünsche, -erfahrungen und -zusagen (E. Drewermann).
▣ Literatur:
H.-G. Gadamer Seminar: Philosoph. H., hg. v. u. a. Frankfurt am Main 31982.
⃟ H. in der Kontroverse, Beiträge v. F. J. Wetz u. a. Frankfurt am Main 1996.
⃟ Morasch, G.: Hermetik u. H. Verstehen bei Heinrich Rombach u. Hans-Georg Gadamer. Heidelberg 1996.