Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Handwerk
Handwerk,handwerksmäßig betriebenes Gewerbe, das im Verzeichnis der H.-Ordnung (Anlage A) als Gewerbe aufgeführt ist. Wesentl. Merkmale des H. im Vergleich zur Ind.: geringere Betriebsgröße, geringerer Grad der Technisierung und Arbeitsteilung, überwiegend Einzelfertigung aufgrund individueller Bestellung im Ggs. zur Massenfertigung der Ind. auf Vorrat, stärkere Fertigung für den lokalen Bedarf (Kundennähe). Unternehmen, in denen die handwerkl. Produktionsweise überwiegt, werden zum Wirtschaftszweig H. (H.-Wirtschaft) zusammengefasst. Abgrenzungskriterium ist die Eintragung in die H.-Rolle. In Dtl. ist das H. nach der Ind. der bedeutendste Wirtschaftszweig; 1998 erzielten im früheren Bundesgebiet 492 300 H.unternehmen mit 4,98 Mio. Beschäftigten einen Umsatz von 832,1 Mrd. DM (mit Umsatzsteuer). In den neuen Bundesländern erwirtschafteten im gleichen Zeitraum 607 500 H.betriebe mit 6,21Mio. Beschäftigten einen Umsatz von 1 012,3 Mrd. DM.Organisation: Im H. sind berufl. Selbstverwaltung und wirtsch. Interessenvertretung miteinander verknüpft. Die H.-Innung (Innungen) bildet die gemeinsame Grundlage für zwei Organisationsrichtungen: den regionalen (öffentl.-rechtl.) Zweig: Innung, Kreishandwerkerschaft, H.-Kammer, und den fachl. (privatrechtl.) Zweig: Landesinnungsverband und Bundesinnungsverband. - Auf Bundesebene sind die beiden Organisationsformen im Dt. Handwerkskammertag (DHKT) und in der Bundesvereinigung der Fachverbände des Dt. H. (BFH) zusammengeschlossen. H.-Kammern und zentrale Fachverbände des H. bilden den Zentralverband des Dt. H. (ZDH) als Gesamtvertretung. Diese zentralen Zusammenschlüsse sind privatrechtl. Natur.
H. ist auch Bez. für eine Gruppe von Berufen, deren amtl. Berufsbild als Grundlage für die Ausbildung vorliegt. Die Zahl der H.-Berufe ändert sich ständig, da traditionelle Berufe aussterben und neue (bes. im Gesundheits-, Dienstleistungssektor, techn. H.) entstehen. Die Ausbildung erfolgt nicht nur in H.-Betrieben, sondern auch in Industrie- und Verkehrsunternehmen sowie öffentl. Betrieben.
Das H.-Recht ist Teil des Gewerberechts. Seine Grundlagen sind in der H.-Ordnung i. d. F. v. 24. 9. 1998 geregelt. Der selbstständige Betrieb eines H. als stehendes Gewerbe ist nur den in der H.-Rolle eingetragenen natürl. und jurist. Personen gestattet. Dies setzt bei Ersteren i. d. R. die Ablegung der Meisterprüfung in dem zu betreibenden oder einem verwandten H. voraus. H.-Berechtigungen aus der DDR sind unter Aufrechterhaltung vergleichbarer Besitzstände übergeleitet worden; in den Mitgl.staaten der EU erworbene gleichwertige Qualifikationen werden anerkannt. Die Handwerksrolle ist ein von den H.-Kammern geführtes Verzeichnis, in das die selbstständigen Handwerker mit dem von ihnen betriebenen Handwerk einzutragen sind. Über die Eintragung ist eine Bescheinigung (Handwerkerkarte) auszustellen.Geschichte: Das H. geht in allen Kulturen aus der geschlossenen Hauswirtschaft hervor. Der selbstständige Handwerker erscheint, sobald Gegenstände über den Bedarf der Familie hinaus mit dem Ziel des Erwerbs und Gewinns hergestellt werden. In Mitteleuropa bildete sich etwa seit dem 11. Jh. ein freier Handwerkerstand. Seine Blütezeit fiel mit derjenigen der Stadtwirtschaft im Hoch- und Spät-MA. zusammen. Die Handwerker desselben Berufszweiges schlossen sich zu Zünften zusammen, die auch Lebensgemeinschaften bildeten und jahrhundertelang durch strenge Einhaltung der die Qualitätsarbeit betonenden Vorschriften und durch Aufrechterhaltung der althergebrachten Lehrfolge (Lehrling, Geselle, Meister) Standesehre und -stolz bewahrten. Seit dem 16. Jh. erstarrten die alten Formen. Als Wettbewerber des H. kamen Verlagssystem und Fabrik auf. Seit dem Ende des 18. Jh. geriet das H. durch die Massenerzeugung der Manufakturen, dann der Fabriken in eine schwere Krise. Aus Protest gegen die Beseitigung der überlieferten Zunftrechte und Lebensformen entstand in der 1. Hälfte des 19. Jh. die Handwerkerbewegung (Allgemeiner Dt. Handwerkerkongress 1848 in Frankfurt am Main), die die Einrichtung einer berufsständ. H.-Ordnung bewirkte. 1897 wurden die H.-Kammern eingerichtet. Das Problem des wirtsch. und sozialen Fortbestands des H. entstand durch die starke industrielle Entwicklung um 1900. Auf Qualitätsarbeit beruhende H.-Betriebe konnten sich behaupten, neue H.-Zweige kamen hinzu. Trotz der Überlegenheit von Ind. und Großbetrieben auf Einzelgebieten hat das H. seine bed. Stellung in der Volkswirtschaft behalten.
Literatur:
Sinz, H.: Lexikon der Sitten u. Gebräuche im H. Freiburg im Breisgau u. a. 1986.
Lexikon des alten H., hg. v. R. Reith. München 21991.
Die neue Handwerker-Fibel für die praxisnahe Vorbereitung auf die Meisterprüfung, bearb. v. W. Gress u. a., 3 Bde. Bad Wörishofen 351996.
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