Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
griechische Kunst.
griechische Kunst.Anschließend an die spätmyken. Kunst (ägäische Kultur) entwickelte sich auf dem grch. Festland gegen Ende des 11. Jh. v. Chr. die geometr. Kunst. Aus dem 9. und 8. Jh. sind kleinplast. Arbeiten aus Ton und Bronze sowie Geräte aus Eisen und Bronze bekannt. Ende des 8. Jh. v. Chr. folgte auf den geometr. Stil die archaische Kunst mit monumentalen Werken der Skulptur und Architektur und bemalten Vasen des »erzählenden Stils« (7.-6. Jh. v. Chr.). Im 5. Jh. entfaltete sich die erste, im 4. Jh. die zweite Blüte der klass. Kunst. Nach dem Tod Alexanders d. Gr. (323) wandelte sich die klass. zur hellenist. Kunst (3.-1. Jh.). Vom Ende des 4. Jh. n. Chr. an lässt sich die g. K. von der byzantin. nicht mehr trennen (byzantinische Kunst); zur neuzeitl. grch. Kunst neugriechische Kunst.Die Bezeichnung der ersten Epoche der g. K. - geometr. Kunst - geht auf die Linienornamentik der Tongefäße dieser Zeit zurück: Mäander, Dreieck, Raute, Kreis und Hakenkreuz sind zu waagerechten Streifen angeordnet. An die Stelle der naturhaften kretisch-myken. Formensprache trat ein mathematisch-ordnender Stilwille. Die Gefäße der streng geometr. Stufe (850-775 v. Chr.) sind oft ganz mit schwarzem, glänzendem Überzug versehen, aus dem nur wenige schmale Ornamentstreifen ausgespart sind (Haken- und Zinnenmäander). In der reifgeometr. Phase (775-750) wurden die differenzierteren Gefäßformen von Ornamenten dicht überzogen. Neben die Tierfriese trat das Menschenbild, v. a. die figurenreiche Totenklage sowie Krieger- und Wagenzüge. Der spätgeometr. Stil (750-700) bietet übermäßig geschwellte oder zugespitzte Formen, malerisch flimmernde Ornamente. Seit etwa 720 fanden Bildmotive des Vorderen Orients (Tiere und Fabelwesen) Aufnahme (orientalisierender Stil). - Die gleichen geometr. Stilgrundsätze wie die Tongefäße zeigen Schmuckstücke und Geräte sowie Kleinplastiken aus Metall, Elfenbein und Ton.
Baukunst Die Baukunst entwickelte sich im 8. und 7. Jh. v. Chr. am Tempelbau, dessen Grundform die rechteckige, ihr Licht nur vom Eingang her empfangende Cella war. Die Cella erhielt eine Vorhalle mit zwei Säulen oder wurde mit einer Ringhalle von hölzernen Stützen umgeben (Peristase). Die Formen der urspr. aus Holz und Lehm errichteten Tempel wurden im späteren 7. Jh. auf Steinbauten übertragen. Die ältesten Bauten des seit Mitte des 6. Jh. ausgeprägten dor. Stils (dor. Ordnung) waren schwer und gedrungen (Korinth, Ägina, Korfu). Ihre Giebel wurden mit plast. Bildwerken, die Metopen (Zwischenfelder) zw. den Triglyphen (Dreischlitze) des Architravs mit Reliefs geschmückt (so in Selinunt, 540-520). Als Baustoff diente verputzter Kalkstein, später Marmor. Säulen, Gebälk und Giebel wurden in feste Proportionen zueinander gebracht. Die Baukunst der klass. Zeit klärte und verfeinerte die allmählich leichter und schlanker werdenden Formen (Zeustempel in Olympia, 470-460; Parthenon, Athen, 448-432; Poseidontempel von Sunion, um 430, und von Paestum, um 450). Im 4. Jh. v. Chr. wurde der dor. Stil nur noch selten, in hellenist. Zeit kaum noch verwendet.
Von der ion. Küste Kleinasiens ausgehend, entwickelte sich im 6. Jh. v. Chr. die fortan gültige Form des ion. Volutenkapitells und mit ihm der ion. Stil (ion. Ordnung), der schlanke Säulen von reich durchgebildeten Basen aufsteigen lässt, den Architrav in drei waagerechte Streifen gliedert und darüber mit einem Zahnschnittgesims schließt. In Ephesos und Samos entstanden Kolossaltempel mit doppeltem Säulenumgang (Dipteros). Der attisch-ion. Stil bildete eine reichere Kapitellform aus und den mit Skulpturen geschmückten, durchlaufenden Fries unter dem vorspringenden Gesims (Niketempel auf der Akropolis). Mit dem gegen Ende des 5. Jh. v. Chr. aufkommenden korinth. Kapitell, gebildet aus einem korbartigen Kern und Akanthusblättern, setzte sich im Laufe des 4. Jh. v. Chr. der korinth. Stil (korinth. Ordnung) durch (Lysikratesdenkmal in Athen, 334).
In der Zeit des Hellenismus verbreitete sich die grch. Baukunst bis weit in den Orient hinein. Neue Aufgaben bot der prunkvolle Ausbau der unter den Diadochen gegründeten königl. Residenzen (Pergamon, Alexandria, Antiochia). In den Städten entstanden große Marktanlagen, die Hallen, Tempel und Rathäuser umfassten, ferner Theater, Bibliotheken (Alexandria, Pergamon), Palästren und Bäder.
Bildhauerkunst Mit dem Bau der großen Tempel in der 2. Hälfte des 7. Jh. v. Chr. entwickelte sich die monumentale Plastik des archaischen Stils (650-500). Götter, Verstorbene und siegreiche Kämpfer wurden als nackte Jünglingsgestalten (Kuroi) in strenger, frontal ausgerichteter Haltung, in Schrittstellung und mit anliegenden Händen dargestellt. Gleichzeitig entstanden bekleidete weibl. Figuren als Verkörperungen von Göttinnen (Göttin mit dem Granatapfel, um 580-560; Berlin, Antikensammlung), Verstorbenen und als Weihgeschenke (Koren). Neben der Freiplastik entwickelte sich die Reliefkunst der für die ersten dor. Tempel gearbeiteten Metopen und Giebelfelder.Die klass. Kunst setzte mit dem strengen Stil (500-450) ihrer Frühzeit ein, als sich nach den Perserkriegen auch die Kunst zu neuer Blüte entfaltete. Die starre Gebundenheit des archaischen Stils wurde gesprengt, der menschl. Körper in anatomisch verstandener Bewegung erfasst. An der Wende zu dieser Entwicklung entstanden die kämpfenden Krieger der Giebel des Aphaiatempels von Ägina. Die nach ihrem Äußeren gewaltigsten erhaltenen Werke des strengen Stils sind die Giebelbildwerke und Metopen von Olympia, kostbare Zeugnisse der klass. Erzgießerkunst der »Wagenlenker von Delphi« (478-474; Delphi, Archäolog. Museum) und der »Gott aus dem Meer« von Kap Artemision (um 480 v. Chr.; Athen, Archäolog. Nationalmuseum). Die meisten Bildwerke der grch. Klassik sind nur durch röm. Kopien v. a. des 1.-3. Jh. n. Chr. bekannt. So wurden die Marmorgruppe der beiden Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton (Neapel, Archäolog. Nationalmuseum) nach einer 477 v. Chr. entstandenen Bronzegruppe kopiert und der »Kasseler Apoll« nach einem vielleicht von Phidias stammenden Werk.Im Übergang vom strengen Stil zur hohen Klassik des 5. Jh. v. Chr. entstanden der »Diskuswerfer« und die Athena-Marsyas-Gruppe von Myron. Die überragenden Bildhauer des Jahrhunderts waren Phidias und Polyklet. Zu den Meisterwerken des Phidias zählen die monumentalen Standbilder des Zeus in Olympia und der Athena Parthenos im Parthenon zu Athen, von denen kleine Nachbildungen eine nur ungefähre Vorstellung vermitteln; zwei 1972 vor der Küste Kalabriens bei Riace gefundene Kriegerfiguren aus Bronze sind möglicherweise Originalwerke des Phidias. Unter Leitung des Phidias entstanden die Parthenonskulpturen (die Bildwerke der beiden Giebel, 92 Metopen) und der 160 m lange Fries (Elgin Marbles). Sein Einfluss wirkte durch Mitarbeiter und Schüler bis Ende des Jahrhunderts fort. Polyklet entwickelte den Kontrapost und schuf v. a. Jünglingsgestalten aus Erz (Doryphoros, Diadumenos).In der Zeit der späten Klassik des 4. Jh. v. Chr. wandelte sich die heroische Auffassung in eine mehr persönl. Darstellung. Kephisodot schuf das Standbild der Friedensgöttin Eirene für den Markt in Athen, Praxiteles in meisterl. Marmorbehandlung anmutige Bildwerke wie den Apoll Sauroktonos (»Eidechsentöter«), den »Hermes mit dem Dionysosknaben« und die Aphrodite von Knidos. Zu schlankeren Proportionen und freierer Bewegung gelangte Lysippos (Apoxyomenos). Gleichzeitig wirkten Skopas und in der 2. Hälfte des Jahrhunderts Leochares, der wie Lysippos Standbilder Alexanders d. Gr. schuf. In Athen blühte die Kunst der Grab- und Weihreliefs, durch deren Ausfuhr die att. Kunst weite Verbreitung fand.Der Stil des Lysippos und seiner Schule leitete zur hellenist. Kunst über, deren Bildhauer die körperl. Bewegung und den Ausdruck bis zu barockem Pathos steigerten. Hauptwerke aus dieser Spätzeit der g. K. entstanden v. a. in Pergamon (u. a. Sockelfries des Pergamonaltars). Zu Beginn des 2. Jh. v. Chr. datiert die Nike von Samothrake, gegen Ende die Aphrodite von Melos (beide Paris, Louvre). Die letzte barocke Steigerung lässt die Laokoongruppe erkennen (wohl aus dem 1. Jh.; Rom, Vatikan. Sammlungen). Ihr nahe verwandt ist der oft kopierte »Kopf des blinden Homer«, der zu den bedeutendsten Werken der zu hoher Blüte entwickelten Bildnisplastik gehört. Im 1. Jh. v. Chr. kam gleichzeitig eine klassizist. Richtung auf, der z. B. das an klass. Vorbilder anknüpfende Bildwerk des »Dornausziehers« zuzurechnen ist.
Malerei Werke der Wand- und Tafelmalerei sind nicht erhalten. Ihre Entwicklung könnte der der grch. Plastik analog und ebenbürtig verlaufen sein. Einige Tafeln aus Ton (Metopen von Thermos, Ende des 7. Jh. v. Chr.) oder Marmor (Scheibe mit Bild des Arztes Äneas; Athen, Archäolog. Nationalmuseum) zeigen flächig kolorierte Umrisszeichnungen. Die Grabmalereien von Elmali (Lykien) und Paestum (Tomba del tuffatore) bestätigen die Vermutung, dass sich die Monumentalmalerei vor der Mitte des 5. Jh. grundsätzlich nicht von der Vasenmalerei, bes. der des rotfigurigen Stils, unterschied (Vase).
Von den Wandbildern des Polygnot in Athen und in Delphi (um 460) ist, wie von anderen Werken der klass. Maler (Zeuxis, Apollodoros u. a.), nur der Inhalt der Darstellungen durch antike Beschreibungen bekannt. Pompejan. Fresken lassen nur Anlehnungen und Nachklänge erkennen. Am ehesten vermag die Mosaikkopie der Alexanderschlacht den Eindruck einer spätklass. Monumentalmalerei zu vermitteln. Auch die Wand- und Tafelbilder des Apelles, des Hofmalers Alexanders d. Gr., mit denen die Malerei des Hellenismus einsetzte, sind nicht erhalten. Einen gewissen Ersatz für die verloren gegangenen Werke der hellenist. Zeit bieten die Mosaikbilder des Dioskurides von Samos. Späthellenist. Beispiele des 1. Jh. sind die Wandgemälde der Villa von Boscoreale, der Mysterienvilla von Pompeji und die aldobrandinische Hochzeit.
Kleinkunst Aus allen Zeiten der g. K. ist eine Fülle von Werken der Kleinplastik in Bronze und Ton (Menschen, Tiere und myth. Wesen darstellend) und der zu hoher Vollendung entwickelten Vasenmalerei (Vase ) erhalten. Einen besonderen Zweig der Terrakottaplastik bilden die Tanagrafiguren (Tanagra). Einzigartig sind auch die grch. Steinschneidekunst und die Münzprägung.
Literatur:
Boardman, J.u. a.:Die g. K. Sonderausgabe München 1984.
Die Skulptur der Griechen, Beiträge v. W. Fuchs, Fotos v. M. Hirmer. München 41993.
Scheibler, I.: Grch. Malerei der Antike. München 1994.
Kunst der Griechen, bearb. v. C. Laisné. A. d. Frz. Paris 1995.
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Ansicht: griechische Kunst.