Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
griechische Literatur.
griechische Literatur.Die g. L. umfasst die Lit. der Griechen von der archaischen bis zur byzantin. Zeit (8. Jh. v. Chr. bis 4./5. Jh. n. Chr.).Archaische Zeit (vom 8. bis ins 5. Jh. v. Chr.): Am Beginn steht die älteste erhaltene große Dichtung: die in Hexametern verfassten Epen »Ilias« und »Odyssee« (Homer) als Vollendung einer langen mündl. Tradition. Fahrende Sänger, bes. im ion. Kleinasien, hatten Einzelgesänge und ihren Formelschatz gepflegt und überliefert. Diese gingen in die mit vollendeter ep. Technik gestalteten homer. Epen ein. Die spätere Lit. schöpfte aus Homer oder setzte sich mit ihm auseinander. Um 700 übernahm in Böotien Hesiod die ep. Form für die »Theogonie« und die Lehrgedichte »Werke und Tage«. Zeitgleich mit der Ablösung der Monarchie und ersten Formen demokrat. Selbstverständnisses entstand die Lyrik als Ausdruck einer wesentlich vom Individuum bestimmten Dichtung; es entfalteten sich neue Liedformen mit eigenen Versmaßen. Der alte kult. Chorgesang wurde kunstmäßig und blieb erhalten (Alkman in Sparta, Stesichoros auf Sizilien u. a.). Daneben gelangte das Einzellied zu hoher Vollendung (Sappho und Alkaios auf Lesbos, Anakreon in Ionien). Mit mahnender, spottender und reflektierender Dichtung traten einzelne Persönlichkeiten hervor (Tyrtaios in Sparta, Archilochos und Hipponax in Ionien, Solon in Athen). Mitte bis Ende des 6. Jh. entstanden die ersten philosoph. Werke (Vorsokratiker), teils in Prosa (Anaximander in Milet, Heraklit in Ephesos), teils als hexametr. Lehrgedichte (Parmenides in Unteritalien, Empedokles auf Sizilien). Um 500 schrieb der Wegbereiter der grch. Historiographie und Geographie Hekataios von Milet.Klass. Zeit (Anfang des 5. bis Ende des 4. Jh. v. Chr.): Das Chorlied erlebte außerhalb Athens eine Spätblüte durch Simonides, Pindar und Bakchylides; auf Sizilien entstanden die dor. Volkspossen des Epicharm. Die Klassik ist jedoch bes. durch die Leistungen der att. Schriftsteller bestimmt. Nach den Perserkriegen wurde Athen für eineinhalb Jahrhunderte Mittelpunkt der g. L. Dort erlebte die aus dem Dithyrambos hervorgegangene Tragödie im 5. Jh. durch Aischylos, Sophokles und Euripides ihre Blütezeit. Zentrales Thema der Tragödie war das Verhältnis des Menschen zu den Göttern. Eher politisch-zeitkritisch ausgerichtet war die altatt. Komödie (Eupolis, Kratinos, Aristophanes), die neben der Tragödie entstand. Mit den Geschichtswerken des Herodot über die Perserkriege, des Thukydides über den Peloponnes. Krieg und des Xenophon erreichte die Historiographie ihren Höhepunkt. Im 4. Jh. standen Theopompos von Chios und Ephoros von Kyme unter att. Einfluss. - Die polit. Verhältnisse und die gerichtl. Praxis wurden Voraussetzung für die Entwicklung der Rhetorik als Zweig der Lit. (Antiphon, Andokides, Lysias). Die Sophisten (u. a. Protagoros und Gorgias) unterwarfen in ihren Argumentationen die traditionellen religiösen, eth. und polit. Anschauungen rationaler Kritik. In der Reaktion auf sie wurden die philosoph. Werke Xenophons und Platons verfasst. Durch Isokrates und Demosthenes wurde die Rhetorik weiterausgebildet und die Form des offenen Briefes als Mittel polit. Diskussion eingeführt. Neben Zeugnissen von Briefliteratur und Herausbildung der Biographie als literar. Gattung entstand nun auch naturwiss. Lit. (Hippokrates, Theophrast). Gegen Ende des 4. Jh. erreichte die neue Komödie in Athen mit ihrer mehr allgemein menschl. Problematik einen hohen Rang (Menander, Philemon, Diphilos).Hellenist. Zeit (vom 3. Jh. an): Athen trat literarisch zurück. Neue kulturelle Mittelpunkte wurden die Fürstenhöfe der Diadochen in Antiochia, Pella, Pergamon und bes. Alexandria; die Forschung, bes. die Fachwiss., wurde in allen Gebieten menschl. Wissens gefördert, Poesie und Gelehrsamkeit wurden verschmolzen. Schöpfer solcher Bildungspoesie waren u. a. Kallimachos, Theokrit, Apollonios von Rhodos, Aratos, Herodas. Neben den überkommenen Formen wurden Kleinformen für die hellenist. Poesie charakteristisch: so das Epyllion, das durchgefeilte Epigramm und die Darstellung realist. Szenen aus Alltag und Volksleben, die Ähnlichkeiten zum Mimus aufweisen. In der Geschichtsschreibung des Duris von Samos und später des Phylarch finden sich tragödienhafte Elemente.Später Hellenismus und Zeit der röm. Herrschaft bis zum Beginn der Spätantike (2. Jh. v. Chr. bis 3./4. Jh. n. Chr.): Um 150 v. Chr. wurde der Einfluss Roms literarisch spürbar. In der Auseinandersetzung mit Rom erwuchsen das Geschichtswerk des Polybios, die stoische Philosophie des Panaitios und das Geschichtswerk des Philosophen Poseidonios (1. Jh. v. Chr.). Der Universalhistoriker Diodor, der Rhetor und Geschichtsschreiber Dionysios von Halikarnassos und der Geograph Strabo waren in ihren Fragestellungen stark von Rom bestimmt. In Alexandria fasste der Grammatiker und Lexikograph Didymos die Ergebnisse hellenist. Gelehrsamkeit zusammen. Philon von Alexandria verband jüd. Glauben und stoische Philosophie. Flavius Josephus stellte die jüd. Geschichte als Teil der hellenistisch-röm. Welt dar.Kaiserzeit (seit 27 v. Chr.): Gegen 100 n. Chr. sammelte und aktualisierte der platonisierende Schriftsteller Plutarch das Erbe der g. L. und harmonisierte es mit der röm. Welt. Zu den ersten Vertretern der 2. Sophistik rechnet man den Redner Dion Chrysostomos, der in seiner Rückwendung zum Erbe der grch. Klassik Plutarch vergleichbar ist. Die Philosophenschulen (Musonius, Epiktet) und Rhetorenschulen waren von großer Bedeutung. Im 2. Jh. n. Chr. trat die Fachschriftstellerei wieder stärker hervor, vertreten u. a. durch Arrian (Historiker), Galen (Mediziner, Philosoph), Ptolemaios (Astronom, Geograph), Apollonios Dyskolos (Grammatiker), Pausanias (Verfasser von Reisebeschreibungen). Eine besondere literar. Prägung lassen in dieser Zeit der Redner Älius Aristides und der vielseitige satir. Literat Lukian erkennen. Kaiser Mark Aurel verfasste platonisch-stoische Selbstbetrachtungen. In dieser und der folgenden Epoche entfaltete sich auch der grch. Roman (Chariton, Longos, Heliodor). Die Sprache der Zeit ist klassizistisch (Attizismus). Im 3. Jh. kam es nach historiograph. Werken (u. a. Cassius Dio Cocceianus) zu einem Neuaufleben der philosoph. Lit. (Plotin). - Seit dem 3. Jh. machte sich auch der Einfluss des Christentums bemerkbar, wie umgekehrt die christl. Schriftsteller (frühchristliche Literatur) stark von der heidnischen Bildungstradition beeinflusst sind. In den überkommenen Formen wurden im 4. Jh. innerkirchl. dogmat. Streitigkeiten ausgetragen (Gregor von Nazianz, Basilius d. Gr., Johannes Chrysostomos ). Der Übergang vom heidnisch-röm. zum christlich-oström./byzantin. Staat war gleichzeitig der Beginn der byzantinischen Literatur, an die sich die Epoche der neugriechischen Literatur anschloss.
▣ Literatur:
Lesky, A.: Geschichte der g. L. Bern u. a. 31971, Nachdr. ebd. 1993.
⃟ Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, hg. v. K. von See u. a., Bd. 2: G. L., bearb. v. E. Vogt u. a. Wiesbaden 1981.
⃟ Lesky, A.: Die grch. Tragödie. Stuttgart 51984.
⃟ Fränkel, H.: Dichtung u. Philosophie des frühen Griechentums. München 41993.
⃟ Snell, B.: Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europ. Denkens bei den Griechen. Göttingen 71993.
▣ Literatur:
Lesky, A.: Geschichte der g. L. Bern u. a. 31971, Nachdr. ebd. 1993.
⃟ Neues Handbuch der Literaturwissenschaft, hg. v. K. von See u. a., Bd. 2: G. L., bearb. v. E. Vogt u. a. Wiesbaden 1981.
⃟ Lesky, A.: Die grch. Tragödie. Stuttgart 51984.
⃟ Fränkel, H.: Dichtung u. Philosophie des frühen Griechentums. München 41993.
⃟ Snell, B.: Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europ. Denkens bei den Griechen. Göttingen 71993.