Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Haare
Haare,1) (Pili), ein- oder mehrzellige, meist fadenförmige Keratinbildungen der Epidermis mancher Tiere und des Menschen. Bei den Wirbeltieren haben nur die Säugetiere H. Sie dienen v. a. der Temperaturregulation und als Strahlenschutz, haben aber auch Tastsinnesfunktion und stellen einen Schmuckwert oder Tarnschutz dar. Man unterscheidet den über die Epidermis herausragenden Haarschaft und die in einer grubenförmigen Einsenkung steckende Haarwurzel, die an ihrem Ende zur Haarzwiebel verdickt ist. In diese ragt von unten her eine zapfenförmige, bindegewebige Lederhautpapille (Haarpapille) hinein. Sie enthält ein Blutgefäßnetz sowie Pigmentzellen und versorgt die teilungsfähigen Zellen der Haarzwiebel. Von dieser Haarmatrix aus wächst und regeneriert sich das Haar (bei Zerstörung der Matrix oder der Papille ist keine Haarbildung mehr möglich). Nach oben zu sterben die Haarzellen ab und verhornen. Aus unvollständig verhornten und eingetrockneten Zellen bildet sich das Haarmark. Um das Mark herum liegt die Haarrinde, in deren Zellen Farbstoffe abgelagert sind, die die Haarfarbe bedingen. Die Haarwurzel ist außen vom Haarbalg, einer bindegewebigen Schicht aus verdickten Zellen der Lederhaut, umgeben. Die H. sitzen meist schräg in der Haut. Sie können durch einen kleinen glatten Muskel (Haarbalgmuskel) aufgerichtet werden. Zw. Muskel und Haar liegen ein bis zwei Talgdrüsen (Haarbalgdrüsen), die in den Haarbalg münden. Ihr öliges Sekret hält das Haar geschmeidig. Der Mensch hat insgesamt 300 000 bis 500 000 H., davon entfallen etwa 25 % auf die Kopfbehaarung. Ein menschl. Haar ist 40-100 μm dick. Es wächst täglich zw. 0,25 und 0,40 mm (Augenbrauen nur etwa halb so viel). Ist das Wachstum beendet, löst sich das Haar unter Verdickung seines untersten Endes von der Papille ab. Nach einer Ruhezeit bildet diese ein neues Haar, das im selben Kanal wächst, das alte Haar mitschiebt, bis dieses ausfällt. Wenn die Pigmentzellen keinen Farbstoff mehr haben, wird das neue Haar grau. Treten zw. den verhornten Zellen feine Luftbläschen auf, werden die H. weiß. - Die Dichte des Haarkleides Fell tragender Säugetiere der gemäßigten Breiten liegt zw. 200 (Sommerkleid) und 900 (Winterkleid) H. je cm2. Auf größeren Haut- bzw. Fellbezirken liegen die H. i. Allg. in bestimmten Richtungen (Haarstrich). Der Haarstrich ist häufig der Hauptfortbewegungsrichtung angepasst (verläuft also von vorn nach hinten) oder entspricht der Schutzfunktion des Haarkleides (v. a. gegen Regen; daher meist vom Rücken zum Bauch verlaufend).
Literatur:
Balabanova, S.: ... aber das Schönste an ihr war ihr Haar, es war rot wie Gold ... H. im Spiegel der Kultur u. Wissenschaft. Ulm 1993.
2) (Pflanzenhaare, Trichome), den tier. H. ähnl. Auswüchse der Oberhautzellen, teils einzellig (z. B. Wurzel-H., Brenn-H.), teils vielzellig (z. B. Glieder-H., Schuppen, Zotten). Die zu einfachen Papillen aufgestülpten Oberhautzellen verursachen den Samtglanz vieler Laub- und Blütenblätter und schützen das Blatt vor Benetzung; Wurzel-H. saugen Wasser auf; Drüsen-H. scheiden Sekrete aus; Woll-, Seiden- und Schuppen-H. schützen vor zu starker Erwärmung; Kletter-H. erhöhen die Haftfähigkeit eines Klettersprosses; Flug-H. verringern die Fallgeschwindigkeit bei Früchten und Samen; Borsten-H. sind starre, mit Kieselsäure oder Kalk durchsetzte H.; die gleichfalls verkieselten Brenn-H. (Nesselgewächse) schützen vor Tierfraß; Fühl-H. vermitteln Berührungsreize. H. können auch an den Wänden von Hohlräumen des Pflanzenkörpers vorkommen (innere H.).
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Haare