Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Hamburg
Hạmburg(Freie und Hansestadt Hamburg), Land (Stadtstaat) der Bundesrep. Dtl., an der Niederelbe, mit der Insel Neuwerk in der Elbmündung 755 km2 (davon 61 km2 Wasserflächen), mit (1998) 1,701 Mio. Ew.;
unterteilt in die Stadtbezirke H.-Mitte, Altona, Eimsbüttel, H.-Nord, Wandsbek, Bergedorf und Harburg.
Verfassung: Nach der Verf. vom 6. 6. 1952 liegt die Legislative bei der Bürgerschaft (121 Abg., auf vier Jahre gewählt), diese wählt die Reg. (Senat). Eine Abwahl der Reg. oder einzelner Mitgl. ist im Rahmen eines konstruktiven Misstrauensvotums möglich. Der Senat wählt aus seiner Mitte den Präs. (Erster Bürgermeister) und dessen Stellv. (Zweiter Bürgermeister); er besitzt ein Vetorecht gegenüber von der Bürgerschaft beschlossenen Gesetzen.
Landesnatur: H. liegt an der Einmündung von Alster und Bille in die Niederelbe, 110 km oberhalb ihrer Mündung in die Nordsee, noch im Bereich von Ebbe und Flut. Das Land hat Anteil an drei Naturräumen: am Rand der südholstein. Geest, die zw. Blankenese und Bergedorf steil zur Elbe abfällt, am überwiegend von Flussmarschen erfüllten Urstromtal der Niederelbe und im S mit den Harburger Bergen am Endmoränengebiet der Schwarzen Berge. Die Naturlandschaften sind größtenteils in Kulturlandschaften umgewandelt worden. Das Schwergewicht der Bebauung liegt nördlich der Elbe. Südlich der Norderelbe liegen die Ind.- und Hafengebiete. Der Hafen, ein offener Tidehafen, erstreckt sich über die ganze Breite des Stroms. Die großen Elbbrücken am oberen Ende des Hafens und zwei Elbtunnel für Fußgänger und Fahrzeuge dienen der Bewältigung des immer stärker werdenden Verkehrs.
Bevölkerung: Bis 1910 wuchs die Bev. im damaligen Stadtgebiet bereits auf über 1 Mio. Menschen an, 1964 war mit 1,857 Mio. Ew. der Höchststand erreicht. Danach einsetzende Bev.verluste durch eine niedrige Geburtenrate und Abwanderung wurden durch einen stetigen Zuzug von Ausländern und Zuzüge aus den neuen Bundesländern aufgefangen. 1995 waren 14,9 % der Ew. Ausländer. 41 % der Bev. gehören der evang. Kirche an, 10 % der kath. (Erzbistum H., umfasst H., Schleswig-Holstein und Mecklenburg ohne Vorpommern) und 3 % anderen christl. Kirchen; 4 % sind Muslime (es gibt 23 Moscheen).
Institutionen: H. ist der Sitz mehrerer Bundeseinrichtungen, darunter die Bundesforschungsanstalt für Fischerei, die Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, die Biolog. Anstalt Helgoland, der Dt. Wetterdienst (Seewetteramt) mit Meteorolog. Observatorium, Instrumentenamt und Flugwetterwarte. Mit dem Internat. Seegerichtshof nahm 1996 die erste UNO-Institution in Dtl. ihre Arbeit auf. Weitere wiss. Institutionen sind: Dt. Elektronen-Synchrotron (DESY), Max-Planck-Inst. für Meteorologie, Max-Planck-Inst. für ausländ. und internat. Privatrecht, Heinrich-Pette-Inst. für Experimentelle Virologie und Immunologie, UNESCO-Inst. für Pädagogik, Dt. Übersee-Inst., Bernhard-Nocht-Inst. für Schiffs- und Tropenkrankheiten, HWWA-Inst. für Wirtschaftsforschung, Schiffbauversuchsanstalt, Hans-Bredow-Inst. für Rundfunk und Fernsehen, Inst. für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Inst. für die Gesch. der dt. Juden, Joachim-Jungius-Ges. für Wiss. e. V., Hamburger Sternwarte, Univ. (gegr. 1919), TU H.-Harburg, mehrere FH, Hochschulen für Wirtschaft und Politik, für bildende Künste, für Musik und Theater, Univ. der Bundeswehr. Weitere kulturelle Einrichtungen sind Museen, darunter Kunsthalle (Erweiterungsbau von 1997), Museum für Kunst und Gewerbe, Museum für Völkerkunde, Museum für Hamburg. Gesch., Altonaer Museum/Norddt. Landesmuseum, Helms-Museum/Museum für Vor- und Frühgesch., »Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart«, mehrere Bibliotheken, Planetarium, Staatsoper (älteste dt. Oper, gegr. 1678), Dt. Schauspielhaus, Thalia-Theater u. a. private Theater, Botan. Garten und Hagenbecks Tierpark.
Wirtschaft und Verkehr: H. hat als Handels-, Verkehrs- und Dienstleistungszentrum überregionale, z. T. weltweite Bedeutung und zählt zu den wichtigsten Ind.standorten in Dtl. H. ist Sitz von über 3 000 Import- und Exportfirmen sowie 95 Generalkonsulaten, ist nach Frankfurt am Main wichtigster dt. Bankenplatz und gilt als ältester und heute größter dt. Versicherungsplatz; außerdem ist es eine wichtige Messe- und Kongressstadt (»Congress Centrum H.«). H. verfügt über eine Wertpapier-, Versicherungs- sowie zwei Warenbörsen. Ein bes. dynam. Dienstleistungszweig ist die Medienwirtschaft, in der H. in Dtl. führend ist (Presse- und Buchverlage, Musik- und Filmwirtschaft, Werbung und Design). Bed. sind der Seefischmarkt, Blumen-, Gemüse- und Obstgroßmärkte. In den Vier- und Marschlanden gibt es zahlr. Gartenbau- und Obstbaubetriebe. Bei der Wirtschaftsstrukturveränderung in den letzten Jahrzehnten entwickelten sich zukunftsträchtige Industriebranchen: zivile Luftfahrtind., Elektronik-, feinmechan. und opt. Ind. und der Maschinenbau im Vergleich zum traditionellen Schiffbau. Weitere wichtige Zweige sind die Mineralölverarbeitung, die chem. Ind., die Nichteisenmetall- und Nahrungsmittel- und Genussmittelind. (Kaffee, Tee u. a.). - H. ist, gemessen am Seegüterumschlag, der größte Seehafen in Dtl. und der viertgrößte in Europa. Gesamtfläche: 74 km2. Mit dem Containerzentrum Waltershof gehört H. zu den sieben größten Containerhäfen der Erde. Mit dem Hinterland und der Ostsee ist H. durch Binnenwasserstraßen verbunden (Oberelbe, Elbe-Seitenkanal, Nord-Ostsee-Kanal). H. ist der größte Eisenbahnknotenpunkt im nördl. Europa (moderner Rangierbahnhof in Maschen); dichtes S- und U-Bahnnetz; internat. Flughafen Fuhlsbüttel.
Stadtbild: Einem Stadtbrand fielen 1842 zahlr. Gebäude zum Opfer; im Zweiten Weltkrieg richteten Luftangriffe schwere Zerstörungen an. Wiederhergestellt wurden u. a. die barocke Kirche Sankt Michaelis (1648-73, mehrfach restauriert, nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut), deren Turm (»Michel«) das Wahrzeichen der Stadt ist (daneben die Krameramtswohnungen von 1676/77). Auch die Türme der anderen vier Hauptkirchen blieben trotz Errichtung zahlr. Bürohochhäuser für die Silhouette der Stadt bestimmend: Sankt Jacobi (14. Jh.) mit Schnitgerorgel (1689-93), Sankt Katherinen (14./15. Jh.), Sankt Petri (14. Jh., nach dem Stadtbrand 1844-49 als neugot. Backsteinhallenkirche errichtet) und Sankt Nikolai, von der nur der Turm erhalten ist. Aus dem 19. Jh. stammen die Börse (1839-41) und die Staatsoper (19. Jh.). In der Altstadt sind das Rathaus (1886-97), die Ellerntorsbrücke und einige Häuser des 17./18. Jh. erhalten. Städtebaulich von großem Reiz ist die Umgebung der Binnenalster mit dem Jungfernstieg. An den Kanälen (Fleeten) des Freihafens liegt die 1884-1910 errichtete Speicherstadt im Stil des Historismus. Bauten des frühen 20. Jh. sind die Musikhalle (1904-08), die Landungsbrücken (1907-09) und der Elbtunnel (1907-11); von F. Schumacher das Postzollamt (1913-15) und das Museum für Hamburg. Geschichte (1914-23). Eines der eindrucksvollsten Beispiele der Architektur der 1920er-Jahre ist das Kontorhausviertel mit Chilehaus, Sprinkenhof, Shellhaus. Zahlr. Neubauten entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg (u. a. Geschäftsbauten, Ladenpassagen). - Auch die Außenbezirke und Vororte verfügen über bemerkenswerte Baudenkmäler. In Altona wurde die barocke Hauptkirche wieder hergestellt; erhalten sind klassizist. Gebäude (1801-25) an der Palmaille, das Neue Rathaus (1896-98). In Blankenese befinden sich Villenbauten, u. a. von H. van de Velde, H. Muthesius und P. Behrens. In Wandsbek liegt das Schimmelmann-Mausoleum (1782-91), in Bergedorf die Kirche Sankt Petri und Pauli (um 1500 und 17. Jh.). - Weltbekannt ist das Vergnügungsviertel Sankt Pauli mit der Reeperbahn zw. Innenstadt und Altona.
Geschichte: H., 810 als fränk. Stützpunkt angelegt, wurde um 825 zur Hammaburg ausgebaut, 831 Bistum, 834 Erzbistum (Ansgar), 845 Verlegung des Erzbistums nach Bremen. 1188 Erweiterung durch die Neustadt (ab 1189 Handels-, Zoll- und Schifffahrtsprivilegien auf der Niederelbe), 1215 Zusammenschluss von Alt- und Neustadt. Eines der ersten Mitgl. der Hanse (im 14. Jh. deren wichtigster Umschlagplatz zw. Nordsee- und Ostseeraum). Seit dem Spät-MA. durch den 1190 (?) erstmals nachweisbaren, vom Patriziat gewählten Rat regiert. Seit etwa 1460 und endgültig seit 1510 Reichsstadt. Einführung der Reformation 1529; 1558 Gründung der ersten Börse in Deutschland und im nördl. Europa. 1616-25 entstand die Befestigung. Kulturelle Blüte im 17./18. Jh. (u. a. 1678 Gründung der ersten dt. Oper; 1767 des Hamburg. Nationaltheaters). 1806 frz. Besetzung; trat 1815 als Freie Stadt dem Dt. Bund, 1867 dem Norddt. Bund und 1871 dem Dt. Reich, erst 1888 dem Dt. Zollverein bei. 1921 parlamentarisch-demokrat. Verf. (mit Senat und Bürgerschaft). 1933 nach Auflösung der Bürgerschaft einem nat.-soz. Reichsstatthalter unterstellt; 1937 durch Eingliederung von Altona (mit Blankenese), Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek sowie 28 Landgem. Bildung von Groß-H. (bei Ausgliederung von Cuxhaven und Geesthacht). Nach dem dt. Zusammenbruch 1945 wurde H. Teil der brit. Besatzungszone, 1949 Land der Bundesrep. Dtl. Führende Partei wurde die SPD, die seit 1946 meist den Ersten Bürgermeister stellt (u. a. 1946-53 und 1957-60 M. Brauer, 1974-81 H.-U. Klose, 1981-88 K. von Dohnanyi, 1988-97 H. Voscherau, seit 1997 O. Runde).
Literatur:
Bracker, J.: H. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hamburg 1987.
Klessmann, E.: Geschichte der Stadt H. Hamburg 71994.
Thede-Ottowell, A.-M.: H. Vom Alsterhafen zur Welthafenstadt. Hamburg 1996.
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